UNTER VORBEHALT
Die Vorführung mancher Filme, die während des „Dritten Reichs“ entstanden sind, ist nur unter Vorbehalt möglich. Diese so genannten Vorbehaltsfilme dürfen zwar gezeigt, aber sie müssen eingeführt und mit dem Publikum diskutiert werden. Ihre Vorführung soll der Aufklärung über den Nationalsozialismus dienen. Zum Korpus der Vorbehaltsfilme gehören über 40 abendfüllende Produktionen. Darunter finden sich Spielfilme wie Jud Süß oder Hitlerjunge Quex – Filme, von denen immer wieder die Rede ist, wenngleich sie kaum jemand gesehen hat. Die meisten Vorbehaltsfilme sind jedoch vollkommen unbekannt. Die Reihe UNTER VORBEHALT, die in unregelmäßiger Folge alle Vorbehaltsfilme vorstellen und diskutieren wird, möchte unter anderem dazu beitragen, das Reden über das Kino des „Dritten Reichs“ von diesen blinden Flecken der Diskussion zu befreien. Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie wir mit dem filmischen Erbe des Nationalsozialismus umgehen möchten – und wer dieses „wir“ ist. Im November stehen mit Triumph des Willens und Urlaub auf Ehrenwort zwei Filme auf dem Spielplan, die keine Vorbehaltsfilme im engeren Sinne, jedoch zweifelsohne propagandistische Filme aus der Zeit des Nationalsozialismus sind.
UNTER VORBEHALT
Triumph des Willens
D 1935, R/S: Leni Riefenstahl, K: Sepp Allgeier, Karl Attenberger, Walter Frentz, Franz Weihmayr u.a., M: Herbert Windt, 109’ 35 mm
Triumph des Willens ist die meisterhaft choreografierte Liebesgeschichte zwischen Hitler und den Massen seiner Gefolgsleute, eine Huldigung und eine Selbstverpflichtung getreu der Parole „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“. Den Nürnberger Parteitag der NSDAP im September 1934 inszeniert Leni Riefenstahls Dokumentarfilm mit einem beispiellosen Aufwand. Die Auswahl der Kameraperspektiven und die schiere Menge des Filmmaterials ermöglichten es der Regisseurin, im Schneideraum ein besonders wirkungsmächtiges Werk zu schaffen. Die kunstvolle, zwischen hoher Dynamik und getragenem Pathos wechselnde Montage harmoniert mit dem Rhythmus der sinfonischen Begleitmusik. Triumph des Willens präsentiert ein von mythischer Aura umgebenes völkisches Gemeinschaftserlebnis. Der Film erhielt höchste Auszeichnungen in Deutschland, bei den Filmfestspielen in Venedig und bei der Pariser Weltausstellung 1937. „Riefenstahls Leistung bestand darin, im dokumentarischen Film mit den Mitteln des Spielfilms und dessen Formensprache zu arbeiten. Insofern ist die Rede von der ‚Hauptrolle’ Hitlers durchaus gerechtfertigt – auch mit der Konsequenz, dass Riefenstahl Hitlers Regisseurin war, also über ihn verfügte. Denn sie definierte sein Bild, die wirkungsbewussten Posen bildeten das Material, mit dem der Film hantierte. Grundlegende Voraussetzung für Riefenstahls besonderen ‚dokumentarischen Stil’ war die Emanzipation von den für Dokumentarfilme üblichen Beschränkungen.“ (Rainer Rother: Leni Riefenstahl, 2000). (ps)
Einführung: Philipp Stiasny
am 10.11. um 20.00 Uhr
am 15.11. um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl
D/GB/B/F 1993, R/B: Ray Müller, 188’ 35 mm
„Wo liegt denn meine Schuld?“ Mit dieser Frage der neunzigjährigen Leni Riefenstahl endet Ray Müllers dreistündiges Porträt der berühmtesten und berüchtigtsten deutschen Filmemacherin. Müller rekonstruiert Riefenstahls Karriere von der Tänzerin zur Schauspielerin, von der Hitler treu ergebenen Regisseurin von Triumph des Willens und Olympia hin zur geächteten Person nach 1945, von der Fotografin der Nuba bis zur Unterwasserfilmerin. Wir sehen Riefenstahl, wie sie die Orte von einst wieder aufsucht, die Alpen, das Filmstudio in Babelsberg, das Parteitagsgelände, das Olympiastadion. Und stets begegnen wir einer Frau, deren Ehrgeiz und Eitelkeit phänomenal sind, die sich vor jeder kritischen Nachfrage in eine scheinbare Ahnungslosigkeit flüchtet und in ihrer Egozentrik von Mitwissen, Mitverantwortung und Mitschuld nichts hören will. Neben dem Blick auf ein tatsächlich ungewöhnliches Künstlerleben erlaubt der Film einen Blick auf langwierige ideologische Debatten, vor allem aber auch den Blick auf eine alte Frau, die bei den Dreharbeiten dann doch gelegentlich aus der mit eiserner Disziplin gespielten Rolle fällt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bemerkt Michael Althen: „In der