AusstellungHintergrundZeittafelNavigationn_vordhm.gif (100 Byte)zurück zum Deutschen Historischen Museum
Kalter KriegDDRBRDÄtherkriegBroschürenFilm
 
Die Bundesrepublik
im Kalten Krieg
(von Wolfgang Benz)

1

2 3 4 5 6 7
Reise in den Osten
Lebensmittelgrundkarte der DDR, 1953            

Betrachten wir noch eine andere Momentaufnahme aus der gleichen Zeit, einen "Staatsbesuch", der im Mai 1946 in umgekehrter Richtung, von der britischen Zone aus nach Thüringen unternommen wurde. Um ein Tauschgeschäft zustande zu bringen - 5000 Pferde aus der britischen Zone gegen Saatgut aus der Ostzone - reiste Hans Schlange-Schöningen, der Leiter des Zentralamts für Ernährung und Landwirtschaft der britischen Besatzungszone, auf Einladung der Thüringischen Landesregierung nach Weimar. Schlange-Schöningen war ein prominenter Vertreter der CDU der frühen Stunden. Vor Hitler war er im Kabinett Brüning Minister und Reichskommissar für die Osthilfe gewesen, bis 1930 hatte er der Deutschnationalen Volkspartei angehört; er war freilich in jeder Beziehung ein unorthodoxer Politiker. So hatte er sich im Frühjahr 1946 vorbehaltlos zur gelenkten Planwirtschaft auf dem Agrarsektor bekannt, denn zur Bewältigung der Ernährungsprobleme hielt er das freie Spiel kapitalistischer Kräfte für vollkommen untauglich, politisch für sinnlos und überholt.

                                 

SPD-Schrift, 1950Schlange-Schöningen, der auch eine Bodenreform im Westen befürwortete, erschien den Vertretern der sowjetischen Besatzungsmacht als geeigneter Vertreter des deutschen Bürgertums, mit dem direkt über eine Wiederherstellung der nationalen Einheit sich zu reden lohnen könnte. Die Herkunft des ehemaligen Rittergutsbesitzers aus Pommern, der die Rapallo-Politik der Weimarer Republik mit getragen hatte, war ebenso ein Indiz wie das damalige Amt Schlange-Schöningens, denn in der Ernährungspolitik zeigten sich die Auswirkungen der Aufteilung Deutschlands in Zonen am spürbarsten. Der Hintergrund des Staatsbesuchs in Weimar war tatsächlich auch eher politischer als wirtschaftlicher Natur.

                   

Plakat aus der Zeit des Währungsstreites, 1948Nach seiner Rückkehr verfaßte er am 17. Mai 1946 einen Bericht in "strengstem Vertrauen" für die Britische Militärregierung, der ein erstaunlich frühes und eindeutiges Plädoyer für einen deutschen Weststaat darstellt. Die Quintessenz lautete, er habe die Überzeugung gewonnen,

"daß es vielleicht nach einem letzten kurzfristig begrenzten Verhandlungsversuch mit der Sowjetregierung, um die Schuldfrage zu klären, unbedingt notwendig ist, die drei Zonen im Sinne einer zielklaren Westpolitik zu organisieren: Deutsche Zentralregierung mit Exekutivgewalt unter der Kontrolle der Westmächte, Aufhebung der Zonengrenzen, Lösung des Ruhrproblems und, wenn möglich - und gemeinsam mit Amerika dürfte das wohl möglich sein - ein zweijähriges Moratorium für Deutschland, damit endlich ein wirtschaftlicher Aufbau möglich ist und auf diese Weise ein wirtschaftlich und politisch gesundender und fester Block gegen die russischen Bestrebungen geschaffen werden kann, der einen entschlossenen Anschluß an die westeuropäische Politik und Kultur findet. Auf diese Weise wird vielleicht in Kürze ein solches Übergewicht entstehen, daß die Russen daraufhin bis zur Oder nachgeben. Bleibt aber der jetzige Zustand, so fürchte ich, daß bei zu langem Herauszögern einer Entscheidung eine ähnliche Gefahr heraufziehen wird, wie sie für die ganze Welt einst durch Hitler entstand, die man bei rechtzeitiger Erkenntnis leicht hätte stoppen können."

(Werner Abelshauser - Zur Entstehung der "Magnet-Theorie" in der Deutschlandpolitik. Ein Bericht von Hans Schlange-Schöningen über einen Staatsbesuch in Thüringen im Mai 1946, in: VjhfZg 27 (1979), S. 661-679, Zitat S. 679)

3/7

zum Deutschen Historischen MuseumGästebuchMailvorherige Seitenächste SeiteSeitenanfang

 © Deutsches Historisches Museum