Das soll keineswegs heißen, daß nicht weiterhin Interessengegensätze
zwischen Preußen und dem Reich bestanden hätten. Ja, die
Wilhelmstraße mit ihrer Konzentration von Reichsbehörden
auf der Westseite und preußischen Behörden auf der Ostseite
bot geradezu ein Bild für den Dualismus Preußen-Deutschland,
der zwar durch die enge Zusammenarbeit zwischen den Behörden häufig
nach der einen oder der anderen Richtung überbrückt wurde
und durch die Personalunion auf verschiedenen Ebenen oft ein wenig aus
dem Blick geriet, aber dennoch weiter bestand.
In der Weimarer Republik, in der die Verbindungen durch Personalunion
alle aufgehoben waren, läßt sich eine Entwicklung feststellen,
in der die Wilhelmstraße nicht länger als Verbindung, sondern
vielmehr als Trennungslinie interpretiert werden kann. In dem Maße,
in dem in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre im Reichstag keine
demokratischen Mehrheiten mehr zustande kamen, sodaß ab 1927 sogar
die antidemokratische Deutschnationale Volkspartei in die Reichsregierung
eintrat, endgültig aber mit der Regierung der Präsidialkabinette
ab 1930 mußte es zu Konflikten mit der preußischen Staatsregierung
kommen, die immer noch von den demokratischen Parteien der "Weimarer
Koalition" gebildet wurde. Höhepunkt dieser Konflikte war
der sogenannte "Preußenschlag", die Absetzung der preußischen
Staatsregierung durch das Präsidialkabinett des Reichskanzlers
Franz von Papen am 20. Juli 1932, ein Staatsstreich von oben, in dem
an die Stelle parlamentarisch ernannter Minister konservative Reichskommissare
traten. Arnold Brecht, der im anschließenden Prozeß vor
dem Staatsgerichtshof die preußische Regierung gegen die Reichsregierung
vertrat, und der bereits 1927 sein Amt als Ministerialdirektor im Reichsinnenministerium
abgeben mußte, da der neue deutschnationale Innenminister von
Keudell die leitenden Stellen mit Gesinnungsgenossen besetzen wollte,
zu denen Brecht nicht gehörte, brachte seinen Wechsel ins