Die Bundesrepublik
im Kalten Krieg
(von Wolfgang Benz) |
|
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
Münchner
Minister-
präsidentenkonferenz |
Wenige Wochen vorher hatte die legendäre Münchner
Ministerpräsidenten-Konferenz stattgefunden; sie hatte gezeigt, wie weit Ost- und
Westdeutschland schon voneinander entfernt waren und wie sehr sich die deutschen Politiker
in die Verhältnisse des Kalten Kriegs bereits eingelebt hatten. Die Tagesordnung des
Treffens war das Politikum, um das gestritten wurde, seit der bayerische
Ministerpräsident Hans Ehard am 7. Mai 1947 die Länderchefs aus allen vier
Besatzungszonen nach München eingeladen hatte.
"Gegenstand
der Konferenz", hieß es in Ehards Einladungstelegramm,
solle "die Beratung von Maßnahmen sein, die von den
verantwortlichen Ministerpräsidenten den alliierten
Militärregierungen in Vorlage gebracht werden sollen,
um ein weiteres Abgleiten des deutschen Volkes in
ein rettungsloses wirtschaftliches und politisches
Chaos zu verhindern".
(Einladung zur Münchner Konferenz, 7. 5. 1947, in: Akten
zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Bundesarchiv und Institut für
Zeitgeschichte, Band 2, München 1979, S. 424 f).
Gemeint hatte man damit in der bayerischen Staatskanzlei
nicht die Wiederherstellung des deutschen Nationalstaats, die Münchner
Ministerpräsidentenkonferenz war vielmehr als erste Veranstaltung eines Gremiums gedacht,
das die künftige bundesstaatliche Organisation Deutschlands beraten und garantieren
sollte.
|
Die Amerikaner und
Briten hatten keine Einwände gegen den Plan der
Münchner Konferenz erhoben, der französische Militärgouverneur
hatte die Erlaubnis zur Teilnahme der Regierungschefs
der Länder seiner Zone jedoch davon abhängig gemacht,
daß keine politischen Themen erörtert würden, daß
sich die Debatte vielmehr auf wirtschaftliche Angelegenheiten
beschränken würde. Die Ministerpräsidenten der britischen
Zone hatten von sich aus in einer Vorbesprechung
Ende Mai beschlossen, keine rein politischen Themen
auf der Konferenz zu erörtern, sicherlich nicht
nur deshalb, weil die Probleme der Ernährung, der
Unterbringung der Flüchtlinge, des Wiederaufbaus
ihnen auf den Nägeln brannten, sondern auch der
Konsens- und Kompromißfähigkeit halber, um die soeben
verkündete Reform der Bizonenorganisation nicht
zu gefährden.
Amerikaner
und Briten hatten nämlich durch die Bildung gemeinsamer politischer Institutionen für
die beiden Zonen mit dem Wirtschaftsrat in Frankfurt als Parlament die Weichen bereits in
Richtung einer neuen Staatlichkeit gestellt, und auf diese Entwicklung setzte man
Hoffnungen. Zu den Hoffnungen gehörte nicht zuletzt der Anschluß der französischen
Besatzungszone an das bizonale "Vereinigte Wirtschaftsgebiet". Es galt also, die
Franzosen nicht zu verprellen, damit sie den deutschen Politikern in ihrer Zone ein
bißchen Spielraum ließen, und das hieß: keine politische Debatte in München.
|
Diese
Beschränkung und Bescheidung im Konferenzprogramm
bedeutete fast zwangsläufig die Ausgrenzung der
Vertreter der Ostzone schon im Vorfeld der Veranstaltung.
Diese wiederum hatten mit der Antwort auf die Einladung
nach München lange auf sich warten lassen, aber
schon bei den Sondierungen, die Mitte Mai stattfanden,
zu erkennen gegeben, daß man ganz andere Vorstellungen
über die geplante Konferenz hatte.
Den föderalistischen Bestrebungen standen SED und Sowjetische
Militäradministration mißtrauisch gegenüber, umgekehrt stieß ihr Vorschlag, den
Teilnehmerkreis durch Vertreter von Parteien und Gewerkschaften zu erweitern, um dem
Treffen in München "die breiteste demokratische Grundlage" zu geben, im Westen
auf Unverständnis und nicht weniger die Forderung, "in den Mittelpunkt der
Tagesordnung die Schaffung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands zu
stellen" und überdies "in Anbetracht des gesamtdeutschen Interesses" den
Tagungsort nach Berlin zu verlegen. So hatten es die Ministerpräsidenten der Ostzone am
28. Mai 1947 ihren Kollegen Ehard wissen lassen.
(Ministerpräsidenten der sowjetischen Zone an den
bayerischen Ministerpräsidenten Ehard, 28. .5. 1947, ebenda S. 455 f.)
|
Man sah der Begegnung
mit den fünf Länderchefs der Ostzone am Abend des
5. Juni 1947 also wenig optimistisch entgegen. Carlo
Schmids Erinnerung daran ist repräsentativ für die
Position der Westdeutschen:
"Ich hatte keine Illusionen: die
Unterhändler der Sowjetzone würden die Annahme ihrer volksdemokratischen Rezepte zur
Bedingung einer jeden ´gesamtdeutschen Einigung´ machen. Und diese Rezepte schienen mir
nach den Erfahrungen, die man in der Ostzone gemacht hatte, nicht annehmbar zu sein. Ich
war von vornherein entschlossen, mich dagegenzustellen, nicht, weil ich mich durch ein
Veto der französischen Militärregierung gebunden gefühlt hätte, sondern weil ich
Verhandlungen allein unter den Ministerpräsidenten der Länder über das Thema
´Herstellung der deutschen Einheit´ zu diesem Zeitpunkt und in Anbetracht der Absichten
der Sowjetmacht für Augenauswischerei hielt."
(Carlo Schmid - Erinnerungen, Bern, München, Wien
1979, S. 286).
|
Bei solchen Vorgaben war keine
Verständigung zu erwarten, die Vertreter der Westzonen beharrten auf ihrer Marschroute,
die Kollegen aus der Ostzone verlangten unbeirrt, wohl wissend, daß dies abgelehnt werde,
folgenden Hauptpunkt auf die Tagesordnung zu setzen: "Bildung
einer deutschen Zentralverwaltung durch Verständigung der demokratischen Parteien und
Gewerkschaften zur Schaffung eines deutschen Einheitsstaates." Sie stellten
schließlich fest, wenn die westlichen Teilnehmer der Meinung seien, daß die Konferenz
ohne den geforderten Punkt ein ersprießliches Ergebnis zum Wohle des deutschen Volkes
haben könne, dann sähen sie sich zu ihrem Bedauern an der weiteren Teilnahme gehindert.
Nach einem letzten schwachen Versuch Ehards, sie umzustimmen, verließen die fünf
Ministerpräsidenten aus der Ostzone den Saal. Dem Gastgeber entfuhr der Ausruf, dies
bedeute die "Spaltung Deutschlands", und eine Legende des Kalten Krieges war
geboren."
(Vorbesprechung der Ministerpräsidenten über die
Tagesordnung der Münchner Ministerpräsidentenkonferenz, 5./6. 6. 1947, in: Akten zur
Vorgeschichte, vgl. oben, S. 485ff).
|
5/7
|
|
|