Lauts, S. 2.
. Das als militärischer Zweckbau um 1730 fertiggestellte Gebäude diente dem preußischen Staat bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts als Waffenarsenal, in dem üblicherweise neben den für die Ausrüstung der Armee notwendigen Waffen und Kriegsgeräten auch erbeutetes Kriegsmaterial untergebracht wurde. Mit dem Wandel der Militärtechnik und der Strategie verlor das Zeughaus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine eigentliche Funktion als Artilleriedepot und Waffenlager der Armee. Nach der Gründung des Deutschen Reiches wurde das Zeughaus in ein Waffenmuseum mit einer Ruhmeshalle der preußischen Monarchie und ihrer Feldherren umgewandelt. In den folgenden Jahrzehnten bis zum Ersten. Weltkrieg entstand eine der umfangreichsten militärgeschichtlichen Sammlungen der Welt. Wie die anderen großen europäischen Zeughäuser und Waffensammlungen konnte auch das Berliner Museum seinen Rang mit hervorragenden Einzelstücken dokumentieren. Von Jahr zu Jahr stieg die Zahl der kulturgeschichtlich und waffentechnisch bedeutsamen Erwerbungen und setzte Glanzpunkte in der Sammlungs- und Waffengeschichte.Nach der Grundsteinlegung im Jahre 1695 erfolgte bis 1706 die Fertigstellung des Außenbaus am Zeughaus. Zunächst wurde das Erdgeschoß mit Geschützen und Artilleriegerät aufgefüllt, in den ersten Stock kamen nach seiner Fertigstellung 1730 die Handfeuerwaffen. An den Pfeilern wurden aus Gründen der künstlerischen Aufwertung Harnischteile, schöne Waffen, vermischt mit militärischem Gerät, angebracht. Sie gaben dem Raum ein besonderes Fluidum. Ein Besucher bemerkte um 1730: "Das obere Stockwerk des Zeughauses und das Inwendige desselben ist von König Friedrich Wilhelm völlig ausgebaut und mit unzähligem, kostbarem Gewehr, Trommeln, Casquetten und Cuirassen ... angefüllt, daß das Auge nicht weiß, wohin es sich am Ersten wenden soll ..."2
Zit. nach: Malinowsky/Bonin, S. 709.
1760 mußte das Zeughaus nach der Besetzung Berlins durch russische Truppen Plünderungen und den Abtransport zahlreicher Waffen und Rüstungen hinnehmen. Auch der Bestand der alten Waffen hatte in den Jahren nach dem Regierungsantritt Friedrichs II. abgenommen. Der König hatte an historischen Waffen kein besonderes Interesse und förderte deshalb den Verkauf der Objekte. Die hohen Verluste an militärischen Ausrüstungen durch den Siebenjährigen Krieg machten sich auch im Zeughausbestand bemerkbar und wurden zum Teil durch Beutestücke ausgeglichen. So stammte 1769 von den rund 80.000 Infanteriegewehren fast die Hälfte aus österreichischen Armeebeständen.
Größeren Zuwachs erhielt die Sammlung nach den Befreiungskriegen, und zahlreiche Objekte gelangten als Beute in das Zeughaus. Im wesentlichen handelte es sich um Geschütze, Fahnen und Handfeuerwaffen, militärische Zeichnungen und Pläne. Den geringeren Teil machten die sogenannten Kunstsachen aus, zu denen beispielsweise zwei Armbrüste aus dem Jagdpark Kaiser Maximilians I. gehörten, die von französischen Truppen in Wien oder im Schloß Ambras in Tirol geraubt worden waren und 1814 durch die preußischen Truppen von Paris nach Berlin gelangten. (Kat.-Nr.27)
Nach 1815 wurde auf Vorschlag des Prinzen August von Preußen, Chef der Artillerie, im Obergeschoß des Zeughauses innerhalb der Depotbestände eine "Waffen- und Modellsammlung" eingerichtet. Mit der künstlerischen Gestaltung wurde Karl Friedrich Schinkel betraut. In einem Raumabschnitt konnten kunstvolle alte Waffen, die vorwiegend aus der königlichen Kunstkammer stammten, besichtigt werden. Der zweite Raum war der Muster und Modellsammlung gewidmet und enthielt zahlreiche französische Beutestücke. König Friedrich Wilhelm III. übergab, wie aus einer Aufstellung von 1831/32 hervorgeht, 150 Objekte aus den Rüstkammerbeständen der Hohenzollern in die Waffen- und Modellsammlung des Zeughauses3
Müller 1994, S. 68.
