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Auszeichnungswesen

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Ehrenzeichen

Das 19. Jahrhundert war durch eine ungeheure wissenschaftlich-technische Entwicklung sowie eine allgemeine Industrialisierung gekennzeichnet. In der Wirtschaft, der Verwaltung und im Militärwesen führten steigende Anforderungen zu erhöhten Leistungen. Die Industriearbeiter waren eine ernst zu nehmende soziale und politische Kraft. Das Bürgertum griff als Besitzer der Betriebe und Fabriken in das wirtschaftliche und politische Geschehen ein. In Deutschland und Italien vollendeten sich nationalstaatliche Einigungsprozesse. England, Frankreich und Rußland bauten riesige Kolonialreiche auf. Der Weltmarkt wurde in Interessen- und Einflußgebiete aufgeteilt. Die Widersprüche unter den Industriemächten führten schließlich in den Ersten Weltkrieg. In dieser Epoche entstand eine ganze Reihe von Auszeichnungen, die für einen Personenkreis gedacht waren, der bisher weder dank seiner sozialen Stellung noch seinem Arbeits- und Aufgabengebiet vom Auszeichnungswesen erfaßt worden war. Sogenannte Ehrenzeichen gab es in Ansätzen bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden verstärkt Medaillen für Soldaten und Unteroffiziere geschaffen (Abb. 1). Unter den Bedingungen des industriellen Zeitalters bekamen sie jedoch eine allgemeine und umfassende Bedeutung. Ehrenzeichen waren vor allem für Angehörige der unteren Klassen und Schichten gedacht.

Verdienst- und Erinnerungszeichen sind tragbare Auszeichnungen, die nicht zur Klassifikation der Orden gehören. Sie wurden und werden für Leistungen und Verdienste in unteren zivilen und militärischen Bereichen verliehen. Dabei kann es sich um allgemeine oder konkret benannte Verdienste handeln. Häufig kommen Stiftungen von Ehrenzeichen für Tapferkeit und Kriegsverdienst vor. Zu den wohl bekanntesten Ehrenzeichen für Tapferkeit zählt das Eiserne Kreuz (Abb. 2 u. 3). Dieses in zwei Klassen und einer Großkreuzstufe am 10. März 1813 durch König Friedrich Wilhelm III. gestiftete Ehrenzeichen markiert eine Wende im Auszeichnungswesen Preußens. Als erste Auszeichnung stand es unabhängig von sozialer Herkunft, konfessioneller Bindung sowie Rang und Stand allen für Kriegsverdienst zu. Die Endfassung der Kreuze stammt von dem berühmten Baumeister Karl Friedrich Schinkel. Die gediegene Gestaltung war an klassizistische Formen angelehnt. In der Schlichtheit und durch das verwendete Material entsprach das Kreuz auch dem Zeitgeist. Die Bevölkerung des wirtschaftlich schwachen Preußen litt unter den Folgen der Beschränkungen des Tilsiter Friedens. Das Eiserne Kreuz war als einmalige Stiftung gedacht, seine Verleihung zeitlich nur auf den Befreiungskampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft festgelegt. Stiftungsinhalt und Verleihungspraxis dieser begehrten Auszeichnung wären ohne das bürgerliche Reformwerk im Staats- und Heerwesen von 1808 bis 1813 nicht denkbar gewesen. Sparsame und korrekte Verleihung für wirkliche Verdienste sicherte der Auszeichnung einen Symbolcharakter. Die Träger genossen, wie bei der französischen Ehrenlegion, höchstes Ansehen. Für die Kriege von 1870/71 und 1914-1918 wurden die Stiftungen erneuert. Mit dem Wissen um den moralischen Stellenwert gerade dieser Auszeichnung knüpften die Nationalsozialisten 1939 bewußt an die preußische Tradition an und machten die Auszeichnung zu einem deutschen Kriegsorden.

Für die Teilnahme an Feldzügen und Schlachten oder für andere spezielle Anlässe aller Art entstanden Erinnerungszeichen. Die Kriegsdenkmünzen erfreuten sich in Deutschland großer Beliebtheit. Die Tradition ihrer Ausgabe reicht bis zu den Befreiungskriegen zurück (Abb. 4 u. 5). Diese Denkmünzen waren Volksauszeichnungen, die dem Charakter der Zeit entsprachen.

Ehrenzeichen wurden außerdem für Leistungen im Staatsdienst (Abb. 6), in einzelnen Berufsgruppen und Wirtschaftszweigen, auf den Gebieten der Humanität (Abb. 7), Kunst und Wissenschaft geschaffen. Medaillen und Kreuze für Verdienste und zur Erinnerung können staatlicher oder nichtstaatlicher Natur sein (Abb. 8 u. 9), es kann sich um regionale oder kommunale Auszeichnungen oder um solche von Parteien, Gesellschaften, Vereinigungen, Organisationen oder Betrieben handeln.

In der Ausführung haben sie meistens Medaillen-, Kreuz- oder Schnallenform. Bildnisse, Inschriften und Jahreszahlen, Materialwahl und Gestaltung geben Aufschluß über den Anlaß und die Art der Auszeichnung. Ehrenzeichen erfassen fast alle wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bereiche. Ihre Zahl war außerordentlich hoch und ist es in vielen Ländern heute noch. In den Königreichen Bayern, Preußen, Sachsen und Württemberg gab es am Ende des 19. Jahrhunderts 137 verschiedene Ehrenzeichen. In diesem Zusammenhang sei auch an die hohe Zahl dieser Auszeichnungen in sozialistischen Ländern, zum Beispiel der DDR und der Sowjetunion, erinnert.

