Filmzensur in Deutschland
Was von Gesetzgebern, Politikern, Institutionen der Filmwirtschaft oder Rechteinhabern für unerwünscht und verboten erklärt wird, darf gar nicht oder nur eingeschränkt auf der Leinwand erscheinen. Die Retrospektive VERBOTEN! präsentiert bekannte und unbekannte „Zensurfälle“ aus sieben Jahrzehnten deutscher Filmgeschichte. Mit den ausgewählten Filmen erschließt sich ein breites Spektrum an Einwänden, Ressentiments und Motivationen: von der angeblichen Gefährdung der „öffentlichen Sicherheit“ durch politische Stoffe und der „entsittlichenden“ Wirkung sozialkritischer Dramen über den „verrohenden“ Effekt von Gewaltdarstellungen bis hin zu Verboten, die auf ideologische Richtungswechsel und Veränderungen der weltpolitischen oder militärischen Lage zurückzuführen sind. VERBOTEN! erzählt eine Geschichte der Filmzensur in Deutschland, die eng mit der politischen Geschichte und dem gesellschaftlichen Wandel in Deutschland verknüpft ist.
VERBOTEN! FILMZENSUR IN DEUTSCHLAND versammelt eine Auswahl des im vergangenen November in Hamburg veranstalteten Internationalen Festivals des deutschen Film-Erbes CINEFEST, das von CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv kuratiert wird.
VERBOTEN!
Berlin um die Ecke
DDR 1965/1990, R: Gerhard Klein, B: Wolfgang Kohlhaase, K: Peter Krause, D: Dieter Mann, Monika Gabriel, Erwin Geschonneck, Hans Hardt-Hardtloff, 82’ · 35 mm
Die jungen Metallarbeiter Olaf und Horst leisten gute Arbeit, doch sie provozieren die Altvorderen nicht nur durch ihre Kritik an Mängeln im Betrieb, sondern auch durch ihre Vorliebe für Lederjacken und Motorräder. Als der einzige ältere Kollege, der Verständnis für sie hat, stirbt und die beiden in der Betriebszeitung kritisiert werden, eskaliert der Konflikt zwischen den Generationen. Als Fortsetzung und Schlusspunkt der „Berlin-Filme“ von Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase konzipiert, wurde Berlin um die Ecke im Gefolge des 11. Plenums unter anderem wegen seiner „pessimistischen und subjektivistischen Grundhaltung“ im Rohschnitt abgebrochen und erst 1990 fertig gestellt. „Es gibt keine dramatische Handlung, die Szenen sind lose miteinander verbunden. Die Bilder (…) vermitteln einen sinnlichen Genuß am Rhythmus und den kleinen und großen Ereignissen des Alltags. Dieser Spielfilm ist ein genaues, stilles, tief berührendes menschliches Dokument östlichen Arbeiterlebens aus der Mitte der sechziger Jahre“ (Erika Richter, Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg). (jr)
am 01.01.2014 um 20.00 Uhr
am 03.01.2014 um 21.00 Uhr
VERBOTEN!
Große Freiheit Nr. 7
D 1944, R: Helmut Käutner, B: Helmut Käutner, Richard Nicolas, K: Werner Krien, M: Werner Eisbrenner, D: Hans Albers, Ilse Werner, Hans Söhnker, Gustav Knuth, 111’ · 35 mm
Der ehemalige Seemann Hannes, Stimmungssänger in einem Vergnügungslokal auf St. Pauli, verliebt sich in Gisa, die Geliebte seines verstorbenen Bruders. Gisa entscheidet sich jedoch für den Werftarbeiter Willem und der enttäuschte Hannes geht wieder auf große Fahrt. Aus dem vom Propagandaministerium gewünschten Hohelied auf die deutsche Handelsschifffahrt machte Helmut Käutner eine subversiv-melancholische Dreiecksgeschichte mit ungeschminkter Reeperbahn-Atmosphäre, saufenden Matrosen und resoluten Hafennutten. Großadmiral Dönitz und der Hamburger Gauleiter Kaufmann sollen nach der Uraufführung im besetzten Prag im Dezember 1944 wegen Schädigung des Ansehens der deutschen Marine auf eine Umarbeitung der Inlandsfassung gedrungen haben, die jedoch bis Kriegsende nicht abgeschlossen war. Bei der deutschen Premiere im September 1945 empörten sich dann die Kirchen einmütig über das unmoralische Treiben auf dem Kiez. (jr)
am 02.01.2014 um 20.00 Uhr
am 04.01.2014 um 18.30 Uhr
VERBOTEN!
