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Solidarität
Die obigen Beispiele zeigen bereits, daß sich die Anklagen gegen
den Imperialismus nicht nur auf den westdeutschen Klassenfeind beschränkten.
Die Kriegsherde auf der ganzen Welt waren Anlaß, sowohl den Aggressor direkt
zu verunglimpfen als auch zur Solidarität mit den betroffenen Ländern aufzurufen.
"Schluß
mit dem amerikanischen Krieg in Korea!" forderte Alfred Beier-Red schon
1950 angesichts der kriegerischen Entwicklung in Indochina. Die Geste der
bombenbewehrten Hand, die, über dem Erdenrund schwebend - auf dem nur die
indochinesische Halbinsel kenntlich gemacht ist -, von Politikerhänden und
Arbeiterfäusten gestoppt wird, ist eine antike Metapher des territorialen
Zugriffs, deren Bildhaftigkeit bis heute ihre Wirkung hat, die aber vor
allem in der Bildrhetorik des Ersten Weltkrieges eingesetzt worden war.11
Beier-Red war Mitbegründer der Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler
Deutschlands und während des Zweiten Weltkrieges Pressezeichner für die
"Prawda" und in der DDR dann langjähriger Leiter der Sektion Karikatur im
Verband Bildender Künstler der DDR - so kann die Aufnahme des "traditionellen"
Motivs biographisch bedingt sein.
Die ikonographische Variante des Zugriffs durch die Hand ist die
militärische Okkupation durch die Besitznahme mit dem Fuß.
Der vom Solidaritätskomitee der DDR 1985 herausgegebene Spendenaufruf
"Helft
Nikaragua!" visualisiert den amerikanischen Aggressor nur durch
den Militärstiefel, der einen wachsenden und gedeihenden Baum zertritt.12
Szenisch wird die Zartheit der Pflanze durch die friedvolle und unschuldige
Anwesenheit der beiden Tauben unterstützt. Die Äste des Baumes
sind mit Aufschriften versehen, die eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen
und der medizinischen Versorgung sowie Alphabetisierungskampagnen verheißen.
Eine Banderole mit den Farben der deutschen und nikaraguanischen Flaggen
verdeutlicht den Ursprung der Solidaritätsleistungen, die wahrscheinlich
mit Hilfe des angeführten Spendenkontos Nr. 444 ermöglicht wurden.
Die allgemeine Einbeziehung Lateinamerikas in die Solidaritätsleistungen
und der Militärputsch in Chile ließen 1973 innerhalb des Solidaritätskomitees
ein Chile-Zentrum entstehen. Die Plakatausstellung unter dem internationalen
Slogan "Chile im Herzen" gab dann 1980 einen Überblick über die Internationale
Solidarität im Spiegel des Plakates am Beispiel des Landes, das seit September
1973 der Pinochet-Diktatur unterworfen war. Im Vorwort zum Ausstellungskatalog
werden die im Plakat angesprochenen Anstrengungen des Solidaritätskomitees
in einen historischen Kontext gestellt. Von den Aktionen der Internationalen
Hungerhilfe für Sowjetrußland in den zwanziger Jahren, für die unter anderen
Max Pechstein mit einem Plakat geworben hatte, über die Propaganda für Partisanen
des Spanischen Bürgerkrieges bis zu den "Freiheit für …" fordernden Aufrufen
hätten alle Plakate Phantasie und Prinzipienfestigkeit und mitreißende Gefühlsappelle
mit allgemeiner Anschaulichkeit verbunden.13
Das Vokabular der antiimperialistischen Plakate der DDR orientierte
sich zu einem großen Teil an einer internationalen Bildsprache der revolutionären
Kunst.
Gerhard Trost, der bis 1967 als Graphiker bei der DEWAG arbeitete
und danach freischaffend war, hatte 1977 ebenfalls für das Solidaritätskomitee
der DDR ein Plakat entworfen, das sich in die graphische Tradition der weltweiten
Protestplakate einordnete. In direkter Nahkampfsituation überwältigt ein
fast gesichtsloser Militärpolizist einen unbewaffneten Lateinamerikaner,
dessen Mimik zum Schrei gefroren ist. Die gefühllose Anonymität des Militärs
wird der expressiven Natürlichkeit des Opfers gegenübergestellt. Die Initialen
auf dem Helm des Soldaten sind in das Graffito "Imperialism"
integriert und bewirken somit die Verschränkung von Bild- und Textebene.
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11 |
Vgl Hagenow: Politik und Bild …, 1994,
S. 60. |
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12 |
Die von den USA organisierte konterrevolutionäre
Söldnerarmee aus Mitgliedern der Nationalgarde Somozas kämpfte
(im Contra-Krieg) gegen die seit 1979 bestehende Sandinistische Befreiungsfront
Nikaraguas. |
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13
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Vgl. Helmut Rademacher, Vorwort im
Ausst.-Kat.: Chile im Herzen …, 1980, S. 4 f. |
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