Das
zweite große außenpolitische Thema der 50er Jahre war die Frage der Wiederbewaffnung.
Die Schaffung einer neuen deutschen Wehrmacht war das Letzte, was sich die Westdeutschen
1950 wünschten. Als Bundeskanzler Adenauer nach Ausbruch des Korea-Krieges die
Bereitschaft der Bundesrepublik bekundete, einen militärischen Beitrag zur Verteidigung
Westeuropas zu leisten, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. "Ohne mich!",
lautete die Reaktion. Doch Adenauer verließ sich auf die alte Erfahrung, daß man die
Deutschen an vieles gewöhnen könne, wenn man ihnen nur Zeit lasse. Wichtigstes Medium
der Werbung für neue Streitkräfte waren Soldatentreffen, auf denen für eine
Rehabilitierung der alten Wehrmacht geworben wurde. "Armee ohne Pathos. Die deutsche
Wiederbewaffnung im Urteil ehemaliger Soldaten", so lautetet der Titel einer
Werbeschrift, die Adalbert Weinstein im Auftrag der Bundesregierung zusammengestellt
hatte. Für die Wehrwerbung gründete Staatssekretär Lenz die "Arbeitsgemeinschaft
Demokratischer Kreise", die ehemalige Soldaten zu Diskussionsveranstaltungen einlud.
Die Oppositionspartei SPD reagierte unentschieden. In ihrem "Rotbuch" von 1951:
"Unter sowjetischem Befehl. Remilitarisierung und Aufrüstung in der
Sowjetzone", prangerte sie die Aufstellung einer "kommunistischen
Satellitenarmee" an, wollte aber die Schlußfolgerung daraus nicht ziehen, dagegen
eine Westarmee aufzubauen. Die Beschwörung der "roten Gefahr" war dann auch ein
wichtiges Argument der Regierungswerbung. In einer Plakatserie wurde ein Rotarmist vor dem
Kölner Dom, dem Hamburger Michel oder der Münchner Liebfrauenkirche gezeigt; der
Plakattext dazu stellte die Frage: "Er ist bewaffnet, wollt Ihr ihn hier
haben?".
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Die Mehrzahl der Broschüren
gegen die Remilitarisierung stammt aus der DDR.
Schon 1949 hatte Gerhart Eisler in einer Tarnschrift
"Juchhe, nach Amerika!" gefordert, die
deutsche Jugend vor den "amerikanischen Schlachthausplänen"
mit allen Mitteln zu verteidigen. Der General- oder
Deutschlandvertrag von 1952 hieß für die deutschen
Kommunisten nur "Generalkriegsvertrag".
Die Bemühungen der DDR-Agitation konzentrierten
sich auf Veranstaltungen und Schriften von Tarnorganisationen,
die mit nationaler, pazifistischer oder neutralistischer
Rhetorik argumentierten. Doch auch sie scheiterten
teils an der politischen Lethargie der Westdeutschen,
teils an der "Aufklärungsarbeit" des Volksbundes
und der SPD. Der Juni-Aufstand von 1953 tat ein
übriges, um die DDR vollständig zu diskreditieren.
Adenauer wertete seinen Wahlsieg 1953 auch als Votum
für den Wehrbeitrag. Als die Westverträge 1955 in
Kraft traten, führte das nicht zum Krieg, sondern
zu einer neuen Phase der Entspannungspolitik ("Geist
von Genf"). Jetzt setzte aus Mitteln des Bundeshaushaltes
eine massive Verteidigungswerbung mit Plakaten,
Broschüren und Anzeigen ein. 1956 war der Widerstand
gegen die Wiederbewaffnung gebrochen.
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