Ekstase
CS/A 1933, R: Gustav Machatý, B: Gustav Machatý, František Horký, K: Jan Stallich, Hans Androschin, M: Giuseppe Becce, D: Hedwig Kiesler [= Hedy Lamarr], Aribert Mog, Zvonimir Rogoz, 85‘ · DF
Eine junge Frau flieht aus ihrer unbefriedigenden Ehe mit einem älteren Mann in eine leidenschaftliche Affäre mit einem virilen Bauingenieur. Als sich der gehörnte Gatte das Leben nimmt, verlässt sie ihren Liebhaber. Machatýs Beziehungsdrama provozierte das Publikum durch den anachronistischen Rückgriff auf die Ästhetik der Stummfilmavantgarde, seine eindeutige sexuelle Metaphorik und offenherzige Nacktszenen. Aber vielleicht vermisste es auch „Obszönitäten“, hatte die Kinoreklame doch ein „erotisches Spiel ungehemmter Naturtriebe“ versprochen. In Prag und Wien ohne Zensurprobleme in die Kinos gekommen, wurde der Film 1933 in Deutschland wegen „gröbster Spekulation auf niedrigste Instinkte“ verboten. „Sonst triumphiert im Film der Moralkodex der Philisterwelt über den Trieb des Blutes, wird die Leidenschaft in den dumpfen Käfig einer gutbürgerlichen Ehe weggesperrt; Machatý setzt den moralinsüßen Filmen mit der ‚Gartenlaube’-Ethik sein mit künstlerischer und geistiger Konsequenz durchgestaltetes Filmwerk entgegen“ (Fritz Rosenfeld, Arbeiterzeitung, Wien, 19.2.1933). (jr)
am 04.01.2014 um 21.00 Uhr
am 05.01.2014 um 20.30 Uhr
VERBOTEN!
Die Sünderin
BRD 1950, R: Willi Forst, B: Willi Forst, Gerhard Menzel, K: Václav Vich, M: Theo Mackeben, D: Hildegard Knef, Gustav Fröhlich, Robert Meyn, 87’ · 35 mm
Der Maler Alexander, dem ein Gehirntumor das Augenlicht zu rauben droht, fasst durch die Liebe der Edelhure Marina neuen Lebensmut. Sie prostituiert sich erneut, um die rettende Operation zu ermöglichen. Als er dennoch erblindet, geht das Paar aus Verzweiflung zusammen in den Tod. Obwohl das Drehbuch während der Produktion mehrfach in Abstimmung mit Vertretern der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) „entschärft“ worden war, provozierte die Freigabe des Films den Austritt der Kirchenvertreter aus der Kontrollinstitution. Es setzte ein „Kulturkampf“ inklusive Boykottaufrufen, Demonstrationen und regionalen Polizeiverboten ein. Der kirchliche Widerstand gegen den „Skandalfilm“ zielte nicht – wie oft kolportiert – auf die kurze Nacktszene Hildegard Knefs als Aktmodell, sondern auf „die oberflächliche Behandlung des Problems der Prostitution, die verklärende Darstellung der wilden Ehe, die als Opfertat motivierte, nicht korrigierte sexuelle Hingabe gegen Geld sowie die indirekte Rechtfertigung der Tötung auf Verlangen und des Selbstmordes als letzter Lösung“ (Film-Dienst, Nr. 5, 1951). (jr)
am 05.01.2014 um 18.30 Uhr
am 07.01.2014 um 20.00 Uhr
VERBOTEN!
"Panzerkreuzer Potemkin"
Panzerkreuzer Potemkin
UdSSR/D 1925, R: Sergej M. Eisenstein, Dt. Bearb.: Phil Jutzi, B: Nina Agadzanova, K: Edouard Tissé, M: Edmund Meisel, D: Aleksandr Antonov, Vladimir Barskij, Grigorij Aleksandrov, Mihail Gomorov, 44’ · deutsche Nadeltonfassung von 1930
Potemkin frei!
