Unterbrechungen, bis 1918 beibehalten wurde. Der Raumbedarf des Kanzleramtes
wuchs in dem Maße, in dem die Zentralregierung immer weitere Funktionen
übernahm. Bald schon war an eine gemeinsame Unterbringung mit dem
preußischen Staatsministerium nicht mehr zu denken, und bereits
1868 kam es zur räumlichen Trennung. Nun war es keineswegs
das
Kanzleramt, das sich neue Räume suchen mußte, sondern das
Staatsministerium, das die Wilhelmstraße verließ, um erst
nach zwei Provisorien - zunächst in den Räumen des Kultusministeriums
in der Behrenstraße und dann in einem eigenen Gebäude am
Leipziger Platz - gegen Anfang des neuen Jahrhunderts in die Wilhelmstraße
zurückzukehren, wo in Nummer 63 auf der Ostseite ein Neubau errichtet
wurde.
Diese Verdrängung einer preußischen Behörde durch eine
Bundes- bzw. Reichsbehörde läßt sich, ebenso wie die
1870 vollzogene Übernahme des Preußischen Ministeriums der
auswärtigen Angelegenheiten auf den Norddeutschen Bund als dessen
Auswärtiges Amt, durchaus als Sinnbild für die Verdrängung
der Hegemonialmacht Preußen durch das Reich interpretieren. Dem
entspräche nicht nur die Umkehrung des Verhältnisses zwischen
dem Kaisertitel und dem Königstitel und die damit einhergehenden
Versuche zum Ausbau des königlichen Schlosses als Kaiserschloß,
sondern auch die Tatsache, daß Gesetzesvorlagen in den neunziger
Jahren zunehmend und bald ausschließlich aus den Reichsämtern
kamen, deren Leiter, die Staatssekretäre, oft auch zu preußischen Bundesratsbevollmächtigten ernannt wurden, so daß die preußischen Stimmen im Bundesrat in nicht geringem Maße auch von Reichsinteressen her bestimmt waren.