. Darunter befanden sich verschiedene Jagdwaffen, wie zwei Armbrüste von 1597 und 1606 mit den dazugehörigen Winden und Bolzen, zwei Kugelschnepper und ein für die Vogeljagd geeigneter Balläster aus dem 17. Jahrhundert, eine von Samuel Gerlach aus Berlin gefertigte Windbüchse, zwei Weidmesser und ein Kalenderschwert4Uhlemann, S. 142; Müller 1994, S. 68.
.In diesen Jahren erhielt das Zeughaus auch einen größeren Waffenbestand aus der Sammlung des preußischen Geheimen Kriegsrates Friedrich Krüger. In der erhalten gebliebenen Auflistung der Krügerschen Sammlung finden wir Hirschfänger, Jagdbestecke, Schweinsschwerter und Sauspieße, Tschinken und Büchsen. Zweifellos ein herausragendes Objekt war die Jagdbüchse aus dem Besitz Friedrich Wilhelms I. Die Eintragung dazu lautet: "Eine gezogene Büchse mit langem Anschlage, auf dem Lauf G. von Der Fecht A. Berlin. Auf dem glatten Feuerschlosse stehet gleichf: G. von Der Fecht. Der Schaft ist von Nußbaum und die Garnitur von polirtem Eisen. Diese Büchse, die Cüstrinsche genannt, gehöret unter die 12 Büchsen, so der Höchstseel: König Friedrich I. Selbst gebraucht."5
ZH Rep. Z 132 A, Bl. 99 r.
Eine Büchse dieses Typs befindet sich noch heute in der Sammlung.Eine Zäsur in der Sammlungsgeschichte stellte der Ankauf der Sammlung des Prinzen Carl von Preußen dar. Prinz Carl gelang es, eine der umfangreichsten und kostbarsten privaten Waffensammlungen in Europa aufzubauen. Zum Verkauf standen 1.151 Waffen und Rüstungen, die Hälfte davon war europäischer Herkunft, 575 stammten aus orientalischen und anderen Kulturkreisen. Mit dem 1883 durch den preußischen Staat finanzierten Ankauf ergaben sich für das Zeughaus neue Möglichkeiten der wissenschaftlichen Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Waffenentwicklungen an Hand ausgewählter Belegstücke. In einer Stellungnahme der Zeughausdirektion an das Kriegs-Departement vom März 1883 wurde dazu festgehalten: "ein noch größerer Werth beruht hinsichtlich einer Erwerbung dieser Sammlung für das Zeughaus darin, daß solche hauptsächlich sehr reich an Gegenständen der Bewaffnung des Mittelalters, des 15. 16. und 17. Jahrhunderts ist, während die Sammlung des Zeughauses gerade nach der Seite hin, soll sie nicht lückenhaft bleiben, eine umfassendere Ergänzung bedarf."6
ZH Rep. Z 157, unpag.
Die prunkvollen Zivilwaffen bildeten den Grundstock für die Darstellung der Waffenentwicklung im 15. und 16. Jahrhundert. (Kat.-Nr.6, 8)Heute sind von der Sammlung nur noch Teile vorhanden, der Krieg und die Nachkriegszeit haben spürbare Lücken hinterlassen. Dennoch belegen die noch vorhandenen Objekte den kulturgeschichtlichen Rang der Waffenbestände im Zeughaus. Nie zuvor und nie wieder danach wurde eine so umfängliche und bedeutende Sammlung angekauft. Besonders repräsentativ war der Bestand an Blankwaffen, unter denen Arbeiten bekannter spanischer, italienischer und deutscher Klingenschmiede vertreten waren. Dazu gehörten reich verzierte Jagdschwerter und -säbel mit Kalenderklingen, Jagdbestecke, Weidmesser, Hirschfänger und Sauspieße.