DDR 1974, R: Ulrich Weiß, K: Peter Milinski, MW: Günter Rücker, Viktor Šklovskij, Hans Rodenberg, Grigorij Aleksandrov, 50’ · 35 mm
Das überwältigende Revolutionsepos über den Matrosenaufstand von 1905 in Odessa war einer der umstrittensten Zensurfälle der Weimarer Republik. Von linksgerichteten Intellektuellen als Meilenstein der Filmkunst gefeiert, galt es den Rechtsparteien als „bolschewistische Zersetzungspropaganda“, die zum Umsturz der Staatsordnung aufrief und durch Unterhöhlung des Autoritätsprinzips die Disziplin des Militärs gefährdete.Panzerkreuzer Potemkin durchlief ab 1926 acht Zensurverfahren, in denen er wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ verboten, in gekürzten Versionen freigegeben und 1930 schließlich als Tonfilm zugelassen wurde. Dieses frühe Experiment der Nachvertonung eines Stummfilms basiert auf der 1928 von Phil Jutzi erarbeiteten Schnittfassung. Unter Leitung von Alois Johannes Lippl wurde die Originalmusik von Edmund Meisel neu eingespielt und ergänzt um Geräuschkompositionen sowie Sprech- und Gesangschöre. Die Zwischentitel ersetzte ein hochgradig stilisierter Dialog, der unter anderem von Friedrich Gnass und Mitgliedern des Piscator-Ensembles gesprochen wurde.
In der TV-Dokumentation Potemkin frei! nähert sich der spätere Spielfilm-Regisseur Ulrich Weiß den Zensur-Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik durch Interviews mit Zeitzeugen, Interpretationen zum Film und eine minutiöse Aufarbeitung der Verbotsgeschichte. (jr)
Die digitale Rekonstruktion der deutschen Nadeltonfassung von Panzerkreuzer Potemkin aus dem Jahr 1930 ist ein Projekt der Universität der Künste Berlin, des Österreichischen Filmmuseums Wien und des Technischen Museums Wien mit Österreichischer Mediathek, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Projekts „DVD als Medium kritischer Filmeditionen“. Die Kopie wurde freundlicherweise vom Österreichischen Filmmuseum zur Verfügung gestellt.
Einführung: Anna Bohn
am 08.01.2014 um 20.00 Uhr
VERBOTEN!
Casablanca
USA 1942, R: Michael Curtiz, B: Julius J. Epstein, Philip G. Epstein, Howard Koch, M: Max Steiner, D: Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, Paul Henreid, Claude Rains, 80’ · 35 mm, deutsche Synchronfassung von 1952
Nazis raus! Als Warner Brothers Casablanca zehn Jahre nach seiner Uraufführung in der Bundesrepublik als Ingrid Bergman-Starfilm auswerten wollte, betätigte sich der Verleih als „Zensor“, um Einwänden der FSK und Unmut beim Publikum vorzubeugen. Er eliminierte durch Synchronisation und Kürzung um 21 Minuten sämtliche Szenen mit den deutschen Militärs um Major Strasser (Conrad Veidt) und verwandelte den verfolgten Widerstandskämpfer Victor László in einen wegen Sabotage gesuchten Erfinder geheimnisvoller „Deltastrahlen“ namens Viktor Larsen. Das Antinazi-Melodram wurde zum exotischen Abenteuerfilm: „Das Wort ‚Nazi‘ fällt nie, daß es sich bei den Flüchtlingen um Deutsche, teils auch um deutsche Juden handeln könnte, ist allenfalls an einigen Namen zu erahnen, wir befinden uns in keiner geschichtlichen Zeit, das Weltgeschehen ist ein Ungeheuer ohne Namen – statt der Gestapo-Agenten fürchten alle Menschen nur Gespenster“ (Karena Niehoff, Der Tagesspiegel, 26.4.1974). (jr)
am 09.01.2014 um 20.00 Uhr
am 11.01.2014 um 21.00 Uhr
VERBOTEN!
Die andere Seite
D 1931, R: Heinz Paul, B: Hans Reisiger, Hella Moja, D: Conrad Veidt, Theodor Loos, Wolfgang Liebeneiner, Friedrich Ettel, Viktor de Kowa, 101’ · 35 mm
Ein „Kammerspiel im Schützengraben“ um fünf britische Offiziere, die im Frühjahr 1918 an der Westfront auf die deutsche Schlussoffensive warten. Anders als die dezidierten Antikriegsfilme Westfront 1918 und Im Westen nichts Neues löste Die andere Seite in der politisch aufgeheizten Endphase der Weimarer Republik keine erregten Auseinandersetzungen aus, weil er sich darauf beschränkte, ohne agitatorische Tendenz die verheerenden Auswirkungen des Stellungskriegs auf die Psyche der Soldaten zu schildern. Joseph Goebbels notierte lobend: „Ein guter Film. Ohne Sentimentalität. Der Krieg als inneres Erlebnis“, ließ ihn aber nach der Machtübernahme sofort wegen seines „zersetzenden Einflusses auf den Wehrwillen des Volkes“ verbieten. „Der vornehmste aller bisherigen Kriegsfilme. Denn hier wird keine Kampfhandlung gezeigt, kein grausames Hinschlachten ganzer Kompagnien, alles bleibt in zurückhaltenden Andeutungen. Und doch spürt jeder Zuschauer die Brutalität des Kampfes, weil seine Auswirkung das Gesicht der Menschen verändert“ (Paul Ickes, Filmwoche, Nr. 46, 11.11.1931). (jr)
am 10.01.2014 um 19.00 Uhr
VERBOTEN!
