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Geistliche und weltliche Ritterorden
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Mit der wachsenden Bedeutung des christlichen Glaubens im
Rahmen des politischen und wirtschaftlichen Lebens der frühmittelalterlichen
Länder und Gebiete bildeten sich im 5. Jahrhundert innerhalb
der christlichen Kirche verstärkt religiöse Gemeinschaften
heraus. Neben Mönchs- und Nonnenorden entstanden im 11.
Jahrhundert geistliche Ritterorden. Als Instrumente der Kirche
vereinigten sie mönchische und ritterliche Geisteshaltung.
Durch Eintritt und Aufnahme unterwarfen sich die Mitglieder
innerhalb der Gemeinschaft, auch Kongregation genannt, genau
festgelegten Regeln. Von dem lateinischen Wort für Stand
- "ordo" wird die Bezeichnung "Orden"
abgeleitet. Der Inhalt der Regeln ergab sich aus der Zielstellung
der Gemeinschaft.
Als Folge der Kreuzzugspolitik der Päpste war es ein
politisches und religiöses Erfordernis für die Kirche,
Machtpositionen im Morgenland zu sichern und auszubauen. Zum
Bewältigen dieser Aufgaben wurden geistliche Ritterorden
gebildet. Neben rein religiösen Handlungen, wie Hospitalität,
Religionsübungen und Missionierung des Christentums,
die auch jeder Mönchsorden zu erfüllen hatte, oblagen
diesen Ritterorden der aktive Schutz und die Verteidigung
christlicher Machtpositionen. Dazu zählten der Schutz
des Heiligen Grabes, der Schutz von Wallfahrern sowie der
Kampf gegen "Ungläubige". Tugenden und Inhalte
des Rittertums als bewaffneten Trägers der weltlichen
Macht verbanden sich in den Orden mit den geistlichen Normen
der Kirche. Derartige Gemeinschaften waren bestens geeignet,
die umfangreichen Aufgaben zu erfüllen. Eine historische
Verbindung, die sich über Jahrhunderte im Ordenswesen
nachweisen läßt und die charakteristisch ist, entstand
bei diesen geistlichen Ritterorden aus einer prozessualen
Verschmelzung von zwei Komponenten:
1. Nach der Struktur und der Aufgabenstellung basierten die
Gemeinschaften zum Funktionieren auf einer Verteilung der
Arbeiten und Aufgaben unter den Mitgliedern. Eine Differenzierung
der Stellung und des Ranges der Mitglieder untereinander war
die Folge. Großmeister, Ritter, Priester und Brüder
sowie Donaten galten als klassische Einteilung, auf die spätere
Ordensbildungen zurückgriffen.
2. Eine immer umfassender werdende Aufgabenstellung führte
in Verbindung mit der geographischen Ausdehnung und Verbreitung
der Orden zu politischer und materieller Machtfülle,
die von leitenden Ordensmitgliedern bewußt genutzt worden
ist. Die geistlichen Ritterorden spielten eine erstrangige
gesellschaftspolitische Rolle. Die Aufnahme in einen Orden
war mit Ansehen und Erfolg verbunden. Nach strengen Auswahlkriterien
stellten Aufnahme und Mitgliedschaft die Auszeichnung dar.
Die Orden waren unabhängig und durch Tochterniederlassungen
auch überregional. Sie spiegeln nicht nur Territorialgeschichte
wider, sondern sind auch Zeugen entscheidender Epochen der
europäischen Geschichte. Weltliche Herrscher und geistliche
Fürsten bemühten sich um Gunst und Unterstützung
der Orden.
Das Scheitern der Kreuzzugspolitik zog den Niedergang der
geistlichen Ritterorden nach sich. In zunehmendem Maße
unterlagen die Orden politischen Zielen und Machtkämpfen
weltlicher Herrscher. So "okkupieren weltliche Herrscher
ganze Ordensgemeinschaften für ihre Ziele. Äußerer
Glanz und weltlicher Pomp zersetzen das innere Gefüge
von Religiosität, Nächstenliebe und Askese. Die
Gemeinschaften aristokratisieren sich und werden in diesem
Stadium zu einer Art Vorläufer der weltlichen Orden."
