Politische Broschüren
im Kalten Krieg
1967 bis 1963
(von Klaus Körner) |
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"SBZ von
A-Z"
- gesamtdeutsche Broschüren? |
Im
Juli 1950 brachte der Propagandachef der DDR, Gerhart Eisler, eine Broschüre heraus, in
der behauptet wurde, die Amerikaner hätten Kartoffelkäfer über der DDR abgeworfen, um
die Kartoffelversorgung der DDR zu stören. Auf dem Umschlag kriechen blauweiß-rote
Kartoffelkäfer auf grünen Bahnen nach Osten, wo sie auf eine Schranke stoßen:
"Halt, Amikäfer!" lautet die Beschriftung. Die Vorwürfe waren frei erfunden.
Aber in der NS-Zeit hatte es auch schon Gerüchte über den angeblichen Abwurf von
"Ami-Käfern" gegeben, woran sich viele noch erinnerten. Amerikanische Stellen
verlangten von Bonn Gegenmaßnahmen.
In der Bonner Ermekeilkaserne trafen sich Anfang August
Mitarbeiter einer schwarzen Abteilung des Pressereferats des Gesamtdeutschen Ministeriums
mit amerikanischen Geheimdienstleuten. Man kam überein, als Scherzartikel
Kartoffelkäfernachbildungen aus Pappe mit aufklärerischen Politsprüchen und dem
"F" für "Freiheit" auf der Rückseite zu versenden. Etwa 50
Kartoffelkäfer ließen sich auf einen postkartengroßen Pappbogen drucken und stanzen.
Ein Teil der Bogen wurde mit der Post an sämtliche Räte der Gemeinden der DDR geschickt.
Der Rest wurde ausgestanzt und dann mit Ballons über der DDR abgeworfen. "Die
Schulkinder sollten beim Kartoffelkäfersammeln ja auch etwas geistige Nahrung
finden", erläutert ein Teilnehmer das Unternehmen. Später konstituierte sich das
Kartoffelkäfer-Team zur F-Aktion, "Freiheit", Aktion der Jugend".
Bekannteste Schrift dieser Außenstelle des Gesamtdeutschen Ministeriums ist das
Taschenlexikon "Argumente und Zitate aus sowjetischen und sowjetdeutschen Quellen.
Zusammengestellt als Material für die Auseinandersetzung mit dem Stalinismus".
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Die Entstehungsgeschichte
des Volksbundes und der F-Aktion ist typisch für
das Jahr 1950. Als sich das Gesamtdeutsche Ministerium
nach Anfangsschwierigkeiten im Herbst 1950 daranmachte,
eigene Veröffentlichungen herauszubringen, fand
es bereits zahlreiche Organisationen vor, die Kampfliteratur
jeder Art zu gesamtdeutschen Fragen produzierten.
Staatssekretär Thedieck war nun bemüht, sich einerseits
des Sachverstands und der Organisationskraft dieser
Stellen zu bedienen und sie gleichzeitig unter die
Kontrolle des Ministeriums zu stellen. So gab das
Ministerium die vom "Untersuchungsausschuß
freiheitlicher Juristen" zusammengestellten
Weißbücher "Unrecht als System" heraus.
Die Redaktion der Zeitschrift "Tarantel"
durfte zwei für den Versand in die DDR bestimmte
Anekdotensammlungen "Die Sowjetzone flüstert
... Die Sowjetzone lacht!" und "Ex oriente
Sowjet-Luchs", herstellen. Das Ministerium
erschien auch als Herausgeber der Taubert-Schrift
"Augen auf". Der Pressesprecher der "Kampfgruppe
gegen Unmenschlichkeit", Hasso Graf, schrieb
eine Broschüre über "Die Kasernierte Volkspolizei
in der sowjetischen Besatzungszone".
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Der Verlag
Kiepenheuer & Witsch entwickelte sich zu einer
Art Hausverlag des Ministeriums. "Was von der
Sache und auch vom Geschäft her nützlich, aber für
das Etikett K&W nicht anspruchsvoll genug aussah",
so Verlagslektorin Carola Stern, sei im Nebenverlag
der "Roten Weißbücher" und später im "Verlag
für Politik und Wirtschaft" erschienen: Agitationsschriften
über das sowjetische Herrschaftssystem, insbesondere
in der "Zone", Lagerberichte entlassener
Stalinopfer, Erlebnis- und Erfahrungsberichte enttäuschter
und verbitterter Exkommunisten, sehr unterschiedlich
in der Qualität.
Das Ministerium gab auch eine Reihe
bewußt seriös gestalteter Weißbücher heraus, etwa über Wahlfälschungen und
Wahlbehinderungen in der DDR, die Bemühungen der Bundesrepublik um gesamtdeutsche freie
Wahlen oder die Enteignungen in der DDR. Als Verlag wurde dann der "Deutsche
Bundes-Verlag" in Köln angegeben. Longseller des Ministeriums war das Taschenlexikon
"SBZ von A-Z", das in elf Auflagen fast in einer Million Exemplaren verbreitet
wurde. Das Ministerium ließ zudem von zahlreichen Büchern kartonierte Sonderausgaben
herstellen. Obwohl es sich im Laufe der Zeit um größere Seriosität seiner Schriften
bemühte, hing ihm der Ruf an, eine Art Broschürenministerium oder
"Propagandaministerium gegen Pankow" (Walter Dirks) zu sein. Staatssekretär
Thedieck will das jedoch so nicht gelten lassen: "Aber nein, 80 oder 90 Prozent der
Dinge, die wir gefördert haben, hatten nichts mit bedrucktem Papier zu tun."
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