Auch in den folgenden Jahren wurden die Bestände durch eine kontinuierliche Samm- lungstätigkeit und durch Ankäufe oder Schenk- ungen aus Privathand erweitert. Bei diesen Erwerbungen handelte es sich in der Regel um Einzelstücke. Tausch- aktionen mit anderen musealen Einrichtungen schlossen Lücken oder setzten besondere Ak- zente. Nach der Ge- nehmigung durch das Kriegsministerium gelangten 1886 aus dem Völkerkundemuseum rund 160 mittelalterliche Objekte in das Zeughaus7
ZH Rep. Z 585, Bl. 70 ff.
. Im Gegenzug wurden eine kaukasische Pferderüstung aus dem 15./16. Jahrhundert sowie Bögen und Spieße als Tauschobjekte aus dem Zeughausfundus entnommen8ZH Rep. Z 585, Bl. 85.
. Auch in den darauffolgenden Jahren übergab das Völkerkundemuseum kleinere Objektgruppen, hauptsächlich Reit- und Jagdzeug des 15. bis 17. Jahrhunderts, an das Zeughaus. Für alle Erwerbungen, unabhängig davon, ob es sich um Ankäufe oder Geschenke handelte, mußte die Zustimmung des Waffendepartements im Kriegsministerium eingeholt werden.1895 wurde eine Expertenkommission eingerichtet, nachdem in der Presse die Ankaufspolitik des Zeughauses sehr kritsich beurteilt worden war. Um Fehlkäufe zu vermeiden, sollte eine ständige Sachverständigenkommission zusammen mit der Zeughausverwaltung alle weiteren Erwerbungen wissenschaftlich absichern9
ZH Rep. Z 206, unpag.
. Im Februar 1895 wurden deshalb unter dem Vorsitz des Zeughausdirektors durch das Kriegsministerium sechs Sachverständige berufen, zu denen bekannte Museumsdirektoren, Wissenschaftler und Waffenkenner gehörten. Unter den Mitgliedern des ersten Gremiums befanden sich unter anderen Wilhelm von Bode, Max Jähns, Nikolaus von Dreyse, Franz Freiherr von Lipperheide und der Uniformmaler Richard Knötel d.Ä.. Diese Einrichtung führte ihre Arbeit bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges fort.Interessante Einblicke in die Erwerbungspraxis des Zeughauses gaben die Veröffentlichungen im Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen und die Amtlichen Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen. Den jährlichen Geschenken des Kaisers war eine eigene Rubrik gewidmet. 1896 und 1897 erhielt das Zeughaus beispielsweise über 100 wertvolle Rüstungen und Waffen des 15. bis 17. Jahrhunderts, darunter verschiedene Jagdwaffen. Nach 1918 wurden die wichtigsten Erwerbungen im Fachblatt "Berliner Museen. Berichte aus den Preußischen Kunstsammlungen", vorgestellt10
ZH Rep. Z 791, unpag.
.Eine wesentliche Erweiterung der Bestände gelang dem Zeughaus mit dem Ankauf der Sammlung Gay aus Paris, die 1909 im Auktionshaus Bacherreau zur Versteigerung gelangte. Der stellvertretende Direktor des Zeughauses meinte nach einer Besichtigung der Sammlung: "sie enthält fast nur frühmittelalterliche und mittelalterliche Waffen, namentlich Schwerter und Dolche in einer Zahl, Qualität und vollständigen Typenfolge, die ganz einzig dasteht. Sie würde die bisher noch ziemlich dürftige Abteilung mittelalterlicher Waffen im Zeughaus mit einem Schlage zur ersten der Welt machen ..."11
ZH Rep. Z 809, unpag.
Der Direktor des Historischen Museums in Dresden ergänzte: "Wenn es dem Zeughaus glückte, sie zu erwerben, so würde es damit nach der Sammlung Prinz Carl seinen bedeutendsten Zuwachs erhalten."12ZH Rep. Z 809, unpag.
Die Zeughausdirektion war sich der Bedeutung des Angebotes bewußt und bemühte sich um den Ankauf, wobei allerdings die Finanzierung Schwierigkeiten bereitete. Nachdem der Kaiser (1911) 30.000 Mark als Unterstützung zur Verfügung gestellt hatte, konnte das Zeughaus die Sammlung erwerben13ZH Rep. Z 809, unpag.
