Partei- und Organisationsgeschenke
von Andreas Michaelis
Die
Überbringung von Gast- und Ehrengeschenken ist gewiß keine
Erfindung des Sozialismus, und die Motive für diese Schenkungen waren
schon immer zwielichtig. Aber erst in den Beziehungen zwischen kommunistischen
und sozialistischen Parteien, Organisationen oder Institutionen erstarrte
die traditionelle Praxis zum Ritual. Wie es in den Verwaltungen das Prinzip
des vorauseilenden Gehorsams gab, wonach Anordnungen und Auflagen der
übergeordneten Ebene bereits erfüllt wurden, bevor sie herausgegeben
worden waren, so entwickelte auch die Überreichung von Gast- und
Ehrengeschenken eine schwer zu fassende Eigendynamik. Sicher gab es keine
zentrale Anweisung, Parteitage und -funktionäre regelmäßig
zu beschenken, und es ist auch kein Fall bekannt, bei dem eine Institution
oder Organisation gemaßregelt wurde, die es einmal versäumt
hatte, ein gesellschaftliches Ereignis mit einem sichtbaren Ausdruck ihrer
Aufmerksamkeit zu krönen. Doch wer wollte schon hinter seinem Nachbarn
zurückstehen? Welche Bezirksparteiorganisation wollte sich nachsagen
lassen, daß ihr Geschenk an den Parteitag im Vergleich zu dem des
Nachbarbezirks weniger wert- oder würdevoll und originell war? Welcher
Betrieb wollte eine Chance verstreichen lassen, sich bei der Kreis- oder
Bezirksleitung der Partei in ein gutes Licht zu rücken, sei es als
Entschuldigung für nicht erfüllte Pläne oder im Hinblick
auf die Vergabe von Investitionsmitteln? Die Sorge, hinter oft nur eingebildeten
Erwartungen der vorgesetzten Person oder Einrichtung zurückzubleiben,
führte vor allem zwischen den verschiedenen Leitungsebenen der SED
dazu, daß eine traditionelle Praxis maßlos ausuferte. Niemand
vermag auch nur annähernd abzuschätzen, wie viele tausend Repräsentationsstücke
in den 44 Jahren der Existenz der Partei überreicht wurden, wieviel
Arbeitskraft und Material gebraucht wurden, um diese Objekte herzustellen,
und wieviel Kopfzerbrechen es den Verantwortlichen immer wieder bereitet
hat, ein würdiges Präsent für die nächsthöhere
Parteiinstanz zu finden. Und auch die Genossen aus dem Ausland mußten
sich immer wieder neue Gedanken machen, womit sie die SED und ihre führenden
Funktionäre überraschen konnten.
Das
älteste Stück in dieser Reihe erinnert an die Vereinigung der
Arbeiterparteien KPD und SPD im Land Thüringen. Auf dem Vereinigungskongreß
im März 1946 in Gotha wurde Wilhelm Pieck eine zu einem Feuerzeug
umgebaute Geschoßhülse überreicht. In der unmittelbaren
Nachkriegszeit wurden schon aus Mangel an Rohmaterialien häufig Relikte
des Krieges zur Herstellung von Gebrauchsgütern verwandt.
Im Januar und Februar 1947 weilte erstmals eine offizielle SED-Delegation
unter der Leitung von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl zu einem Besuch
in der UdSSR. Jeder Teilnehmer dieser Reise erhielt als Erinnerungsgeschenk
eine Lenin-Plastik.
Das hier gezeigte Exemplar stammt von Max Fechner und gelangte nach dessen
Tod 1973 in den Besitz des Museums für Deutsche Geschichte. Die Plastik
ist die Kopie eines Werkes des bekannten sowjetischen Künstlers Nikolai
Andrejeev, der sich in den 20er Jahren auf die Darstellung von Lenin spezialisiert
hatte.
