UNTER VORBEHALT
Die Vorführung mancher Filme, die während des „Dritten Reichs“ entstanden sind, ist nur unter Vorbehalt möglich. Diese sogenannten Vorbehaltsfilme dürfen zwar gezeigt, sie müssen aber eingeführt und mit dem Publikum diskutiert werden. Ihre Vorführung soll der Aufklärung über den Nationalsozialismus dienen. Zum Korpus der Vorbehaltsfilme gehören über 40 abendfüllende Produktionen. Darunter finden sich Spielfilme wie Jud Süß oder Hitlerjunge Quex – Filme, von denen immer wieder die Rede ist, wenngleich sie kaum jemand gesehen hat. Die meisten Vorbehaltsfilme sind jedoch vollkommen unbekannt. Die Reihe UNTER VORBEHALT, die in unregelmäßiger Folge alle Vorbehaltsfilme vorstellen und diskutieren wird, möchte unter anderem dazu beitragen, das Reden über das Kino des „Dritten Reichs“ von diesen blinden Flecken der Diskussion zu befreien. Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie wir mit dem filmischen Erbe des Nationalsozialismus umgehen möchten – und wer dieses „wir“ ist.
UNTER VORBEHALT
Die Feuerzangenbowle
D 1944, R: Helmut Weiss, B: Heinrich Spoerl, M: Werner Bochmann, D: Heinz Rühmann, Karin Himboldt, Hilde Sessak, 98’ 35 mm
Ich habe mir schon immer gewünscht, mal etwas Irrsinniges zu tun“, sagt der Schriftsteller Johannes Pfeiffer (Heinz Rühmann), bevor er sich wieder in einen Schüler verwandelt. Nur wenige Wochen nach der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad begannen die Dreharbeiten für Die Feuerzangenbowle. Während immer neue Jahrgänge von Schülern zur Armee mussten, die Juden Europas deportiert und ermordet wurden und Bomben auf deutsche Städte fielen, flüchtete der Film aus der Gegenwart und erinnerte scherzhaft-melancholisch an eine lange zurückliegende Jugend am Gymnasium voller kauziger Gestalten, Streiche, Träume. Auch nach Ende des „Dritten Reichs“ hat die hochklassige Besetzung mit Komödianten wie Erich Ponto, Paul Henckels und natürlich Heinz Rühmann noch Generationen von Deutschen zum Schmunzeln gebracht.
Als Karsten Witte 1976 den unkritischen Umgang mit dem Erbe des nationalsozialistischen Unterhaltungsfilms anprangern wollte, konnte er sicher sein mit der Frage zu provozieren, „Wie faschistisch ist die Feuerzangenbowle?“ Im März 1994 resümierte dann Georg Seeßlen in epd Film: „Die Feuerzangenbowle“ gehört zu jenen schizophrenen Filmen aus der Spätzeit des Nationalsozialismus, die zugleich dem Regime dienen und über sein Ende hinausblicken wollen, die voller offener oder unterschwelliger Nazi-Ideologeme sind, und zugleich von einer Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung zeugen, die sozusagen schon mit der Verdrängung der Schuld beginnt, während sie noch geschieht.“ (ps)
Einführung: Philipp Stiasny
am 16.10.2013 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Kopf hoch, Johannes!
D 1941, R: Viktor de Kowa, B: Toni Huppertz, Wilhelm Krug, Felix von Eckardt, K: Friedl Behn-Grund, D: Klaus Detlef Sierck, Albrecht Schönhals, Dorothea Wieck, 78’ 35 mm
Wie wird aus einem Jugendlichen ein Nationalsozialist? Davon erzählt Kopf hoch, Johannes!, „die Geschichte eines verwöhnten und verzärtelten Muttersöhnchens, das aus Südamerika in die deutsche Heimat zurückkehrt und hier in einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt ein ganzer Kerl wird. Der Junge hat ausgezeichnete Anlagen, die durch eine falsche Erziehung nur verschüttet waren“, schreibt der Berliner Lokal-Anzeiger nach der Premiere im März 1941. Als Prinzipien einer neuen nationalsozialistischen Erziehung erscheinen im Film neben der Besinnung auf Deutschtum und Rasse vor allem militärische Strenge und Nachsicht, Kameradschaft und Eingliederung in die Gruppe. Besonders wichtig war auch die Idee, dass die Jugend von der Jugend geführt werden müsse. Trotz seiner ideologisch konformen Absichten wurde Kopf hoch, Johannes! von Anneliese Sander kritisiert, weil der Film nicht nur die Jugend, sondern auch Erwachsene bilden und unterhalten wolle. Er denke zuviel an den „Publikumsgeschmack“ und sei als künstlerisches „Führungsmittel“ ungeeignet. Filme für Jugendliche sollten stattdessen von Jugendlichen oder Nachwuchskräften gestaltet werden. Als Sanders Studie Jugend und Film (1944) erschien, war Klaus Detlef Sierck, der mittlerweile zur Armee eingezogene Hauptdarsteller des Films, bereits tot: Kurz vor seinem 19. Geburtstag im März 1944 fiel der Sohn des 1937 aus Deutschland emigrierten Regisseurs Detlef Sierck (Douglas Sirk). (ps)
Einführung: Stefanie Mathilde Frank
am 23.10.2013 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Alarm in Peking
D 1937, R: Herbert Selpin, B: Walter Zerlett-Olfenius, Herbert Selpin, K: Friedl Behn-Grund, M: Werner Bochmann, D: Gustav Fröhlich, Peter Voss, Leni Marenbach, Bernhard Minetti, 89‘ 35 mm
Im Juli 1937 beginnt mit dem Angriff Japans auf China ein Konflikt, der in den Zweiten Weltkrieg mündet. In der Schlacht um Schanghai kommen Hunderttausende um. Die Zeitungen im „Dritten Reich“ berichten darüber. Gleichzeitig startet in den deutschen Kinos ein Abenteuerfilm, in dem deutsche und britische Offiziere während des chinesischen Boxeraufstands im Jahr 1900 erst um eine Frau buhlen, dann aber doch Seite an Seite kämpfen. Alarm in Peking singt das „Hohelied von Kameradschaft und Kampfesmut“ der Europäer, so die Fachzeitung Der Film. Im Unterschied zur kaiserlichen Propaganda um 1900 will Alarm in Peking das patriotische Anliegen der Chinesen im Kampf gegen den Imperialismus anerkennen und auf Schwarzweißmalerei verzichten, heißt es 1937 im Pressematerial: „Ein ritterlicher Geist ist es, der den Angehörigen eines fremden Volkes zugesteht, dass sie Mut und Entschlossenheit besitzen, und siehe: Die soldatischen Tugenden der weißen Kämpfer werden dadurch nicht geringer! Im Gegenteil! (...) Alarm in Peking ist ein Schulbeispiel dafür, wie nationalsozialistisches Denken und Handeln die Empfindungen und Interessen anderer Völker achtet und wie die so geordnete und ausgerichtete Kunst zu neuen und wirksameren Resultaten führt.“ (ps)
Einführung: Fabian Tietke
am 30.10.2013 um 20.00 Uhr
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