UNTER VORBEHALT
Die Vorführung mancher Filme, die während des „Dritten Reichs“ entstanden sind, ist nur unter Vorbehalt möglich. Diese sogenannten Vorbehaltsfilme dürfen zwar gezeigt, sie müssen aber eingeführt und mit dem Publikum diskutiert werden. Ihre Vorführung soll der Aufklärung über den Nationalsozialismus dienen. Zum Korpus der Vorbehaltsfilme gehören über 40 abendfüllende Produktionen. Darunter finden sich Spielfilme wie Jud Süß oder Hitlerjunge Quex – Filme, von denen immer wieder die Rede ist, wenngleich sie kaum jemand gesehen hat. Die meisten Vorbehaltsfilme sind jedoch vollkommen unbekannt. Die Reihe UNTER VORBEHALT, die in unregelmäßiger Folge alle Vorbehaltsfilme vorstellen und diskutieren wird, möchte unter anderem dazu beitragen, das Reden über das Kino des „Dritten Reichs“ von diesen blinden Flecken der Diskussion zu befreien. Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie wir mit dem filmischen Erbe des Nationalsozialismus umgehen möchten – und wer dieses „wir“ ist.
UNTER VORBEHALT
Olympia
D 1936-38, R: Leni Riefenstahl, Teil 1: Olympia – Fest der Völker (148’), Teil 2: Olympia – Fest der Schönheit (128’) 35 mm, restaurierte Fassung aus dem Jahr 2012
Angesichts der internationalen Kritik an der Diktatur, an Militarismus und Rassismus präsentiert die Olympiade 1936 ein modernes und weltoffenes Deutschland. Dieses Ereignis inszeniert Leni Riefenstahl im Auftrag des Propagandaministeriums in einem Dokumentarfilm, dessen Aufwand alle Dimensionen sprengt und dessen Bilderrausch bis heute fasziniert. Dutzende Aufnahmeteams mit den besten und kreativsten Kameraleuten standen der Regisseurin zur Verfügung. Sie ließ 400 Kilometer Film belichten und montierte daraus in eineinhalbjähriger Arbeit zwei abendfüllende Filme, in denen das „Dritte Reich“ als mythischer Nachfolger der Antike erschien. Doch stilisierte Riefenstahl nicht allein ein nordisches Körperideal, sie feierte auch die Kraft und Anmut südländischer, asiatischer und schwarzer Athleten, unter ihnen der Star der Olympiade, Jesse Owens.
Was den Film so berühmt gemacht hat, sind die experimentierfreudigen, avantgardistischen Kameraeinstellungen, die Eleganz der Montage und die perfekte Balance zwischen Bild und Musik. Olympia wurde deshalb zugleich zum Vorbild einer „heroischen Reportage“ im „Dritten Reich“ erhoben wie auch international als bester Sportfilm aller Zeiten gelobt. „Leni Riefenstahl erweist sich mit diesem Film nicht nur als Meisterin der sportlichen, sondern auch der erotischen Inszenierung und Mythisierung gestählter Körper und sportlicher Wettkämpfe. In ihren Augen haben sich vor allem die Männer als würdige Objekte ihres filmischen Schönheitskults zu bewahren. Dem gnadenlosen Blick dieser Domina eines ambivalenten Männlichkeitswahns geht es nicht um die Befreiung der Erotik, sondern um deren Steigerung durch sportliche und kämpferische Disziplinierung und Mythisierung der Körper.“ (Peter Zimmermann: Die Parteitagsfilme der NSDAP und Leni Riefenstahl. In: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland, 2005). Wir zeigen die 2012 vom Internationalen Olympischen Komitee restaurierte Fassung. (ps)
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv
Einführung: Rainer Rother
Nach der Vorführung des ersten Teils findet ein Filmgespräch statt.
Der Eintrittspreis beträgt 10,- Euro
am 12.4.2013 um 18.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
U-Boote westwärts!
