zur Startseite des DHM
Schluß damit!
Der Begriff im Bild
Institutioneller Hintergrund
Die "Aggregatzustände" des Kalten Krieges im Plakat
Offizielle Friedensagitation und oppositionelle Friedensbewegung
Spezifik des Antikriegsplakates
 
 
Theater-
plakate
Film-
plakate
Friedens-
plakate
Sitemap Impressum Gästebuch DHM

Nukleare Hochrüstung

Ein paar Jahre später gab Klaus Wittkugel als den zentralen Antrieb zur kreativen Tätigkeit für den sozialistischen Künstler sowohl für sich als auch für seine Kollegen die Beschäftigung mit dem Frieden an, jedoch dominierte zu dieser Zeit eher wieder die Angst vor einem nuklearen Krieg. In einem Interview von 1982 betonte er: "… Die Frage Krieg oder Frieden ist die dominierende Motivation meines bisherigen Schaffens. Und das waren nicht allein grafische Blätter, sondern auch Bilder und ganz besonders Fotografien. … Ein jeder unserer Künstler kommt (zur Kunstausstellung der DDR, d. V.) mit der Überzeugung und Entschlossenheit, niemals zuzulassen, daß das Bild des Menschen von heute ergänzt wird mit den Requisiten des Atomkrieges."18
Diese Motivation spielte für viele Plakatkünstler sicher eine besonders wichtige Rolle in der heißesten Phase des Kalten Krieges. Die nukleare Hochrüstung seit 1979 prägte dementsprechend die Plakatproduktion des VfAA in den achtziger Jahren. Die neue Verteidigungsstrategie sowohl der USA als auch der UdSSR baute weniger auf die generelle Abschreckungswirkung der Interkontinentalwaffen als vielmehr auf die Möglichkeit eines taktisch begrenzten Schlagabtausches an der Nahtstelle der beiden Blöcke mitten in Europa. Die bereits angeführte Taube Bofingers, unterschrieben mit "Raus mit den US-Raketen aus West-Europa!", ist beredtes Beispiel für den Protest der Deutschen in Ost und West gegen den NATO-Doppelbeschluß.
Aber offizielle Plakatpropaganda der DDR und Bildsprache der westdeutschen Friedensbewegung trafen sich auch da, wo es gegen Waffen im allgemeinen ging und wo der wieder aufflammenden Angst eines nuklearen "Overkill" Ausdruck verliehen wurde. So zeigt das Plakat von Wolfgang Kenkel von 1982 als bildbeherrschende Ikone einzig und allein den bereits in den fünfziger Jahren dargestellten Atompilz. Der Ort des ersten Atomwaffeneinsatzes - Hiroshima - wird umgewandelt in "Euroshima" und durch das Fragezeichen in den Potentialis gesetzt. An das historische Geschehen unfaßbaren Grauens wird durch die verbalisierte Anspielung auf den Ort dieses Geschehens symbolisch erinnert, und der damit verbundene Mobilisierungseffekt soll einen Widerstand wecken, der vor Wiederholungen warnt. Wer Schuld an der Vernichtung der Welt durch einen Dritten Weltkrieg haben würde, benennt Günter Hiller 1986 in seinem von der Typographie ausgehenden Plakat durch den Einsatz der im amerikanischen Englisch gebräuchlichen Abkürzungen. Das "o" der beiden Kurzwörter für "Okay", das soviel wie "abgemacht, geht in Ordnung", und "knockout", das "kampfunfähig nach einem Niederschlag" bedeutet, ist Ausgangspunkt der Darstellung der Erde - in ihrer unversehrten blauen Schönheit und als grau-schwarze Nuklearverpuffung.
Angesichts der drohenden Apokalypse ist der so einfache wie existentielle Wunsch nach Überleben verständlich. Klaus Lemke formt daraus das Nachdenken "über Leben" in Gestalt einer Metamorphose der Bombe in ein Blattsymbol.
Gemäß der politischen Vorgabe ist die Darstellung der Abrüstungsforderung immer einseitig, es ist die Forderung nach Vernichtung der US-amerikanischen Cruise-Missile-Raketen, niemals sind sowjetische Nuklearwaffen dargestellt.
In sprachlicher sowie bildlicher Erweiterung der sogenannten Null-Lösung (beiderseitiger vollständiger Verzicht auf sowjetische und amerikanische Mittelstreckenraketen) zu einer "Null-Null-Lösung" fordert Hans-Eberhard Ernst 1983 den Betrachter zur Betätigung der Spülung einer Toilette auf. Damit verschwänden die US-Raketen in der Kanalisation, die Waffen werden hier in die Nähe von Abfallprodukten oder Fäkalien gebracht. 1984 entwirft Rainer Schwalme das Plakat "Ein Sprengkopf denkt nichts". Sowohl formal als auch inhaltlich rekurriert die Superman-Adaption auf die Naivität westlicher Comic-Helden. Der "Sprengkopf" der Bombe ist der Ausgangspunkt für die Anamorphose des Nuklearkörpers. Den Umhang in den Farben der US-amerikanischen Flagge weit gebläht, auf der Brust das Dollarzeichen, zischt die Figur mit erhobenem Arm und zupackender Hand aus dem Bildraum auf den Betrachter zu und steht damit in bester Tradition des appellativen Plakattypus.

  18 SAdK, Nachlaß Wittkugel, o. Nr.

oben    
 
Plakat Euroshima
Plakat ok - ko
Plakat ÜberLeben
Plakat Die 00-Lösung
Plakat Ein Sprengkopf denkt nichts