(Vgl. J. Nimmergut, Orden Europas, 12)
Zu
den bedeutendsten geistlichen Ritterorden zählen:
-Orden
des Heiligen Grabes, vermutlich 1099 gestiftet
-Johanniter-Orden, entstanden 1118
-Orden der Tempelherren, gestiftet 1118
-Marianer-Orden, gestiftet 1170
In Nachahmung der geistlichen stifteten seit dem 13. und
14. Jahrhundert Fürsten weltliche Ritterorden.
Auch bei diesen Gemeinschaften gab es Aufnahmebedingungen
und festgelegte Regeln, die in Ordensstatuten festgeschrieben
waren. Die politische Bedeutung und moralische Kraft, die
die geistlichen Ritterorden verkörperten, wurden von
den weltlichen Fürsten klar erkannt und in der Stiftung
eigener Orden bewußt umgesetzt. Einerseits dienten diese
weltlichen Gemeinschaften dem inneren Zusammenhalt der Familie
des jeweils regierenden Hauses. Die mit Heirat oder Gebietsaufteilung
verbundene Lockerung von Familienbindungen sollte dadurch
aufgefangen werden und machte die Gemeinschaften auch machtpolitisch
notwendig. Andererseits sollten Vertreter des Hochadels und
der Ritterschaft an den Landesherrn gebunden werden. Indem
Verdienste im Staat und am Hof sowie im Heerwesen als Anlaß
für eine Aufnahme herausgestellt wurden, bedeutete die
Zugehörigkeit zu einer Ordensgemeinschaft an sich die
eigentliche Auszeichnung. Ausdruck findet der Auszeichnungscharakter
in der Exklusivität, dem Stellenwert und der einheitlich
festgelegten Zielstellung der Gemeinschaft und ihrer Mitglieder.
Aufnahme und Mitgliedschaft bedeuteten Ansporn und Verpflichtung
gegenüber dem Souverän. Die Komponenten Belohnung,
Ansporn, Verpflichtung waren auch Inhalte weltlicher Ritterorden.
Derartige Gemeinschaften waren ausschließlich dem Adel
bzw. allein dem Hochadel vorbehalten und blieben auf wenige
Mitglieder beschränkt. Korporationen dieser Art hatten
einen elitären Charakter. Als Chef stand der Landesherr
oder Souverän, häufig Großmeister genannt,
der Ordensgemeinschaft vor. Die Mitgliederzahl war festgelegt.
Die gleichgestellten Mitglieder verband eine gemeinsame Gesinnung,
die durch dynastische Interessen und politische Ziele bestimmt
wurde.
Neben der Aufnahmezeremonie stellten Ordenstracht und Insignien
die äußeren Zeichen für alle Mitglieder dar.
Besondere Bedeutung erlangte das Ordenszeichen, oft in Form
eines Kreuzes oder Sterns. Ein ständig zu tragendes Symbol
war das äußere Zeichen der Zugehörigkeit zu
der Gemeinschaft.
Zu den bedeutendsten weltlichen Ordensgemeinschaften zählen:
-Orden des blauen Hosenbandes (Hosenband-Orden), gestiftet
1348 durch König Eduard III., König von England
(Abb. 1, 2)
-Annunziaten-Orden, gestiftet 1362 durch Amadeus VI., Graf
von Savoyen
-Bath-Orden, gestiftet durch Heinrich IV., König von
England
-Orden vom Goldenen Vließ, gestiftet 1429 durch Philipp
III. (genannt der Gute), Herzog von Burgund (Abb. 3,
4, 5)
-Orden des Elefanten (Elefantenorden), gestiftet 1462 durch
Christian I., König von Dänemark (Abb. 6)
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Abb.
1
Ordenstracht des Hosenband-Ordens, Großbritannien, um
1820
Kolorierter Kupferstich aus "Historische Sammlung aller
noch bestehenden Ritterorden der verschiedenen Nationen"
von A. M. Perrot, Leipzig 1821, Tab. Vl. |
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Abb.
2
Hosenband-Orden, brillantierter Bruststern, Großbritannien
und Irland, um 1900 (Kat.-Nr. 3) |
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Abb.
3
Porträt Philipps III. (des Guten), Herzog von Burgund,
mit Gemahlin. Das Bild zeigt ihn mit umgehangener Kollane und
dem daran befindlichen Kleinod des von ihm aus Anlaß der
Vermählung mit Prinzessin Isabella von Portugal gestifteten
Ordens vom Goldenen Vlies.
Öl auf Holz, 19. Jh. |
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Abb.
4
Ordenstracht des Ordens vom Goldenen Vlies, Österreich,
um 1820
Kolorierter Kupferstich aus "Historische Sammlung aller
noch bestehenden Ritterorden der verschiedenen Nationen"
von A. M. Perrot, Leipzig 1821, Tab. X. |
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Abb.5
Ritterorden vom Goldenen Vlies, Ordenszeichen, Rückseite,
Österreich, Ende 18. Jh. Abbildung aus dem Zeughaus. Dieses
aus dem Besitz Kaiser Napoleons I. stammende Stück befindet
sich seit 1945 in der Sowjetunion/Rußland. Inv.-Nr. A.B.11630 |
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Abb.6
Elefantenorden, Bruststern, Dänemark, um 1670
Der aus Silberblech geprägte Stern ist auf die Brust eines
kursächsischen Feldkürasses geschraubt. (Kat.-Nr.
4) |
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