Die
Unterzeichnung des Oder-Neiße-Grenzabkommens zwischen der DDR und
Polen am 6. Juli 1950 war ein für die europäische Nachkriegsgeschichte
bedeutsamer außenpolitischer Akt. Handelte es sich doch um das erste
internationale Abkommen, welches die DDR als souveräner Staat unterzeichnen
durfte, wenn auch der Inhalt von den strategischen Interessen der Sowjetunion
diktiert wurde. Eine Tischplastik, die eine polnische Jugenddelegation
anläßlich der Friedensfahrt 1952 dem Vorsitzenden des Deutschen
Sportausschusses überreichte, symbolisiert diese Entwicklung. Auf
dem Sockel befindet sich ein umlaufender Schriftzug, der den Frieden beschwört:
»Frieden - Pokoj - Paix - Peace«.
Die Mehrzahl der Objekte dieses Kapitels wurden jedoch bei den Parteitagen
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands oder bei Besuchen kommunistischer
Parteidelegationen in der DDR überreicht. Die in der Regel alle vier
bis fünf Jahre abgehaltenen Parteitage der SED wurden der Bevölkerung
der DDR als die absoluten gesellschaftlichen Höhepunkte präsentiert.
Sämtliche richtungweisenden Entscheidungen für die politische,
wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes fielen vor diesem
Forum. Zu den Teilnehmern gehörten neben den Spitzenfunktionären
aus den Kombinaten, Kreisen, Bezirken und dem Zentralkomitee immer auch
prominente Sportler, Kulturschaffende und Wissenschaftler. Dazu kamen
Delegationen von kommunistischen und sozialistischen Parteien aus aller
Welt, die der SED wohlgesonnen waren. Während die Geschenke der ausländischen
Gäste in der Regel als Geste der Höflichkeit gegenüber
den Gastgebern zu betrachten sind, läßt sich hinter den Präsenten
aus der DDR wohl mehr eine Hommage an das Forum der »Auserwählten«
vermuten.
Ein
besonderes Stück DDR-Geschichte repräsentiert eine Schreibtischgarnitur,
die Wilhelm Pieck auf dem III. Parteitag von einer Abordnung aus der Waggonfabrik
Ammendorf überreicht wurde. Das Werk war einer der Hauptbetriebe
der Sowjetischen Aktiengesellschaft »Transmasch«, das bis Mitte der 50er
Jahre ausschließlich Maschinen und Ausrüstungen für die
Reparationsleistungen an die UdSSR herstellte. Erst 1954 wurden die letzten
Sowjetischen Aktiengesellschaften in Volkseigene Betriebe umgewandelt
und durften auch für den DDR-Markt produzieren. Das Modell eines
Schlafwagens, eine originalgetreue Nachbildung des 500. für die UdSSR
gebauten Eisenbahnwaggons, stand bis zu Wilhelm Piecks Tod in seinem Arbeitszimmer
im Schloß Niederschönhausen und fand sogar später seinen
Platz bei Walter Ulbricht.
Freundschaft
für immer beschwören die Kumpel aus dem Kohle-Kombinat Deutzen
auf ihrem ebenfalls dem III. Parteitag gewidmeten Standbild. Die Embleme
der SED und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
finden wir neben einer Industrieanlage, die aus einem Brikett mit der
Aufschrift Partei Vorhut der Arbeiterklasse erwächst. Den
Hintergrund bildet eine aufgehende Sonne.
In
eine besondere Kategorie von Erinnerungsgeschenken gehört die Bastelei
eines Arbeiters aus dem Bezirk Magdeburg. Das aus Klammern und Kordelschnüren
zusammengefügte Zierbehältnis wurde Erich Honecker anläßlich
des IX. Parteitages zugesandt. In einem Begleitschreiben bedankt sich
der Absender beim Generalsekretär der SED für die großzügige
Unterstützung seiner kinderreichen Familie durch den Staat und wünscht
dem Parteitag viel Erfolg. Solch individuelle Geschenke waren in den 70er
und 80er Jahren kaum noch anzutreffen. Statt dessen dominierten industriell
gefertigte und ohne jeden persönlichen Bezug überbrachte Stücke
wie das Fragment einer Industrieanlage aus dem Rohr-Kombinat Riesa.