Zwischen Nacht und Morgen / Augen der Liebe
D 1944 R: Alfred Braun, B: Veit Harlan, Alfred Braun, K: Reimar Kuntze, D: Käthe Gold, René Deltgen, Mady Rahl, Paul Wegener, Hans Schlenck, 77‘ · 35 mm
Der Bildhauer Imhoff verliert bei einem Unfall sein Augenlicht. Eine erste Operation misslingt. Als er darüber zu verzweifeln droht, kümmert sich die Krankenschwester Agnes rührend um ihn; schließlich heiraten die beiden. Imhoff versucht auch ohne Augenlicht der Bildhauerei nachzugehen und eine Plastik seiner Frau zu erschaffen. Eine weitere Operation steht an, doch ihr Gelingen macht der eher herben Agnes Angst, fürchtet sie doch ihren schönheitsliebenden Mann durch ihren Anblick zu enttäuschen. Goebbels war wenig erfreut über den Film und notierte am 3.11.1943 in sein Tagebuch: „Der Film ist scheußlich und spielt zu drei Vierteln in Krankenhäusern und Operationssälen.“ Zwischen Nacht und Morgen wurde zwar im Dezember 1944 nach von der Filmprüfstelle verfügten Änderungen zugelassen, vermutlich aber aufgrund des Themas bis Kriegsende nicht mehr in die Kinos gebracht. Die Premiere fand erst im Oktober 1951 unter dem Titel Augen der Liebe statt. (fl)
am 10.01.2014 um 21.00 Uhr
am 12.01.2014 um 18.30 Uhr
VERBOTEN!
Jahrgang 45
DDR 1966, R: Jürgen Böttcher, B: Klaus Poche, Jürgen Böttcher, K: Roland Gräf, D: Monika Hildebrand, Rolf Römer, Paul Eichbaum, Holger Mahlich, 94’ · 35 mm
Alfred (Al) und Lisa (Li), ein junges Ehepaar vom Prenzlauer Berg, wollen sich trennen. Der Automechaniker nimmt sich ein paar Tage frei, bummelt durch Berlin, trifft Freunde und Fremde und lässt eine Moralpredigt seines Kaderleiters über sich ergehen. An den lakonischen Alltagsbeobachtungen der jungen Tschechen und der spielerischen Leichtigkeit der Nouvelle Vague orientiert, hätte das Spielfilmdebüt des Dokumentaristen Böttcher dem DEFA-Film einen ganz neuen Ton geben können, doch die „Heroisierung des Abseitigen“ durch eine „indifferente, gedankenlose, unreife und asoziale“ Hauptfigur führte zum Abbruch des Films im Rohschnitt. „Kein Wort fällt gegen die Verhältnisse; auch die Bilder lassen für sich genommen keine Anklage erkennen. Aber er versteht es, ein Lebensgefühl zu vermitteln, das zwar einerseits unendlich weit über die Grenzen der DDR hinausreicht, andererseits aber deren spießbürgerliche Ödnis und gedankenleere Hoffnungslosigkeit gnadenlos hervorkehrt.“ (Peter Buchka, Süddeutsche Zeitung, 20.2.1990). (jr)
am 11.01.2014 um 19.00 Uhr
am 12.01.2014 um 20.30 Uhr
VERBOTEN!