In den Porträt- und Trophäendarstellungen manifestiert sich häufig die hohe handwerkliche Meisterschaft der Medailleurkunst. Meistens werden als Material Bronze, sogenanntes Kanonenmetall, Eisen, aber auch Gold und Silber sowie Auflagen aus den letzteren beiden verwendet.

 


Dienst- und Treueauszeichnungen

In der Denkweise des ausgehenden 18. Jahrhunderts findet der Soldatenstand allmählich als Berufszweig Anerkennung. Im 19. Jahrhundert wird aus dem geworbenen Berufssöldner der stehenden Heere ein Wehrpflichtiger von Nationalarmeen mit zunehmend bürgerlichem Charakter. Man spricht vom Militär- und Ehrendienst. Für einen ordentlich abgeleisteten Dienst wurden nach Jahren gestaffelte Dienstauszeichnungen für alle Chargen der militärischen Hierarchie geschaffen (Abb. 10). Da Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere eine unterschiedliche Dienstzeit leisteten, ergaben sich bei dieser Kategorie von Auszeichnungen, die die Form von Medaillen, Kreuzen oder Schnallen haben können, Unterschiede in der Gestaltung und Materialwahl. Oft enthalten sie als Bild die Initialen des Stifters oder ein fürstliches bzw. staatliches Symbol (Wappen) sowie eine arabische bzw. römische Ziffernangabe der abgeleisteten Dienstjahre. Zivile Bereiche übernahmen ebenfalls die Tradition, treue Dienste durch äußere Zeichen zu belohnen. In fast allen Ländern ist diese Auszeichnungsart auf staatlicher und nichtstaatlicher Ebene gebräuchlich.

 

Leistungs- und Ehrenabzeichen

Leistungs- und Ehrenabzeichen kamen vermehrt am Ende des 19. Jahrhunderts in Umlauf. Tragbare Abzeichen mit eindeutigem Auszeichnungscharakter stellen die unterste Stufe im Auszeichnungswesen dar. Für den Erwerb einer Befähigung, für bestimmte Kenntnisse und Leistungen in einer speziellen Branche oder auf einem konkreten Gebiet entstanden Leistungsabzeichen. Die Schaffung dieser Auszeichnungsart ist durchaus im Zusammenhang mit dem Aufschwung in Wissenschaft, Technik und Industrie zu sehen. Ähnlich verhält es sich mit den Ehren- und Erinnerungsabzeichen, die für die Teilnahme an einer Arbeit, einem Einsatz oder einem feierlichen Ereignis vergeben werden bzw. daran erinnern. In jedem Fall sind diese Auszeichnungen an eine ganz konkrete, benannte und meßbare Leistung gebunden, die bereits der Titel des jeweiligen Abzeichens angibt (Abb. 11). Häufig sind die zu erbringenden Leistungen in Vorschriften als Parameter festgelegt oder müssen durch eine Prüfung bestätigt werden. Auch im militärischen Bereich, so unter anderem während der beiden Weltkriege, lassen sich Leistungs- und Erinnerungsabzeichen zahlreich nachweisen. In zivilen Berufen, im Kunst- und Kulturbereich, in Fachdisziplinen der Wissenschaft oder auf dem Gebiet der Humanität sowie im Sport findet diese Auszeichnungsart gegenwärtig eine breite Verwendung. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang ebenfalls Absolventenabzeichen für den erfolgreichen Abschluß einer Lehreinrichtung.

Die Grenzen zwischen Abzeichen mit Auszeichnungscharakter und bloßen Souvenir- und Erinnerungs- oder Ereignisabzeichen sind fließend und oft nicht klar erkennbar. Die Formen- und Variantenvielfalt ist auf diesem Gebiet sehr ausgeprägt. Neben Medaillen und Kreuzen gibt es Schild- und spangenförmige Abzeichen sowie solche mit asymmetrischer Gestaltung. Aber auch Ärmelbänder und andere textile Aufnäher und Applikationen sind gebräuchlich.

Abb. 1
Silberne Militär-Verdienstmedaille, Bayern, 1799-1806
(Kat.-Nr. 21e)
Abb. 2
Eisernes Kreuz, Preußen
I. Klasse, 1813, 1. Form
(Kat.-Nr. 22a)
Abb. 3
Eisernes Kreuz, Preußen
II. Klasse, 1870, mit Eichenblättern mit Zahl "25" und Spange mit Jahreszahl "1914"
(Kat.-Nr. 22e)
Abb. 4
Auszeichnungen für die Befreiungskriege
Militär-Verdienstmedaille für 1815, Braunschweig, um 1823
(Kat.-Nr. 25b)
Abb.5
Auszeichnungen für die Kriege gegen Napoleon,
Militär-Ehrenmedaille für die Einnahme von Paris, den 19. 3. 1814, Rußland, 1814
(Kat.-Nr. 28a)
Abb. 6 Verdienstauszeichnungen
Kriegskreuz für Zivildienste, I. Klasse, Österreich, 1915-1918
(Kat.-Nr. 29e)
Abb. 7
Auszeichnungen für humanitäre Verdienste,
Marianer-Kreuz des Deutschen Ritterordens, Österreich, 1871-1918
(Kat.-Nr. 36b)
Abb. 8
Feuerwehr-Erinnerungszeichen des Freistaates Preußen, 1926-1934
(Kat.-Nr. 38)
Abb.9
Königlich Preußischer Johanniter-Orden, Kreuz der Ehrenritter, Preußen, um 1900
(Kat.-Nr. 34)
Abb.10
Dienstzeichen II. Klasse für Hofbedienstete mit Band des Guelphen-Ordens für hannoversche Bedienstete, Braunschweig, 1903-1918
(Kat.-Nr. 45c)
Abb. 11
Leistungs- und Erinnerungsabzeichen,
U-Boot-Kriegsabzeichen, Deutschland, 1918
(Kat.-Nr. 46a)