.In der Weimarer Republik begann auch für die Geschichte des Zeughauses ein neuer Abschnitt. Ab Anfang 1920 war es nicht mehr dem Kriegsministerium, sondern dem Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Volksbildung unterstellt und wurde den Staatlichen Museen, Preußische Kunstsammlungen, zugeordnet. An Stelle eines Militärs übernahm jetzt ein Kunsthistoriker die Leitung, eine Entscheidung, die nicht ohne Folgen für die Ausstellungs-, Sammlungs- und Publikationstätigkeit blieb. Zunächst wurde die Ausstellung im Obergeschoß umgestaltet, die Trophäen- bzw. Waffenarrangements über den Fensterschränken wurden aufgelöst. Sie waren ästhetisch überholt und ohne Informationswert. Alle militärischen Objekte zeigten sich jetzt dem Besucher in chronologischer Ordnung. Besonderer Wert wurde auf die Präsentation kunsthandwerklicher Schaustücke und auf eine zusammenhängende Darstellung vom frühen Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gelegt14
ZH Rep. Z 791, unpag.
.Auf dem internationalen Kunstmarkt gelangen in dieser Zeit noch einige kunst- und waffengeschichtlich bedeutsame Ankäufe. 1927 konnte das Zeughaus in dem renommierten Auktionshaus Fischer Luzern ein Jagdgewehr mit Steinschloß aus dem Besitz des preußischen Königs Friedrich I. erwerben. Die Waffe stammte aus der Werkstatt des Berliner Büchsenmachers Jacob Demrath. Der Ankauf war in vielerlei Hinsicht bedeutend, vor allem, weil das Zeughaus 1923 ein Pistolenpaar des gleichen Meisters erworben hatte, das in der Gestaltung viele Parallelen zu dem Jagdgewehr aufwies. Leider gehören auch diese Objekte zu den Kriegsverlusten der Sammlung. Wie schon in den Jahren zuvor wurden bestehende Sammlungen in Tauschaktionen mit anderen Museen, so der Dresdner Rüstkammer, vervollständigt. Aus Dresden wurde neben den beiden 1906 übergebenen Weidmessern (Vorlegemessern) mit den Wappen des brandenburgischen Kurfürsten Johann Georg die dazugehörige Besteckgarnitur erworben15
ZH Rep. Z 569, Bl. 101b.
. Zu den Besonderheiten gehörte auch eine Radschloßpistole des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, die im gleichen Jahr aus dem Dresdner Museum im Tausch nach Berlin kam16Koetschau, S. 92 ff.; Post, S. 143; Müller 1994, S. 179.
.In einem Bericht von 1937, der die Ankäufe der vergangenen Jahre bilanzierte, wurde festgestellt, daß zahlreiche mittelalterliche Waffen, Jagdwaffen und italienische Waffen der Renaissance in die Sammlung Eingang gefunden hatten. Im Resultat dieser Erwerbungspolitik verfügte das Zeughaus inzwischen über beachtliche Bestände kunstvoller Waffen von Weltruf und war damit zur musealen Pflege der Prunk-Turnier- und Jagdwaffen verpflichtet. Nicht zuletzt drückte sich diese Tatsache in verschiedenen Sonderführungen zum Kunsthandwerk und zur Geschichte der Jagdwaffen aus. Die Erwerbungen der zurückliegenden Zeit, so der Bericht, waren nicht im Zuge großer Staatsankäufe, sondern mit den Mitteln des Zeughauses, durch Tausch und aus dem Erlös verkaufter Doppelstücke erfolgt17
Lauts, S. 2.