Cyankali
D 1930, R/B: Hans Tintner, K: Günther Krampf, D: Herma Ford, Grete Mosheim, Nico Turoff, Margarete Kupfer, Paul Henckels, 90’ · 35 mm
Die junge Hete wird schwanger, doch ihr arbeitsloser Freund kann keine Familie ernähren. Als ihr ein Arzt unter Hinweis auf die Gesetzeslage die Abtreibung verweigert, besorgt sie sich Cyankali, um eine Fehlgeburt herbeizuführen. Qualvoll stirbt Hete an einer Überdosierung. Das Sozialdrama im Berliner Arbeitermilieu basiert auf dem umstrittenen Bühnenstück des Arztes und Kommunisten Friedrich Wolf. Von der Zensur als tendenziöses Pamphlet gegen den § 218 wahrgenommen, war der Film zeitweise verboten, weil er angeblich die Volksgesundheit gefährde, den Ärztestand verächtlich mache, das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttere und zum Klassenhass aufstachele. „Der Fachmann sieht vielleicht nur, was solch ein Film kostet – der Politiker staunt vor seiner Propagandamöglichkeit – und der Herr Zensor sieht nur den verbietenswerten Eingriff – (...) – wer aber ungehemmt und nicht einseitig dieses lichtlose Spiel überschaut, den muß seine Tendenz ergreifen, die Mahnung, nicht nachzulassen: die Welt zu bessern und zu bekehren“ (Film-Kurier, Nr. 123, 24.5.1930). (jr)
am 14.01.2014 um 20.00 Uhr
VERBOTEN!
Besatzung Dora
D 1943, R/B: Karl Ritter, K: Heinz Ritter, M: Herbert Windt, D: Hannes Stelzer, Georg Thomalla, Ernst von Klipstein, Wolfgang Preiss, Carsta Löck, Charlott Daudert, 95’ · 35 mm
Die Besatzung des Fernaufklärers Dora ist ein eingespieltes Team und bewährt sich an allen Fronten. Als sich die Männer jedoch in dieselben Frauen verlieben, gerät die Gruppendynamik ins Schleudern, und eine Bruchlandung in der Wüste wird zur Bewährungsprobe für ihre Kameradschaft. Ab August 1942 an den Kriegsschauplätzen in Frankreich, der Sowjetunion und Nordafrika gedreht, wurde die Fliegergeschichte im November 1943 verboten, weil die militärische Entwicklung den Film überholt hatte. So war etwa die Rettung der gestrandeten Besatzung durch italienische Piloten obsolet, weil die ehemaligen Verbündeten inzwischen Kriegsgegner geworden waren. Das Profil der deutschen Fliegerfiguren entsprach ohnehin nicht mehr den aktuellen Erfordernissen der Kriegspropaganda: Weder draufgängerische Blitzkrieger noch heroische Vaterlandsverteidiger agieren sie in Besatzung Dora als abgeklärte Spezialisten, die routiniert ihren Job machen, in Nebensätzen die NS-Rhetorik ironisieren und sich allenfalls von Frauengeschichten aus dem Konzept bringen lassen. (jr)
Einführung: Guido Altendorf
am 15.01.2014 um 20.00 Uhr
VERBOTEN!
Karla
DDR 1966, R: Herrmann Zschoche, B: Herrmann Zschoche, Ulrich Plenzdorf, K: Günter Ost, D: Jutta Hoffmann, Jürgen Hentsch, Hans Hardt-Hardtloff, Herwart Grosse, Rolf Hoppe, 133’ · 35 mm
Als sich der junge Kinder- und Jugendfilmregisseur Herrmann Zschoche und der Autor Ulrich Plenzdorf von einem Bericht in der FDJ-Zeitschrift Forum zu einer Geschichte um eine idealistische Junglehrerin anregen ließen, die wie eine „Heilige Johanna“ der Schulhöfe für Ehrlichkeit und Wahrheit und gegen Anpassertum und Dogmatismus kämpft, ahnten sie noch nicht, dass ihr Film seine Uraufführung erst 25 Jahre nach den Dreharbeiten erleben sollte. Wie andere kritische Gegenwartsfilme war auch Karla nach dem „Kahlschlagplenum“ des ZK der SED im Dezember 1965 für DEFA und HV-Film zu nah an den Problemen der DDR-Gesellschaft und zu weit entfernt von den geforderten sozialistischen Lehrerpersönlichkeiten und Bildungsidealen. „Unsere sozialistische Gesellschaft braucht Menschen, die eigenständig denken. Nur sie können schöpferisch arbeiten. Karla versucht, solch ein Mensch zu sein.“ (Jutta Hoffmann zu Steffi Hoffmeister, Für Dich, Nr. 46, 2.11.1965). (jr)
am 16.01.2014 um 20.00 Uhr
am 19.01.2014 um 18.00 Uhr
VERBOTEN!
