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Bestandszusammenführung nach der Vereinigung

Abb. 1
Verdienstorden der Preußischen Krone, Ordenskreuz mit Schwertern und Schärpe, Preußen, um 1910
(Kat.-Nr. 72)

Nach der Wende bestand erstmalig für die Verantwortlichen der Militaria-Sammlung die Möglichkeit, sich der ehemaligen Zeughausbestände anzunehmen, die im Westteil Berlins lagerten. Was die Auszeichnungen anbelangt, so handelte es sich um jene bereits erwähnten, die 1945 nach Kaiseroda/Merkers ausgelagert und dann durch die amerikanische Besatzungsmacht sichergestellt worden waren. Nachdem sie mehrere Jahre von der Öffentlichkeit unbeachtet in Wiesbaden gelagert hatten, kam es im August 1958 zur Überführung nach Westberlin in die Treuhandschaft der Staatlichen Museen Berlin, Museum Dahlem. Im Jahre 1957 erfolgte auf Initiative der Bundesregierung die Bildung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die von mehreren Bundesländern mitgetragen wurde. Sie hatte die Aufgabe, in der Bundesrepublik Deutschland befindliches Kunst- und Kulturgut des ehemaligen Landes Preußen zu übernehmen. Für die würdige Bewahrung dieses Kulturerbes war ein Träger gefunden. Da Angehörige von Museen in der DDR aus politischen Gründen keine Kontakte zu Einrichtungen und Mitarbeitern der Stiftung ohne übergeordnete Genehmigung haben durften, blieben dem MfDG Informationen über das und ein Zugang zum Zeughausgut verwehrt.

Nach einer ersten Kontaktaufnahme Mitte 1990 zogen sich die Verhandlungen über eine Rückführung in das Zeughaus, die dann Ende 1994 in Form einer Leihgabe zustande kam, doch recht lange hin. Einer der Gründe lag in polizeilichen Ermittlungen, die den Ordensbestand betrafen. In dem für die Verwahrung und Betreuung des Zeughausgutes zuständigen Museum, dem Kunstgewerbemuseum in Westberlin, hatte ein Angestellter in mehreren Etappen von 1983 bis 1986 Orden dieser nicht bearbeiteten Sammlung entwendet, privat auf den Markt gebracht und veräußert. Auf die historische Bedeutung dieser einmaligen Bestände der ehemaligen Generalordenskommission wurde bereits weiter oben hingewiesen. Der durch die Diebstähle und das Veräußern entstandene Schaden ist kaum zu beschreiben. Der Vergleich mit vorhandenen Inventarlisten von 1921 und 1958 gibt einen genauen Überblick über die durch die Diebstähle entstandenen Fehlstellen. Von vielen Orden sind die höchsten Klassen und Varianten entwendet worden. Einige Beispiele sollen in diesem Zusammenhang genannt werden.

Abb. 2
Abbildung des Großkreuzes zum Eisernen Kreuz von 1813, Rückseite. Das Stück wurde im Kunstgewerbemuseum Berlin (West) gestohlen.
Inv.-Nr. A.B.6510
Abb. 3
Bruststern zum Großkreuz mit Eichenlaub des Ordens Pour le Mérite; Gravur der rückseitigen Medaillongegenplatte
(Kat.-Nr. 48 b)