. Mit der Akzentsetzung auf den Bereich der prunkvollen Museumsobjekte richtete sich dieser Bericht unausgesprochen auch gegen eine einseitige Konzentration der Museumsarbeit auf militärische Themen, wie sie nach 1933 üblich wurde. Die Berufung auf kunstgeschichtliche Traditionen konnte die strikte Ausrichtung des Zeughauses auf die Belange der Wehrmacht dennoch nicht aufhalten. In der Zeit des Nationalsozialismus waren insbesondere die heeresgeschichtlichen Museen einer strengen Parteiideologie unterworfen. Die Ausstellungspraxis diente vorwiegend der Verherrlichung militärischer Traditionen und der Propagierung der nationalsozialistischen Expansionspolitik. Zur personellen Absicherung dieser Veränderungen stand ab 1934 der Leitung des Zeughauses wieder ein ranghoher Offizier vor.Um wertvolle Objekte vor den befürchteten Luftangriffen zu schützen, wurden diese 1939 in der Neuen Münze, in den Flaktürmen am Zoo und im Friedrichshain untergebracht. Vor der endgültigen Einschließung Berlins im März 1945 konnten noch Zeughausgegenstände aus dem Zoobunker nach Schönebeck an der Elbe und in das Kalibergwerk in Kaiserroda/Merkers (Rhön) verlagert werden. Die dort von der amerikanischen Armee aufgefundenen Museumsobjekte wurden von der US-Militärverwaltung nach Wiesbaden abtransportiert und in einen"Art Collecting Point" aufgenommen. 1958 wurden diese Sammlungen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vergeben. Teile der 1945 in Berlin sichergestellten Waffen und Rüstungen aus dem Zoobunker und dem Zeughaus andererseits wurden später in die Sowjetunion abtransportiert. 1942 waren weitere Umlagerungen großer Bestände von Museumsgut nach Graudenz/Westpreußen erfolgt. Als sich die Rote Armee dieser Stadt näherte, versuchte man die dort eingelagerten Museumsobjekte in andere Orte umzusetzen. Dabei fielen von den sieben bereits beladenen Eisenbahnwaggons fünf in die Hände der vorrückenden sowjetischen und polnischen Truppen. Teile dieser Sammlung befinden sich noch heute in Museen verschiedener GUS-Staaten und im Armeemuseum in Warschau.
Mit dem Kontrollratsbefehl Nr. 30 vom 13. Mai 1946 mußten bis zum 1.Januar 1947 "alle Kriegsmuseen und -ausstellungen auf dem ganzen Gebiete Deutschlands geschlossen und beseitigt werden". Auf Antrag konnten Gegenstände von außerordentlicher kulturhistorischer Bedeutung vor der Vernichtung bewahrt werden. Das Berliner Zeughaus wurde gemäß dem Befehl Nr. 30 aufgelöst und umfangreiche Bestände verschrottet, darunter 520 Militär- und Jagdgewehre des 18. Jahrhunderts. Nach dem Krieg war die Suche nach den Restbeständen der Sammlung sehr erschwert, denn das Museumsgut lagerte in verschiedenen Orten. Für die Museumsmitarbeiter war es kaum möglich, einen Überblick über die vorhandenen oder verlorengegangenen Bestände zu gewinnen. Häufige Umlagerungen in den letzten Kriegsjahren hatten zu weiteren Verlusten geführt. Registraturen und Kistenlisten stimmten mit dem tatsächlichen Transportgut nicht mehr überein, beim Transport entstandene Verluste wurden überhaupt nicht mehr erfaßt. Die staatlichen Stellen brachten angesichts der allgemeinen Lage der Suche nach militärischem Museumsgut wenig Verständnis entgegen, deshalb wurde in einer Reihe von Fällen die Vernichtung alter Waffen angeordnet18
Müller 1994, S. 233.
. Die wenigen Transportmittel wurden für lebensnotwendige Güter benötigt, und so zog sich die Rückführung wieder aufgefundener Bestände über Jahre hin. Im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands hatten Kunstgut- und Trophäenkommissionen für den Abtransport weiterer Museumsobjekte gesorgt, zahlreiche Objekte gingen durch vorsätzliche Vernichtung verloren. Nach der ersten Inventarisierung von 1951 befanden sich nur noch rund 5.000 Objekte im Zeughaus. Am 18. Januar 1952 gründete sich das Museum für Deutsche Geschichte (MfDG) mit der klar umrissenen Aufgabe, ein marxistisch-leninistisches Geschichtsbild zu vermitteln. Diesem Ziel waren die Ausstellungstätigkeit und Sammlungskonzeption untergeordnet. Schwerpunkte der Arbeit im MfDG und Legitimationsgrundlage der SED-Politik bildeten deshalb Themen zur Geschichte der DDR, der Arbeiterbewegung und Erhebungen und Aufstände weiter zurückliegender Geschichtsepochen. Zur Verbesserung der Bestandssituation wurde im Juni 1953 durch das Staatssekretariat für Hochschulwesen angeordnet, daß alle staatlichen Stellen und Privatpersonen, die im Besitz von Gegenständen aus dem ehemaligen Zeughaus waren, diese anzumelden und auf Verlangen zurückzugeben hatten. Wertvolles historisches Material sollte mit dieser Maßnahme vom Museum für Deutsche Geschichte ausgewertet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Alle Bestände aus dem ehemaligen Zeughaus gingen gleichzeitig in die Rechtsträgerschaft des MfDG über19Zentralblatt der DDR, S. 295.