Am Ende der Welt
D 1944, R: Gustav Ucicky, B: Gerhard Menzel, K: Günther Anders, D: Brigitte Horney, Attila Hörbiger, Trude Hesterberg, Gottlieb Sambor [= Bogusław Samborski], 84’ · 35 mm
Michael March, der unbedarfte Verwalter eines Sägewerks in den böhmischen Wäldern, verfällt Roberta Bell, der eleganten Tochter des verstorbenen Sägewerk-Besitzers, die mit Geld aus dem verschuldeten Betrieb ein Kabarett eröffnen will. Nach anfänglicher Weigerung lässt sich March von Bells gerissenem Finanzberater zu einer unrechtmäßigen Kreditaufnahme überreden. Er landet dafür im Gefängnis. Aus Zuneigung und schlechtem Gewissen sorgt Roberta Bell jedoch für seine Rehabilitation und folgt ihm in die Provinz. Obwohl sich die zivilisationskritische Tendenz des Grundkonflikts zwischen schollengebundener Lebensweise und städtischer Verworfenheit durchaus in die NS-Ideologie einpasste, wurde der Film nach längeren Nachaufnahmen und Umarbeitungen im August 1944 verboten. Nach dem Krieg war die offen antisemitische Zeichnung des mit einem polnischen Darsteller besetzten „Finanzjuden“ Grabowski kein Hinderungsgrund für die FSK, Am Ende der Welt im Juli 1950 zur deutschen Premiere freizugeben. (jr)
Einführung: Guido Altendorf
am 18.01.2014 um 19.00 Uhr
am 19.01.2014 um 20.30 Uhr
VERBOTEN!
Die Taube auf dem Dach
DDR 1973, R/B: Iris Gusner, K: Roland Gräf, M: Gerhard Rosenfeld, D: Heidemarie Wenzel, Günter Naumann, Andreas Gripp, Lotte Loebinger, 90’ · 35 mm
Eine melancholische Dreiecksgeschichte zwischen einer jungen Bauingenieurin, einem verdienten Brigadier und einem idealistischen Studenten auf einer Großbaustelle. Das verbotene Spielfilmdebüt einer der wenigen DEFA-Regisseurinnen kreiste um den Widerspruch zwischen den sozialistischen Idealen und den realen Rückzügen in die Nischen des Privaten, es fragte nach der Vereinbarkeit von beruflicher Verwirklichung und privatem Glück. Die Taube auf dem Dach entwarf ein Mosaik dreier ineinander verwobener Lebensentwürfe, das zwischen Ernst und Komik, Tragik und Ironie, Alltagsrealität und Überhöhung changiert. Von den DEFA-Verantwortlichen als ein Frontalangriff auf die Arbeiterklasse verstanden, wurde Die Taube auf dem Dach ein Opfer der kulturpolitischen „Eiszeit“ nach dem 9. Plenum des ZK der SED im Mai 1973. „Welche Zukunftserwartung über diesem Film liegt: das Jahr 2000 – was für ein Horizont! Man sieht es mit leiser Trauer. DDR-feindlich war die ‚Taube‘ natürlich nicht. Nur kleinbürgerfeindlich. Kleinbürger merken so etwas.“ (Kerstin Decker, Der Tagesspiegel, 6.9.2010). (jr)
am 18.01.2014 um 21.00 Uhr
am 24.01.2014 um 19.00 Uhr
VERBOTEN!
Du – Zwischenzeichen der Sexualität
BRD 1968, R: Gerhard Zenkel, B: Prof. Wolfgang Hochheimer, Prof. Hans Giese, Prof. Paul H. Gebhard, K: Bert Meister, Klaus König, Richard Schüler, 94’ · 35 mm
Im Gefolge der 1968 einsetzenden Welle an „Aufklärungsfilmen“ entstand neben der Helga-Reihe und den Oswalt-Kolle-Produktionen dieser ungleich anspruchsvollere Versuch dreier renommierter Sexualforscher, gesellschaftliche Vorurteile gegen „sexuelle Seiten- und Zwischengebiete“ abzubauen. Der professorale Vorstoß gegen biedere Bürgermoral und für eine Reform des Sittenstrafrechts thematisierte die Vielfalt des „Andersartigen“: Männliche und weibliche Homosexualität, Prostitution, Voyeurismus und Fetischismus, Transvestitismus und Selbstbefriedigung. Was Regisseur Zenkel davon ins Bild setzte, erfüllte für die FSK jedoch über weite Strecken den Tatbestand der „Verbreitung unzüchtiger Darstellungen“ und musste entschärft werden: Zu entfernen waren Einstellungen von Schamhaaren und bemalten Brustwarzen, Spezial-Kondomen und „Erektionshilfen“. Masturbationsszenen und die Darstellung eines Paars in Missionarsstellung mussten durch starke Farbfilter verfremdet werden – im Gegensatz zu Bildern von kopulierenden Menschenaffen. (jr)
Einführung: Philipp Stiasny
am 23.01.2014 um 20.00 Uhr
VERBOTEN!
