Der Kalte Krieg
und der deutsche Film
(von Rainer Rother) |
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Grenzgänger |
Ein erstes Ergebnis des Kalten Krieges im Bereich des Films war, daß von einem
deutschen Film die Rede nicht mehr sein konnte. Im Unterschied zu dieser Entwicklung gab
es in der frühen Nachkriegszeit durchaus "Grenzgänger", die mal im Westen, mal
im Osten arbeiteten.
Der Regisseur Wolfgang Staudte ist der
vielleicht bekannteste Fall, aber auch Falk Harnack arbeitete bei "Das Beil von
Wandsbeck" in der DDR. Erich Engel inszenierte zwei der frühesten
DEFA-Filme, "Affäre Blum" und "Der Biberpelz", arbeitete dann bei
zehn Filmen in der BRD und realisierte 1958 seinen letzen Film, "Geschwader
Fledermaus", wieder in der DDR. Kameramänner waren ebenso wie Schauspieler und
Autoren beiderseits der Grenze tätig, schon weil es viele Produktionsstätten und
Beschäftigungsmöglichkeiten anfangs gar nicht gab.
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Zunehmend wurde dies
jedoch mit offiziellem Argwohn betrachtet oder als
Element der Propaganda benutzt. So auch im Fall
Henny Portens, die während des
Nationalsozialismus kaum Filmengagements erhielt,
weil sie sich nicht von ihrem jüdischen Ehemann,
Dr. von Kauffmann, trennen wollte. Sie konnte in
Westdeutschland nur in einem Film mitwirken und
als sie danach wieder drehte, geschah dies bei der
DEFA. Ihre beiden letzen Rollen gaben den Filmen
ihren Titel: "Carola Lamberti - eine vom Zirkus"
und das "Fräulein von Scuderi" (1954/55).
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Ihr Entschluß, mitten
im Kalten Krieg "rüber" zu gehen (eine
erste Drehbuchbesprechung fiel zudem in die Tage
des Aufstands vom 17. Juni), brachte ihr im Westen
Vorwürfe ein, aber es erschienen auch einige wenige
abschwächende Artikel. Sie blieb unbeirrt: Sie wollte
spielen, und daß es keine Propagandafilme sein dürfen,
hatte sie sich ausbedungen. Für die DDR waren es
trotzdem zwei Prestigeobjekte. Der "Werbehelfer"
empfahl Carola Lamberti: Ein DEFA-Film gedreht von
einem westdeutschen Regisseur nach dem Drehbuch
eines westdeutschen Autors - in der Hauptrolle Hennry
Porten; beide Filme begleitete ein viersprachiger
Prospekt vom VEB-DEFA-Außenhandel. (Helga Belach
- Henny Porten. Der deutsche Filmstar, Berlin 1986,
S. 146)
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Regie führte Hans Müller,
das Buch schrieb Arthur Kuhnert. Immerhin erlebten
beide Filme ihre Uraufführung in der BRD mit nur
geringer Verzögerung gegenüber der DDR-Premiere.
Im Falle Staudtes war dies nicht
so einfach; "Rotation", noch vor der Gründung
der DDR am 16. September 1949 uraufgeführt, erlebte
seine bundesdeutsche Premiere erst im August 1957;
und "Der Untertan", am 31. August 1951
in der DDR gestartet, kam erst am 8. März 1957 offiziell
in bundesdeutsche Kinos, in einer um zwölf Minuten
gekürzten Fassung. Die heute absurd anmutenden politischen
Bedenken gegen diesen Film, die ihm den Weg in den
Westen lange Zeit versperrten, paßten ganz in die
damalige Frontstellung. So schrieb "Der Spiegel"
am 12. Dezember 1951: "Der Untertan" ist
ein Paradebeispiel ostzonaler Filmpolitik: Man läßt
einen politischen Kindskopf wie den verwirrten Pazifisten
Staudte einen scheinbar unpolitischen Film drehen,
der aber geeignet ist, in der westlichen Welt Stimmung
gegen Deutschland und damit gegen die Aufrüstung
der Bundesrepublik zu machen. Der Film läßt vollständig
außer acht, daß es in der ganzen preußischen Geschichte
keinen Untertan gegeben hat, der so unfrei gewesen
wäre wie die volkseigenen Menschen unter Stalins
Gesinnungspolizei es samt und sonders sind. (zitiert
nach Egon Netenjakob - Ein Leben gegen die Zeit,
in: Eva Orbanz, Hans Helmut Prinzler (Hg) - Staudte,
Berlin 1991, S. 43)
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Umgekehrt hatten es
die Filme, die Staudte im Westen realisierte, nicht
einfacher. Auf eine traurige Weise logisch ist es,
daß bei Staudtes westdeutschem Film ostdeutsche
Kritiker - ähnlich wie westdeutsche Kritiker es
bei den DEFA-Filmen getan haben -, nach den bösen
Auswirkungen des anderen Gesellschaftssystems suchten,
anstatt hinzusehen. Klaus-Norbert Scheffler zum
Beispiel polemisiert erst gegen westdeutsche Klassiker-Modernisierungen
im Allgemeinen (sein Schimpfwort-Reservoir: "Europäertum",
"Kosmopolitismus", "amerikanischer
Lebensstil", "politische Demagogie")
und dann speziell gegen die "Verflachungen"
und die "in der Gesamtkonzeption nicht zu übersehende
Propaganda gegen den Osten" in "Staudtes
peinlicher Fehlleistung". Diese Urteile galten
"Rose Bernd", der in der DDR nicht verliehen
wurde. Die Grenzgänger konnten, für eine kurze Zeit,
hier und dort arbeiten, aber es war eine Illusion,
daß sie "deutsche Filme" machen konnten,
wie es sich z.B. Staudte gewünscht hatte - sie stellten,
gegen ihren Willen, west- oder ostdeutsche Filme
her, die oft nur in dem jeweiligen Teilstaat zu
sehen waren.
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