.Das Schicksal der nach Westberlin verbrachten Sammlungsteile war den Mitarbeitern am MfDG bekannt, aber Kontakte zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz ließ man offiziell nicht zu. Auch Nachforschungen nach den in der Sowjetunion und im Armeemuseum in Warschau verbliebenen Teilen der Sammlung gab es nicht, weil dies der offiziellen Sprachregelung - die Sowjetunion habe alles zurückgegeben- zuwiderlief. Mit der Bindung an eine vorgegebene Geschichtsinterpretation bestimmten in letzter Instanz die Vorgaben der Politik die Wahl der Ausstellungsthemen. In den mit Militariaobjekten gestalteten Ausstellungen stand deshalb die militärische Seite der Sammlung im Vordergrund, weniger die prunkvolle bzw. zivile Waffe. Ausnahmen bildeten Ausstellungen mit einem übergreifenden Thema, zuletzt die 1987 eröffnete Ausstellung "Europäische Hieb- und Stichwaffen". Namhafte Historiker und Mitarbeiter der SED unterzogen die Ausstellungsentwürfe einer sorgfältigen Begutachtung nach den gewünschten politischen Vorgaben. Großen Erfolg hatte die Ausstellung "Waffen und Uniformen in der Geschichte" (1957), in der die vorgestellten Objekte nach einem marxistisch fixierten Geschichtsbild im entsprechenden historischen Kontext standen. Die Ausstellung diente zugleich als konzeptionelle Grundlage für das 1961 in Potsdam eröffnete Armeemuseum20
Katalog Waffen und Uniformen, S. 5 ff.; Herbst/Ranke/Winkler, Bd. 1, S. 80.
.Die großen Verluste aus der Kriegs- und Nachkriegszeit versuchten die Mitarbeiter des Museums durch eine intensive Sammlungstätigkeit auszugleichen. Deutliche Fortschritte stellten die Erwerbungen großer Privatsammlungen, wie der Sammlung Otto Merbach (1954) oder der Sammlung Bonsack, dar. Der Bestand wurde außerdem durch eine in dieser Zeit erworbene Sammlung mit 197 Jagdgewehren sowie 36 Steinschloßpistolen des 18. Jahrhunderts bereichert.
1958 kehrten, überraschend für die Öffentlichkeit, fast 8.000 Museumsobjekte aus der Sowjetunion zurück. Dank dieser Rückgabe konnte der Bestand an Jagdwaffen der Renaissance und des Barock wesentlich erweitert werden. Die Militariasammlung erlangte insgesamt eine deutliche Aufwertung und gewann an internationaler Bedeutung. (Kat.-Nr.58) Mit der stetigen Kürzung der Mittel verringerten sich allerdings die Möglichkeiten des Museums für den Ankauf von historischen Objekten. Viele Privatsammler andererseits gaben ihre Stücke nur im Tausch ab. Das Museum mußte auf deren Bedingungen eingehen und nutzte diese Möglichkeiten mit der Vergabe von Doppelstücken in begrenztem Maße. Zwischen 1960 und 1980 konnten 1.572 historische Waffen erworben werden, im Zeitraum von 1981 bis 1989 waren es nur noch 17921
Müller 1994, S. 250.