Dorotheas Rache
BRD 1974, R/B: Peter Fleischmann, B: Jean-Claude Carrière, D: Anna Henkel, Alexander von Paczensky, Gerhard Gommel, Henry Beuck, René Durand, 92’ · DigiBeta
Porno oder Persiflage? Eine junge Hamburgerin macht sich auf die Suche nach der Liebe und durchlebt die Abgründe der kommerziellen Erotik auf St. Pauli. Naiv wie eine „Alice im Sexland“ lässt sie sich mit Zuhältern, Freiern, Masochisten und Exhibitionisten ein, bis am Ende doch die Utopie einer sexuell befreiten Landkommune aufscheint. Jugendliche Laiendarsteller und echtes Kiezpersonal sorgen für eine krude Mischung aus unbefangenem Dilettantismus und Reeperbahn-Authentizität. Obwohl die Juristenkommission der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) der drastischen Parodie auf die Welle der erotischen „Aufklärungsfilme“ strafrechtliche Unbedenklichkeit attestiert hatte, beschlagnahmte ihn das Amtsgericht Hamburg wegen „Verbreitung unzüchtiger Darstellungen“. Das Landgericht gab die Kopie wieder frei, weil es den Film als satirischen „Anti-Porno“ wertete. Der Verleih bewarb und programmierte Dorotheas Rache allerdings genauso wie die Sexfilme, gegen die Fleischmann polemisch Stellung beziehen wollte. (jr)
am 24.01.2014 um 21.00 Uhr
am 26.01.2014 um 20.30 Uhr
VERBOTEN!
Das Beil von Wandsbek
DDR 1951, R: Falk Harnack, B: Hans Robert Bortfeldt, Falk Harnack, K: Robert Baberske, D: Erwin Geschonneck, Käthe Braun, Gefion Helmke, Willy A. Kleinau, Blandine Ebinger, 111’ · 35 mm
Hamburg 1934: Schlachtermeister Teetjen lässt sich aus wirtschaftlicher Not von einem SS-Führer als Henker anwerben. Als seine Tat bekannt wird, gehen er und seine Frau an der feindseligen Reaktion ihrer Umwelt zugrunde. Weil die Verfilmung von Arnold Zweigs Exil-Roman Mitleid mit dem Schicksal eines Mitläufers erregte, statt die Verdienste des antifaschistischen Widerstands herauszustellen, wurde Das Beil von Wandsbek wenige Wochen nach der erfolgreichen Premiere auf Druck aus Moskau aus dem Verleih genommen. „Der Film handelt nicht vom Widerstand, sondern vom fehlenden Widerstand; nicht vom Tun, sondern vom Unterlassen, nicht von der Bewährung, sondern von der Schuld. Und eben darin beruht seine starke, aus der Vergangenheit, die er schildert, in die Gegenwart herüberstrahlende Wirkung.“ (Hans-Ulrich Eylau, Berliner Zeitung, 13.5.1951). Bertolt Brecht und Erich Engel erstellten später eine durch Kürzungen um 30 Minuten ideologisch auf Kurs gebrachte Fassung, die 1962 in die Kinos kam. (jr)
am 25.01.2014 um 18.30 Uhr
am 31.01.2014 um 21.00 Uhr
VERBOTEN!