Zu einem der seltensten Orden, dem der Preußischen Krone, liegt nur noch ein Ordenskreuz mit Schärpe (Abb. 1) vor; alle anderen 5 vorhandenen Teile, darunter eines aus dem Nachlaß des Prinzen Albrecht von Preußen, sind gestohlen worden. Von dem äußerst seltenen Großkreuz zum Eisernen Kreuz von 1813 wurden die zwei vorhandenen Exemplare entwendet (Abb. 2). Vielfach wurden zusammengehörige Teile von Dekorationen auseinandergerissen, indem entweder der Bruststern oder das dazugehörige Kleinod (Ordenszeichen) veräußert worden ist. Besonders schmerzlich sind die Eingriffe in den personengebundenen Teil dieses Sammlungsbestandes. Hier entwendete der Täter aus den Nachlässen aller nachgewiesenen Persönlichkeiten Stücke und riß somit historisch einmalige Auszeichnungsgruppen auseinander. Fast ausnahmslos wurden die Ordenskreuze gestohlen, da die zugehörigen Bruststerne rückseitig eine Gravur aufweisen, die Aufschluß über Verleihung, Beliehenen oder Verleiher gibt (Abb. 3). Aus dem Nachlaß Kaiser Friedrichs III. fehlen jetzt zum Beispiel die Kreuze zum badischen Militär-Karl-FriedrichsVerdienstorden, zum englischen Bath-Orden, vom Ernestinischen Hausorden der Sächsischen Herzogtümer, zum sächsischen Militär-St.-HeinrichsOrden, vom portugiesischen Gemeinschaftlichen Ehrenzeichen der drei Hauptorden und zum Orden vom Weißen Falken von Sachsen-Weimar. Diese nicht vollständige Aufzählung läßt selbst für Laien den durch die begangenen Diebstähle entstandenen Frevel erkennen. Von 61 seiner Auszeichnungen sind 15 entwendet worden. Mit einem Viertel an Verlusten kam Kaiser Friedrichs III. Nachlaß noch "gut" weg.

Abb. 4
Roter-Adler-Orden, I. Klasse, mit Eichenlaub in Kombination mit dem Emailband des Kronenordens, Preußen, um 1900
(Kat.-Nr. 73)
Abb. 5
Roter-Adler-Orden, Großkreuz mit Krone und Eichenlaub und Schwertern am Ring mit Schärpe und Bruststern, Preußen, um 1900
(Kat.-Nr. 74)

Bei anderen Personen ließ der Täter gleich alles oder über die Hälfte verschwinden, so zum Beispiel beim General Karl Friedrich von dem Knesebeck, dem Grafen von Zeppelin oder dem Kaiser Franz Joseph I. von Österreich. Mit dem Veräußern verschwand also nicht nur der museale Gegenstand, sondern auch seine historische Persönlichkeitszuordnung ging verloren, da die Sachen wegen der Verschleierung oder in Unkenntnis des Täters, der Händler und Sammler anonym auf den Markt gelangten. Der Rote-Adler-Orden und der Kronenorden sind die preußischen Orden, die in ihren Klassen durch Anbringen von Schwertern, Eichenblättern, Jahreszahlen und Emailbändern für Kriegs- und Zivilverdienste in unzähligen Kombinationen und Varianten verliehen werden konnten. Nach der Liste von 1921 bekam das Zeughaus den fast kompletten Satz. Hier stahl man die historisch bedeutenden Vorläufer des Roten-Adler-Ordens von 1734, 1777 und 1792 und "langte richtig zu", indem man nicht nur die einmalige Original-Kollane veräußerte, sondern nach Möglichkeit die seltensten Kombinationen und Varianten dieser schön anzusehenden Insignie entwendete. So fehlt jetzt zum noch vorhandenen Kreuz I. Klasse mit Eichenlaub in Kombination mit dem Emailband des Königlichen Kronenordens (Abb. 4) der dazugehörige Bruststern. Einige der Händler und Sammler werden wohl hocherfreut über eine derartige "Marktbereicherung" gewesen sein. Trotz der Hilfe und des Einsatzes eines Händlers gelang es während der Ermittlungszeit, nur wenige Stücke "zurückzuholen" (Abb. 5). Wer von den Sammlern und Händlern im Tatzeitraum von 1983 bis 1986 hochwertige Orden, die sonst kaum im Handel auftauchen, erworben hat, sollte sich die Frage stellen, ob die Stücke nicht doch aus den Diebstählen stammen. Die moralischen Grenzen des Sammelns scheinen hier fließend zu sein. Als trauriges Resümee bleibt die Feststellung, daß nicht unmittelbare Kriegszerstörungen oder Verluste durch Abtransporte der Alliierten eine der bedeutendsten Ordenssammlungen in Deutschland zerstört haben, sondern durch Geld-, Raff- und Sammelgier einzelner ein Kulturfrevel begangen worden ist. Bedingt durch die wohl unwiederbringlichen Verluste ist der historische Wert der Sammlung derart eingeschränkt und zerstört, daß die noch vorhandenen Dekorationen der Öffentlichkeit für Studien-, Vergleichs- und Veröffentlichungszwecke nicht zur Verfügung gestellt werden können.