. Unter den wenigen Ankäufen dieser Zeit befanden sich jedoch einige wertvolle Objekte, wie verschiedene Hirschfänger und Jagdplauten des 18. Jahrhunderts, ein Weidbesteck aus der Zeit um 1600, zahlreiche Perkussions-Jagdgewehre aus dem 19. Jahrhundert und ein 1832 hergestelltes Vorderlader-Zwillingsgewehr von Johann Nikolaus von Dreyse. (Kat.-Nr.57, 62)Nach dem Fall der Mauer war es endlich möglich, die Zeughausbestände im Kunstgewerbemuseum und im Grunewald zu besichtigen und die entsprechenden Kontakte zu den Fachkollegen herzustellen. Es war zwar bekannt, daß sich in der Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Zeughausbestände befanden, aber niemand hatte eine Vorstellung vom Umfang und von der Qualität der Objekte. Jetzt konnten sich die Mitarbeiter der Militariasammlung an Ort und Stelle über die vorhandenen Bestände informieren und diesen Teil der Sammlung neu bewerten. Mit der Übergabe der Verlagerungslisten war es möglich, bestehende Lücken in der Bestandsgeschichte zu schließen. Die Rückführung der Bestände in das Zeughaus war dennoch schwierig, schon allein wegen der juristischen Unklarheiten in bezug auf die Eigentums- und Rechtsverhältnisse. Im Jahre 1996 sind die genannten Bestände in den Besitz des durch das DHM verwalteten Bundeseigentums übergegangen. Diese Übergabe wurde durch neue Leihverträge juristisch untermauert. Die Sammlungen bleiben zunächst in den bisherigen Einrichtungen, denn sie stellen einen festen Teil der Ausstellungen dar. Während das Kunstgewerbemuseum prunkvolle Einzelstücke ausstellt, sind im Grunewald neben den Sonder- und Versuchskonstruktionen vorwiegend Jagdwaffen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zu sehen. Nach der Renovierung des Zeughauses und dem Aufbau einer neuen Ausstellung wird das DHM auf diese Bestände zurückgreifen. Vorstellbar ist auch ein Austausch einzelner Objekte für Sonderausstellungen, naheliegend wäre hier der Bereich der Jagd.
Auf der Basis des vorhandenen Bestandes gelang in den letzten Jahren der Erwerb einiger besonderer Stücke. Dazu gehören die Jagdgarnitur des Kurfürsten August II. von Sachsen, ein vermutlich aus dem Besitz König Friedrichs I. von Preußen stammendes Jagdgewehr und mehrere Jagdwaffen, die dem Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz zugeordnet werden. (Kat.-Nr.20) Die Neuerwerbungen fügen sich in den vorhandenen Sammlungbestand ein, ergänzen und erweitern diesen. Der Konzeption des historischen Museums entsprechend spielt die Jagd zur Illustration sozial- und kulturgeschichtlicher Themen des europäischen Adels vom Mittelalter bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine wichtige Rolle. In der ständigen Ausstellung "Bilder und Zeugnisse der deutschen Geschichte" werden im Abschnitt "Barocke Hofkultur - Jagd und Spiele" verschiedene Objekte als Beispiel der materiellen Zeugnisse aus diesem Sammlungsbereich vorgestellt.
Auf diesen Bestand griff man außerdem für Sonderausstellungen im eigenen Haus zurück und vergab Leihgaben an andere Einrichtungen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Ausstellung "Vom Jagen", die 1992 in Schloß Moritzburg bei Dresden veranstaltet wurde und an der sich zahlreiche deutsche Museen beteiligt hatten. Die jüngste Ausstellung, in der die Besucher prunkvolle Jagdwaffen bewundern konnten, war den 300 Jahren Zeughaus gewidmet und präsentierte die Jagdwaffen als historische Belege für die Sammeltätigkeit des Prinzen Carl. Der überwiegende Teil der Sammlung an Jagdwaffen sprengt den regionalen Rahmen und illustriert technische und kulturgeschichtliche Entwicklungen vieler europäischer Länder. Die chronologische und typologische Ordnung der Bestände erlaubt auch deren Nutzung für Studienzwecke. Privatsammler und museale Einrichtungen nehmen diese Gelegenheit wahr, sie stellen Anfragen zur Bestimmung eigener Erwerbungen oder lassen sich für Ausstellungsvorhaben beraten. Die Berliner Sammlung ist nach militär- und kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten ausgerichtet. Als ein wesentliches Charakteristikum macht dies ihre internationale Bedeutung aus, die auch in der weiteren musealen Arbeit an einem historischen Museum Berücksichtigung finden muß.