Der Kalte Krieg
und der deutsche Film
(von Rainer Rother) |
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Einreisevisa |
Nicht nur gegen die Produkte von drüben
mußten jedoch die Grenzen möglichst undurchlässig gemacht werden, auch was hüben, auf
Freundesseite also, hergestellt wurde, fand während des Kalten Krieges nicht immer, oder
wenigstens nicht immer vollständig, den Weg ins Kino. Die mit dem Kriegsende einsetzende Synchronisation,
gängige Praxis der Präsentation ausländischer, vor allem amerikanischer Filme,
ihrerseits durch geschäftliche Interessen der Filmindustrie insbesondere der USA
mitveranlaßt, gab die Möglichkeit an die Hand, aus den Stories neue Bedeutungen zu
gewinnen. Besonders bekannt wurden die Eingriffe, die Michael Curtiz' Film
"Casablanca" und Hitchcocks "Notorius" widerfuhren. In beiden Fällen
wurden offenbar als störend empfundene Hinweise auf die Machenschaften einerseits der
Gestapo in "Casablanca", andererseits der nach dem Krieg in Südamerika
untergetauchten Nazis getilgt, und beide Male entstanden "Krimis", denen jede
politische Implikation ausgetrieben worden war.
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Noch
eingreifender ging der deutsche Verleih mit einem Film um, der von seinem Thema eigentlich
hätte erwarten lassen, daß er auch ohne Veränderungen der politischen Situation
angepaßt gewesen wäre. Doch George Setons "The Big Lift"
erzählt nicht nur von der Luftbrücke, mit der die Blockade Berlins überwunden wurde. Er
verfügt über einen Subtext, der für das amerikanische Publikum entscheidend war und der
dem deutschen offenbar nicht zugemutet werden konnte. "The Big Lift"
organisiert, in der Form eines Unterhaltungsfilmes, mit spannenden, vor allem aber auch
mit sehr komischen Elementen, die Umorientierung des Feindbildes.
Die Deutschen, nun Bündnispartner, die
Russen, nun die Feinde - um das darzustellen bemüht der Film den Gegensatz zwischen einem
jungen, arglosen Luftwaffenfunker (gespielt von Montgomery Clift) und seinem erfahrenen
Freund, der in Tempelhof an der Radaranlage arbeitet und die einfliegenden
"Rosinenbomber" sicher hinunter geleitet (ihn spielt Paul Douglas). Während
Clift sich in eine deutsche Frau aufrichtig verliebt (von der sich im Film herausstellt,
daß sie ihn nur benutzen will, um in die USA zu kommen, wo ihr deutscher Geliebter schon
auf sie wartet), behandelt Douglas alle Deutschen, einschließlich seines
"Fräuleins", mit Verachtung und rüder Aggressivität. Seine Erfahrungen mit
Deutschen sind die schlechtesten, er wurde in einem Gefangenenlager gepeinigt, sein
Mißtrauen bleibt. Allmählich beginnt er jedoch, noch vor Clift, einen Lernprozeß, in
dessen Verlauf er die Unterschiedlichkeit der Deutschen wahrnimmt, sie nicht länger
pauschal als eine Volk von Verbrechern ansieht. Clift seinerseits, der den Betrug seiner
Freundin am Ende noch rechtzeitig durchschaut, gewinnt ein weniger naives, und damit ein
"realistischeres" Bild von den Deutschen.
Für die amerikanische Öffentlickeit
arbeitet der Subtext des Films mit Verweisen, die auf einen anderen besiegten Gegner
zielen: der Überraschungsangriff der Japaner auf Pearl Harbour, die japanische
Kriegsgefangenschaft sind die Menetekel, die vor einem neuen Feind, dem ebenfalls alles
zuzutrauen sei, warnen sollen. Damit wird das Bild des ehemaligen Feindes differenziert,
doch zugleich exponiert die Handlung, wenn auch nicht in vollem Ernst (denn "The Big
Lift" bleibt ein Unterhaltungsfilm), den neuen Feind.
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Diese Bezüge
blieben dem deutschen Publikum verborgen. Allenfalls die Korrespondenten-Berichte von den
Aufführungen in den USA oder England - hier finden vor allem die deutschen Darsteller
Cornell Borchers, Bruni Löbel, O. E. Hasse Interesse - lassen von der diffizielen
Ausrichtung des Films kaum noch etwas ahnen. Die deutsche Version
eliminiert den schnöden Verrat an dem naiven Amerikaner, die Frau ist hier nicht mit
jener taktischen Raffinesse ausgestattet, statt dessen gibt es ein happy end. Diese
Veränderung des ursprünglichen Filmes wurde in der Presse nicht einmal erwähnt -
vergleichbar den Fällen "Casablanca" oder "Notorius", deren Umdeutung
ebenfalls nicht moniert wurde.
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