Um alle wichtigen gesellschaftlichen Ereignisse eines Zeitraums abdecken
zu können, wurden gleich mehrere Exemplare angefertigt.
Die
Geschenke von offiziellen Delegationen kommunistischer und revolutionärer
Parteien aus aller Welt enthalten oft Symbole der internationalen Arbeiterbewegung
oder des »real existierenden Sozialismus«. So entspringt bei einem Präsent
der Portugiesischen Kommunistischen Partei aus den Grundelementen Hammer
und Sichel, den Zeichen der Sowjetmacht, ein Stern mit dem Porträt
Lenins. Um die stilisierte Weltkugel läuft das bekannte Marx-Zitat
»Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!«, und auf dem Sockel wird
die Freundschaft zwischen der PKP und der SED beschworen .
Auf
einer Vase aus Bulgarien finden wir die Umsetzung einer Fotomontage von
John Heartfield, die im November 1933 in der »A-I-Z« (Arbeiter Illustrierten
Zeitung) erschienen war. Sie zeigt einen überdimensionierten Georgi
M. Dimitrow in Siegerpose vor seinem Ankläger Hermann Göring
im Prozeß um den Reichstagsbrand. Symbolisiert wird der Sieg des
Kommunismus über den Faschismus, denn der bulgarische Politiker und
Mitbegründer der KP Dimitrow wurde im Dezember 1933 von der Anklage,
am Reichstagsbrand beteiligt gewesen zu sein, freigesprochen.
Die Ahnengalerie der kommunistischen Bewegung wird durch einen Wandteller
aus Laos
bereichert, auf denen Marx und Lenin den Triumph ihrer Ideen in diesem
Land verkünden.
Eine Collage über die blühende Landwirtschaft in Äthiopien
hinterläßt angesichts der Hungersnot, die das sozialistische
Experiment Mengistu Haile Mariams hinterließ, einen bitteren Nachgeschmack.Weitere
Stücke stammen aus Israel, Chile und von der Demokratischen Volksfront
zur Befreiung Palästinas, deren amtierender Chef Hawatmeh 1980 auf
Einladung der SED in der DDR weilte.
In
den 70er Jahren unterhielt die DDR kurzzeitig enge Beziehungen zu Somalia.
Staats- und Parteichef Mohammed Siyaad
Barre überbrachte Erich Honecker und der SED brüderliche
Grüße von der Revolutionären Sozialistischen Partei Somalias
in Form zweier Elefantenzähne und einer Tischzier mit einem somalischen
Wappen. Doch schon bald entstand für die DDR ein ähnliches Dilemma
wie in den Beziehungen zum Sudan. Als sich 1977 ein blutiger Bruderkrieg
zwischen den »sozialistischen« Staaten Somalia und Äthiopien entwickelte,
stellte sich die DDR auf die Seite Äthiopiens, und der ehemalige
»Genosse« Siyaad Barre wurde als Diktator und »Handlanger des Imperialismus«
entlarvt.
Abordnungen der SED besuchten regelmäßig die Parteitage der
kommunistischen Bruderparteien. Alle Parteitage der KPdSU, die in seine
Amtszeit fielen, besuchte der Generalsekretär Honecker persönlich.
Von
diesen - zumindest von der DDR - als Höhepunkte und als richtungweisend
für die gesamte kommunistische Bewegung betrachteten Ereignissen
brachten die SED-Delegationen regelmäßig markante Erinnerungsstücke
mit. Die Werktätigen des Tscheljabinsker Bezirkes widmeten der SED-Delegation
eine Komposition aus verschiedenen Symbolen der kommunistischen Weltanschauung.