D 1941, R: Günther Rittau, K: Igor Oberberg, D: Herbert Wilk, Heinz Engelmann, Joachim Brennecke, Ilse Werner, 100’ 35 mm
Hitlers Krieg gegen England rückte neben der Luftwaffe besonders auch die U-Boote ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Wie die Flieger waren die U-Bootfahrer von einem Mythos umgeben, wobei der ihnen zugeschriebene Todesmut offenkundig auch die hohen Verluste an Menschenleben in den Hintergrund rücken sollte. Todesmut und Opferbereitschaft, Männlichkeit, Härte und unbedingter Gehorsam sind die Tugenden, die U-Boote westwärts! feiert; darüber hinaus feiert der mit den höchsten Prädikaten ausgezeichnete „Staatsauftragsfilm“ vor allem die Technik der U-Boote selbst. „Dieser Film, der unter stärkster Mitwirkung des Oberkommandos der Kriegsmarine [...] entstand, heroisiert nicht. Er zeigt bloß Pflicht, die getan wird, er zeigt, wie sie getan wird von jedem einzelnen. Die Männer sind deutsche Soldaten – wie du und ich“, fabuliert Der Angriff nach der Premiere im Beisein Joseph Goebbels’ am 11. Mai 1941. Während der Film sein Heldenlied singt, wird – so scheint es hier – der Ausdruck „heroisieren“ heimlich aussortiert, durchaus nachvollziehbar im zweiten Kriegsjahr. (ps)
am 7.5.2013 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Der Herrscher
D 1937, R: Veit Harlan, Künstlerische Oberleitung: Emil Jannings, B: Thea von Harbou, Curt J. Braun, D: Emil Jannings, Paul Wagner, Hilde Körber, Käthe Haack, Marianne Hoppe, 107’ 35 mm
„Eine wunderbare Leistung. Modern und nationalsozialistisch. So wie ich mir die Filme wünsche“, notiert Propagandaminister Joseph Goebbels kurz vor der Premiere von Der Herrscher im März 1937 in sein Tagebuch. Der 37-jährige Regisseur Veit Harlan empfiehlt sich damit für größere Propagandafilme, und Jannings, einst so berühmt für seine gebrochenen Männerfiguren, entwickelt in dieser losen Adaption von Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenuntergang sein neues Profil als einsamer und genialer Führer. In Der Herrscher muss er sich gegen seine eigenen Kinder – dargestellt als hinterhältige, kränkliche, degenerierte Brut – zur Wehr setzen, um sein Lebenswerk zu bewahren: nicht für sich, sondern für Deutschland und die „Volksgemeinschaft“. In dem mit den Prädikaten „staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll“ ausgezeichneten Film „bleibt von Hauptmann nur die menschliche Fabel, von ihr aus stößt der Film in die Probleme der deutschen Gegenwart vor; er ist verwurzelt in der Aktivität des Vierjahresplans“, schreibt das Berliner Tageblatt am 18. März 1937. Aus dem weltfremden Professor Traumulus, den Jannings im vorangegangenen Film verkörpert hatte, ist, so das Tageblatt weiter, „ein Herrscher, aus dem Mann, dem man mitspielt, ist ein Mann geworden, der im Leben eines Volkes eine entscheidende Rolle gibt.“ (ps)
Einführung: Frank Noack
am 14.5.2013 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Kameraden auf See
D 1938, R: Heinz Paul, K: Hans Schneeberger, D: Paul Wagner, Fred Döderlein, Carola Höhn, Theodor Loos, Heinrich Schroth, 91‘ 35 mm
Kriege werden nicht nur mit Kanonen, sondern auch mit Bildern gewonnen. Und so wird der Einsatz der deutschen Luftwaffe und der Marine im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite Francos auch in einer ganzen Reihe von Spiel- und Dokumentarfilmen verherrlicht. Kameraden auf See ist einer davon. Der Kampf der Kriegsmarine gegen Republikaner und Internationalisten dient dem „staatspolitisch wertvollen“ Film allerdings auch dazu, die Geschichte von der Rivalität zweier Seeleute um die gleiche Frau zu erzählen. Es folgt die Saga vom Verzicht um der Kameradschaft und der nationalen Sache willen. Ganz verzückt schreibt der Film-Kurier: „Dieser Film ist ein erfrischendes Werk, eine saubere, anständige Arbeit [...] – er dient in seinem Beispielgeben von Kameradschaft, von Bereitsein, in seinen prächtigen Bildern und Schilderungen vom Seemannsleben der Jugend, von kühnen Fahrten zur See und vom herzlichen, opferbereiten Geist der neuen deutschen Kriegsmarine dem ganzen Volke.“ (14.3.1938). (ps)
Einführung: Philipp Stiasny
am 23.5.2013 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Togger
D 1937, R: Jürgen von Alten, D: Renate Müller, Paul Hartmann, Matthias Wieman, 99’ 35 mm
Immer wieder blicken die Filme des „Dritten Reichs“ zurück auf die den Nazis verhasste Weimarer Republik, auf das angebliche Zusammenspiel von Kapitalismus, Kommunismus und Internationalismus. Dass der mit dem Prädikat „staatspolitisch wertvoll“ versehene Film Togger die Freiheit der Presse ausgerechnet durch Hitler gewahrt sieht, ist nur beispielhaft für die Verdrehung von Tatsachen nach 1933. Geschildert werden die Machenschaften eines internationalen Konzerns, gegen den Togger (Paul Hartmann), der Chefredakteur vom Neuen Tag, zusammen mit Hanna (Renate Müller) und ein paar Aufrechten einen einsamen Kampf führt. Zunächst sieht es nach einem Sieg von Goliath aus, doch dann – nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten – wendet sich das Blatt. Die 1933 gleichgeschaltete und 1938 eingestellte Germania, einstmals Sprachrohr der katholischen Zentrums-Partei, bemerkt am 14. Februar 1937: „Ohne Schlüsselfilm zu sein, enthält Togger Vorgänge und Spannungen, wie sie in der reichshauptstädtischen Presse früherer Jahre nicht selten waren, und so besitzt der Film neben seinem Erlebniswert eine bewußte politische Aktualität und Realität. Im Neuen Tag kämpft der Hauptschriftleiter Togger leidenschaftlich gegen die Gefahren der marxistischen Zersetzung und gegen die drohende Überfremdung der deutschen Wirtschaft durch das fremde Kapital.“ (ps)
Einführung: Guido Altendorf
am 29.5.2013 um 20.00 Uhr
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