Denk bloß nicht, ich heule
DDR 1965, R: Frank Vogel, B: Manfred Freitag, Joachim Nestler, K: Günter Ost, D: Peter Reusse, Anne-Kathrein Kretzschmar, Hans Hardt-Hardtloff, Jutta Hoffmann, Harry Hindemith, 91’ · 35 mm
Der aufmüpfige Peter Naumann fliegt nach dem Tod seines Vaters wegen eines Aufsatzes mit „staatsfeindlichen“ Äußerungen von der Oberschule in Weimar. Verständnis für seine Auflehnung gegen Heuchelei und Unehrlichkeit findet er auf dem Land bei seiner Freundin Anne, die ihm hilft, sich extern aufs Abitur vorzubereiten. Doch hier gerät er in heftige Auseinandersetzungen mit Annes Vater, einem alten Antifaschisten und LPG-Vorsitzenden, der ihre Beziehung missbilligt. Nach monatelangem Streit um den Film zwischen kulturpolitischen Reformern und Dogmatikern wurde er auf dem 11. Plenum des Zentralkomitees (ZK) der SED zusammen mit Kurt Maetzigs Das Kaninchen bin ich stellvertretend für die DEFA-Produktion abgeurteilt: „Es ist ein Film gegen uns, gegen unsere Partei, gegen unsere Republik und gegen unsere Jugend.“ (FDJ-Sekretär Horst Schumann). Zornige junge Männer galten nun als Anarchisten und Nihilisten, Hinweise auf Generationenkonflikte wurden als Skeptizismus und Verabsolutierung von Widersprüchen gebrandmarkt. (jr)
am 25.01.2014 um 21.00 Uhr
am 26.01.2014 um 18.30 Uhr
VERBOTEN!
Jadup und Boel
DDR 1980, R/B: Rainer Simon, B: Paul Kanut Schäfer, K: Roland Dressel, D: Kurt Böwe, Katrin Knappe, Gudrun Ritter, Käthe Reichel, Michael Gwisdek, Christian Grashof, 103’ · 35 mm
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Jadup, der Bürgermeister einer altmärkischen Kleinstadt, sieht sich durch das Auftauchen eines Antiquitätenhändlers namens Gwissen nach über 30 Jahren mit seinem ungeklärten Anteil am plötzlichen Verschwinden des Flüchtlingsmädchens Boel konfrontiert. Die Auseinandersetzung mit den Versäumnissen der Vergangenheit schärft seinen Blick für die zwischen Parteiritualen und Mangelwirtschaft erstarrte Gegenwart und weckt sein Bedürfnis, die ideologischen Verkrustungen aufzubrechen. Ausgerechnet diese schonungslose Bestandsaufnahme der Diskrepanz zwischen den Idealen der Aufbaugeneration und der deprimierenden DDR-Realität war ein von der Staatssicherheit eingefädeltes Projekt, um den unsicheren Kantonisten Rainer Simon „arbeitsmäßig zu binden“ und seine ideologische Entwicklung zu kontrollieren. Trotz tatkräftiger Mithilfe zahlreicher Inoffizieller Mitarbeiter bei Planung und Produktion wurde Jadup und Boel verboten und durfte erst 1988 in Studiokinos aufgeführt werden. (jr)
am 01.02.2014 um 19.00 Uhr
am 02.02.2014 um 20.30 Uhr
VERBOTEN!
Anders als Du und ich (§ 175)
BRD 1957, R: Veit Harlan, B: Felix Lützkendorf, M: Erwin Halletz, D: Paula Wessely, Paul Dahlke, Christian Wolff, Friedrich Joloff, Ingrid Stenn, Hans Nielsen, 91’ · 35 mm
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Als sich ausgerechnet der umstrittenste deutsche Regisseur der Nachkriegszeit eines besonders anstößigen Themas annahm, läuteten bei der FSK die Alarmglocken. Veit Harlans Melodram um eine Mutter, die ihren Sohn mit der Haustochter verkuppelt, um ihn den Abgründen der gleichgeschlechtlichen Liebe zu entreißen, kam in Wien unter dem Titel Das dritte Geschlecht unbeanstandet zur Uraufführung. Die deutschen Prüfer witterten jedoch „Propaganda für die männliche Homosexualität“ und gaben den Film erst nach gravierenden Kürzungen und Hinzufügung nachgedrehter Szenen unter einem Titel frei, der an Richard Oswalds „sozialhygienischen Aufklärungsfilm“ Anders als die Andern (1919) erinnern sollte. In der Figur des Knaben verführenden Kunsthändlers (gespielt vom schwulen Darsteller Friedrich Joloff) denunziert Harlan das Interesse an „Elektronenmusik“, abstrakter Malerei und moderner Poesie als Symptom für sittliche und moralische „Abartigkeit“. (jr)
Mit freundlicher Unterstützung von moviemax
am 01.02.2014 um 21.00 Uhr
am 02.02.2014 um 18.30 Uhr
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