Auf einem roten Stern ruht - symbolisiert durch die Werke von Marx, Engels
und Lenin - die geballte Kraft der marxistisch-leninistischen Theorie.
Darüber erheben sich eine Weltkugel mit der farbig hervorgehobenen
Sowjetunion im Blickpunkt und eine wehende rote Fahne mit der Aufschrift
Proletarier alter Länder, vereinigt Euch!.
Das Höchstmaß an politischer Symbolik in unserer Sammlung bietet
jedoch eine Plastik, die der SED-Delegation auf dem III. Parteitag der
Kommunistischen Partei Kubas überreicht wurde. Über allem Bösen
dieser Welt, veranschaulicht durch ein zerbrochenes Hakenkreuz, eine Reihe
Totenköpfe, zwei Atomraketen, eine Kette mit einem den USA-Imperialismus
verkörpernden Raubvogel, erhebt sich Picassos Friedenstaube. Die
erstmals 1949 auf einem Friedenskongreß in Paris präsentierte
Taube wurde zum Signet der internationalen Friedensbewegung. In den sozialistischen
Staaten galt sie auch als Symbol des Kampfes gegen den Imperialismus.
Weitere Geschenke erreichten die Partei oder ihren jeweiligen Chef zu
Jahrestagen ihrer Gründung, zu verschiedenen von ihr initiierten
und getragenen bzw. besuchten Veranstaltungen sowie zu Jubiläen anderer
Staaten, Parteien und Organisationen. Selbst einzelne Sportvereine hielten
es mitunter für angebracht, sich persönlich bei Honecker erkenntlich
zu zeigen. Für jeden Fußballfan in der DDR war es bis zuletzt
ein offenes Geheimnis, daß der Berliner FC Dynamo auf Wunsch und
mit Rückendeckung von ganz oben zehnmal hintereinander den Meistertitel
errang. Dieses »Geschenkabonnement« verlangte natürlich einen Tribut.
Jedes Jahr mußten die Spieler und Funktionäre des BFC ihren
»hochverehrten Genossen Erich Honecker« mit einem Präsent beglücken.
Zu
den Institutionen und Organisationen der DDR, die am reichhaltigsten mit
Geschenken bedacht wurden, gehörte das Ministerium für Staatssicherheit.
Ob SED-Kreisleitungen oder -Betriebsorganisationen, staatliche oder gesellschaftliche
Organisationen der DDR, Sicherheitsorgane aus dem In- oder (sozialistischen)
Ausland - alle sahen sich veranlaßt, regelmäßig des Jahrestages
der Gründung des MfS zu gedenken.
Eine intensive Beziehung hatte die DDR Anfang der 70er Jahre in der Regierungszeit
der Unidad Popular zu Chile aufgebaut. Die Hoffnung, damit neben Kuba
einen zweiten stabilen Partner als Basis für ihre politischen, wirtschaftlichen
und kulturellen Interessen in Lateinamerika zu gewinnen, wurde im September
1973 durch den Militärputsch und die Ermordung des marxistischen
Präsidenten Salvador Allende zerstört. Die SED hielt jedoch
ihre Beziehungen zu den befreundeten Parteien der Kommunisten und der
Sozialisten aufrecht. Tausende chilenische Emigranten fanden in der Zeit
der Pinochet-Diktatur in der DDR eine zweite Heimat. Das Porträtfoto
des ermordeten Allende ist ein Geschenk seiner Witwe, die im September
1974 die DDR besuchte. In einer persönlichen handschriftlichen Widmung
bedankt sie sich für die Solidarität der DDR.
Die Bemühungen und Aufwendungen für die chilenischen Kommunisten
und Sozialisten haben sich zumindest für einen ehemaligen DDR-Bürger
gelohnt. Erich Honecker verbrachte seinen Lebensabend im chilenischen
Exil.
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