Die Bundesrepublik
im Kalten Krieg
(von Wolfgang Benz) |
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Vorbehalte
gegenüber den
Siegermächten |
Ohne die politischen Absichten und Ziele der Sieger des Zweiten
Weltkriegs schon zu kennen - denn darüber wurde zunächst mit den Besiegten nicht
diskutiert, und informiert wurden sie nur über das unbedingt Nötige - beurteilten die
Deutschen nach dem Zusammenbruch des Hitlerstaats die Alliierten ganz verschieden.
Gegenüber der Sowjetunion hatte man andere und viel schwerwiegendere Vorbehalte als
gegenüber Briten, Franzosen und Amerikanern.
Das Verhältnis zu den Sowjets war durch traditionelle
bürgerliche Werturteile und mehr noch durch die Wirkungen der nationalsozialistischen
Propaganda vergiftet. Goebbels hatte den Deutschen kulturellen Hochmut gepredigt, sie zu
Herrenmenschentum und zum Rassenkrieg gegen Russen, Ukrainer und andere als minderwertig
diffamierte slawische Völker angehalten und Haß gegen die kommunistische Ideologie
geschürt.
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Der Schrecken, den
die nach Deutschland vorrückende Rote Armee verbreitete,
schien der NS-Propaganda noch recht zu geben, als
ihr Apparat schon zerschlagen war. Mit der Niederlage
1945 war die Lebenslüge vieler Deutscher nicht entkräftet,
Hitler habe zu Recht einen Kreuzzug gegen den in
der Sowjetunion staatlich manifestierten Bolschewismus
geführt, um einer vermuteten kriegerischen Aggression
der Kommunisten zuvorzukommen.
Diese Version der Rechtfertigung des deutschen Überfalls
auf die UdSSR wurde (und wird) von den daran Interessierten
genauso aufrechterhalten wie die Schuldzuweisung
an die Westalliierten, die im Moment ihres Sieges
über Hitler den Fehler begangen hätten, sich nicht
mit den Deutschen zu verbünden, um gemeinsam mit
diesen den Kampf gegen die Bolschewisten fortzuführen.
Das war so grotesk wie naiv, aber als Rechtfertigung
für den trotzigen Hochmut unentwegter Hitlergläubiger
und unbelehrter Deutschnationaler nach dem Zusammenbruch
des NS-Staates brauchbar und beliebt. Sicherlich
war die Vorstellung, an einem notwendigen Krieg
mitgewirkt zu haben, auch wichtig für viele Soldaten
der deutschen Wehrmacht, die einer Rechtfertigung
für ihre jahrelange Loyalität bedurften, weil sie
sich nicht einfach als Mitwirkende an einem Raub-
und Vernichtungskrieg mit unendlichen Leiden nur
schuldig fühlen wollten.
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Für alle möglichen Vorbehalte gegenüber
der Sowjetunion und ihren Repräsentanten im besetzten
Deutschland gab es jedenfalls reichlich Gründe.
In den Westzonen durfte man sie, erst insgeheim,
im fortschreitenden Kalten Krieg dann auch allgemein
artikulieren. Das unterschied die Einwohner der
Ostzone gründlich und je länger desto mehr von denen
der Westzonen.
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Aber im Westen wie im Osten zeigte
man sich anpassungsfähig an die jeweilige Realität
und damit auch bereit zur Abgrenzung, wenn das nötig
schien. Belege dafür, daß der sowjetisch besetzte
Teil Deutschlands abgeschrieben wurde, finden sich
bereits ganz früh. Mitte Mai 1945 vertraute Paul
Moldenhauer, ehemals bürgerlich-liberaler Abgeordneter
und Reichsminister der Weimarer Republik, seinem
Tagebuch die Vermutung an, Deutschland werde unter
alliierter Aufsicht wohl eine Regierung bekommen,
die aus Emigranten bestehen würde, aber es stelle
sich die Frage: "Wird sich Rußland für den
von ihm besetzten Teil diesem Regime anschließen
oder werden wir ein Regime westlich und eins östlich
der Elbe haben?" (Paul Moldenhauer, Politische
Erinnerungen, Manuskript, Bundesarchiv Koblenz NL
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Konrad
Adenauer bedachte im Herbst 1945 die Möglichkeit künftiger Existenz in Deutschland und
ging dabei von folgender Prämisse aus: "Das von Rußland besetzte Gebiet scheint
für eine nicht zu schätzende Zeit aus den Betrachtungen ausscheiden zu müssen. Die von
Rußland entgegen den Potsdamer Beschlüssen vorgenommene Einsetzung einer
Schattenregierung für eine Zone beweist klar, daß Rußland entschlossen ist, seine
eigenen Wege zu gehen."( Kriegsende und Neuanfang am Rhein. Konrad Adenauer in den
Berichten des Schweizer Generalkonsuls Franz-Rudolph von Weiss, 1944-1945, hg. von Hanns
Jürgen Küsters und Hans Peter Mensing, München 1986, S. 206) |
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