gespenstischsten Szene des Films sitzt sie am Schneidetisch und läßt noch mal Revue passieren, wie sie den Parteitagsfilm geschnitten hat, und als sie die Soldaten treppab marschieren sieht, leuchtet ihr Gesicht vor Begeisterung, wie gut sich ihre Montage in den Rhythmus der Marschmusik fügt. Sooft sie auch ihr Bedauern betonen mag, ihre Verblendung eingesteht, so deutlich wird in der Art, wie sie sich von ihren eigenen Bildern davontragen läßt, wie sehr ihre Lippenbekenntnisse auswendig gelernt und mit wie wenig Einsicht sie verbunden waren. In ihrem Strahlen ist von Bedauern keine Spur, da ist nur der ungebrochene Stolz, ganze Arbeit geleistet zu haben.“ (11.9.2003). (ps)
am 13.11. um 19.30 Uhr
UNTER VORBEHALT
SA-Mann Brand
D 1933, R: Franz Seitz sen., K: Franz Koch, D: Otto Wernicke, Elise Aulinger, Heinz Klingenberg, Rolf Wenkhaus, Joe Stöckel, 94’ 35 mm
SA-Mann Brand ist im Juni 1933 der erste von drei frühen Propagandafilmen aus dem „Dritten Reich“, die die sogenannte Kampfzeit der NSDAP in fiktionaler Form schildern und so die jüngste Vergangenheit zum Thema machen. Während jedoch das Pathos von Hitlerjunge Quex und Hans Westmar auf dem Märtyrertod der Hauptfigur beruht, bleibt der Titelheld von SA-Mann Brand am Leben. Bevor die NSDAP schließlich siegt und der sozialdemokratische Vater von Fritz Brand sich ebenfalls zum Nationalsozialismus bekennt, verliert der junge SA-Mann erst wegen eines Juden seine Arbeitsstelle, muss kommunistische Anschläge überstehen und einen ermordeten Hitlerjungen zu Grabe tragen. Obwohl sich der Film in antisemitischen und antikommunistischen Klischees suhlt, findet er keineswegs nur Lob, sondern wird als „Konjunkturkitsch“ kritisiert, dessen Macher nur ihr Fähnchen in den Wind hängen wollten. Zwar enthalte der Film starke Gefühlsmomente, doch vor allem wegen der viel zu läppischen Darstellung der Feinde sei er misslungen, schreibt Der Film: „SA-Mann Brand ist nicht ein Stück Zeitgeschichte, sondern ein Filmgemisch aus jüngster Vergangenheit, das dazu angetan ist, dem Beschauer, der heute noch abseits der Bewegung steht, vor allem aber der heranwachsenden Jugend, ein falsches Bild von den politischen Soldaten Adolf Hitlers zu geben!“ (17.6.1933). (ps)
Einführung: Simone Erpel
am 16.11. um 20.00 Uhr
am 1.12. um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Urlaub auf Ehrenwort
D 1937, R: Karl Ritter, K: Günther Anders, D: Ingeborg Theek, Fritz Kampers, Rolf Moebius, Berta Drews, René Deltgen, Carl Raddatz, 86’ 35 mm
Der Film der soldatischen Pflichterfüllung. Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs legt ein Truppentransport auf dem Weg an die Westfront einen Zwischenhalt in Berlin ein, der Heimatstadt der müden Soldaten. Weil ihnen seit langem der Heimaturlaub gestrichen wurde, hoffen sie nun, ihre Familien kurz besuchen zu dürfen. Entgegen den Warnungen seiner Vorgesetzten gibt der junge Leutnant seinen Männern ein paar Stunden frei und nimmt ihnen das Ehrenwort ab, danach wieder zum Bahnhof zu kommen. Anhand einer Vielzahl von Episoden und Einzelschicksalen erzählt nun Karl Ritter, der Routinier unter den Regisseuren des nationalsozialistischen Kriegsfilms, vom Wiedersehen der Soldaten mit ihren Ehefrauen und Verlobten, vom Hunger und dem Rumoren in der Heimatfront, von Versuchungen und Gewissenskonflikten quer durch die sozialen Milieus. Am Ende melden sich alle wieder beim Leutnant. Der Film-Kurier jubelt: „Der Film bildet den bekrönenden Abschluß einer Trilogie, die, von Karl Ritter gestaltet, in Patrioten die Vaterlandsliebe, in Unternehmen Michael die heldische Opferbereitschaft und in dem jetzt herausgekommenen Werk die Kameradschaft verherrlicht, Kameradschaft, die gegen Ende des Krieges, als die Zersetzung in der Heimat ihren demoralisierenden Einfluß auf die Urlauber ausübte (...), sich als ein fester Zusammenhalt erwies zwischen Männern der Front, die sich gegenseitig menschlich verpflichtet fühlten.“ (20.1.1938). Ein in der Bundesrepublik hergestelltes, jetzt im Zweiten Weltkrieg spielendes Remake des 1945 von den Alliierten verbotenen, 1952 von der FSK freigegebenen „Staatsauftragsfilms“ der Ufa kam 1955 unter dem gleichen Namen ins Kino. (ps)
Einführung: Tobias Ebbrecht
am 17.11. um 20.00 Uhr
am 27.11. um 21.00 Uhr
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