Zeughauskino

 

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  UNTER VORBEHALT

 

UNTER VORBEHALT

 

Die Vorführung mancher Filme, die während des „Dritten Reichs“ entstanden sind, ist nur unter Vorbehalt möglich. Diese sogenannten Vorbehaltsfilme dürfen zwar gezeigt, sie müssen aber eingeführt und mit dem Publikum diskutiert werden. Ihre Vorführung soll der Aufklärung über den Nationalsozialismus dienen. Zum Korpus der Vorbehaltsfilme gehören über 40 abendfüllende Produktionen. Darunter finden sich Spielfilme wie Jud Süß oder Hitlerjunge Quex – Filme, von denen immer wieder die Rede ist, wenngleich sie kaum jemand gesehen hat. Die meisten Vorbehaltsfilme sind jedoch vollkommen unbekannt. Die Reihe UNTER VORBEHALT, die in unregelmäßiger Folge alle Vorbehaltsfilme vorstellen und diskutieren wird, möchte unter anderem dazu beitragen, das Reden über das Kino des „Dritten Reichs“ von diesen blinden Flecken der Diskussion zu befreien. Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie wir mit dem filmischen Erbe des Nationalsozialismus umgehen möchten – und wer dieses „wir“ ist.

 

UNTER VORBEHALT

Die Rothschilds. Aktien auf Waterloo
D 1940, R: Erich Waschneck, K: Robert Baberske, M: Johannes Müller, D: Carl Kuhlmann, Erich Ponto, Albert Florath, Bernhard Minetti, Hilde Weissner, Gisela Uhlen, 97‘ · 35 mm

Nach Kriegsbeginn erreicht die antisemitische Propaganda im Kino einen Höhepunkt, als 1940 mit Jud Süß, Der ewige Jude und Die Rothschilds gleich drei Filme herauskommen, die den Juden eine Zusammenarbeit mit den Feinden und die Vernichtung Deutschlands unterstellen. Entworfen wird in diesen Filmen das Phantasma einer jüdischen „Weltverschwörung“, die mit aller Härte bekämpft werden müsse. Die Rothschilds spiegelt diese Vernichtungsangst zurück in die Zeit Napoleons. Die über Deutschland, Frankreich und England verzweigte jüdische Bankiersfamilie Rothschild agiert hier wie eine Krake, die auf skrupellose Weise Macht und Geld anhäuft, sich Politiker gefügig macht und das englische Finanzwesen beherrscht. Zur antisemitischen kommt so noch die antibritische Stoßrichtung; die Luftschlacht um England hatte nur wenige Tage vor der Filmpremiere begonnen. Die Presse erging sich in der Produktion von Horrorvorstellungen und Ekel: „Von dem Hexenkessel der jüdischen Jagd nach dem Golde wird der Deckel abgehoben. Üble Dämpfe steigen auf. Es brodelt von Betrug, Tücke, Hinterhalt, Rachsucht, Schmuggel und Bestechung. Dazu kommt ein zweites: Das Fressen und Nagen dieses Giftes an den Fundamenten des englischen Großkapitals, bis die alte Schicht seiner Besitzer ausgehöhlt zusammenbricht und das Ghetto über die City triumphiert, Jerusalem die Herrschaft des Empires an sich reißt.“ (Deutsche Allgemeine Zeitung, 18.7.1940). (ps)
Einführung: Matthias Struch

am 6.11.2013 um 20.00 Uhr

UNTER VORBEHALT

Robert und Bertram
D 1939, R/B: Hans H. Zerlett, K: Friedl Behn-Grund, M: Leo Leux, D: Rudi Godden, Kurt Seifert, Carla Rust, Herbert Hübner, 93‘ · 35 mm

Der Deportation und Ermordung der Juden nach Kriegsbeginn gingen ihre gesellschaftliche Ausgrenzung und Entrechtung voran. Das Kino hatte daran seinen Anteil, indem es antisemitische Stereotype verbreitete und die Juden als Spekulanten, Kriminelle und Verführer darstellte. Die musikalische Posse Robert und Bertram nach dem gleichnamigen Stück von Gustav Räder aus dem Jahr 1856 verlegte sich darauf, die Juden lächerlich zu machen. Zwei Landstreicher erweisen sich hier als so sympathische wie selbstlose Diebe, die einem Juden sein mit dubiosen Geschäften erworbenes Vermögen abnehmen und so einer jungen Frau zum richtigen Bräutigam – einem Arier wie aus dem Bilderbuch – verhelfen. Der jüdische Betrüger, der am Ende selbst als Betrogener dasteht, entspricht äußerlich ganz dem rassistischen Klischee des Ostjuden, während seine Tochter sich vergeblich bemüht, das Jüdische abzulegen. Robert und Bertram machte „erstmalig in einem Film das Judentum zur Zielscheibe eines überlegenen und wirkungssicheren Spottes“, bemerkt der regimetreue Film-Kurier am 15. Juli 1939 und führt fort: „Wenn Herbert Hübner protzend und lüstern durch sein Palais schreitet und jüdelt, daß sich die Dialogzeilen biegen, wenn Inge v.d. Straaten eine Sarah hinlegt, daß man immer an fette Gänsegrieben denken muß, dann brüllt das Publikum vor Vergnügen. Witze, alt aber gut, schlagen ein wie Blitze im Mai.“ (ps)
Einführung: Guido Altendorf

am 13.11.2013 um 20.00 Uhr

UNTER VORBEHALT

Ich klage an
D 1941, R: Wolfgang Liebeneiner, K: Friedl Behn-Grund, M: Norbert Schultze, D: Paul Hartmann, Heidemarie Hatheyer, Matias Wieman, Margarete Haagen, 121‘ · 35 mm

Im Windschatten des Krieges wurden im „Dritten Reich“ zwischen Januar 1940 und August 1941 in Heil- und Pflegeanstalten mehr als 70.000 Alte und Kranke ermordet. Nach Protesten wurden die Tötungen zunächst eingestellt und dann später – anders organisiert – fortgesetzt. Um Verständnis für die rassenhygienischen Vorstellungen der Nationalsozialisten und die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ zu schaffen, wurde Ich klage an in direkter Absprache mit der Reichskanzlei gedreht. Ein Arzt muss ansehen, wie seine über alles geliebte Frau langsam an Multipler Sklerose zugrunde geht. Um ihr furchtbares Leid zu beenden, erfüllt er schließlich ihren Wunsch und verabreicht ihr ein tödliches Medikament. Wegen Mordes vor Gericht gestellt, plädiert der Arzt für die Zulassung des Tötens auf Verlangen. „Der dramaturgisch geschickt aufgebaute, sehr suggestiv inszenierte (...) Agitationsfilm sollte den NS-Behörden zur Popularisierung und Rechtfertigung ihres als ‚Euthanasie’ verbrämten und unter der Bezeichnung ‚T4’ getarnten Krankenmordes und möglicherweise auch zur Vorbereitung eines ‚Sterbehilfegesetzes’ dienen“, schreibt Wolfgang U. Eckart 2012 in Medizin in der NS-Diktatur. Der von der nationalsozialistischen Kritik hoch gelobte Film erreichte 1941/42 etwa 18 Millionen Zuschauer. (ps)
Einführung: Tobias Ebbrecht

am 20.11.2013 um 20.00 Uhr

 

 
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