Der Kalte Krieg
und der deutsche Film
(von Rainer Rother) |
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Grenzposten |
Den Verkehr über die Grenze kontrollierten
staatliche Institutionen in Ost und West. So kam kaum einer der Filme, die sich thematisch
mit dem Kalten Krieg befassen, im jeweils anderen Staat zur Aufführung. War die Filmproduktion
der DEFA wie das Verleihangebot in der DDR ohnehin stark abhängig von den
Entscheidungen der Partei und dementsprechend auch überwacht, so trat in der BRD der
"Interministerielle Prüfungsausschuß für Ost/West-Filmfragen" in diese
Funktion ein. Es finden sich in der Literatur auch Hinweise auf die Tätigkeit eines
"Interministeriellen Bürgschaftsausschusses", der ebenfalls im Sinne
politischer Zensur tätig geworden sei. Er sollte auch kleineren und mittleren Produzenten
die Herstellung von Filmen über die Gewährung von Bundesbürgschaften ermöglichen. Doch
ließ dies auch die Kontrolle über mißliebige Stoffe etc. zu: |
Die Produzenten, die
sich um eine Bürgschaft bemühten, werden angehalten,
das Drehbuch, den Kostenvoranschlag, sowie sämtliche
Verträge zur Begutachtung vorzulegen und während
der Dreharbeiten ihre Ateliers den Inspekteuren
der Revisions- und Treuhand AG zu öffnen. (Klaus
Kremeier - Kino und Filmindustrie in der BRD, Kronberg
1973, S. 189)
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In Kreimeiers
Sicht offenbart sich hier der "Einfluß der Monopolbourgeoisie", allerdings sind
seine Beispiele mitunter nicht unproblematisch. Als besonders skurrilen Fall führte er
an:
So wird Harald Brauns Film "Das Herz der Welt"
(1952), einer Biographie der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Sutter, die
Ausfallbürgschaft verweigert, weil sogar sein verschwommener, stark religiös bestimmter
Pazifismus als der herrschenden militärischen Ideologie abträglich erscheint; der
Hamburger Real-Film, der auf legalem Wege den Geschäftsverkehr mit der DDR aufgenommen
hat, werden die Kredite mit dem Hinweis gesperrt, es bedürfe keiner näheren Begründung,
daß und warum die Bundesregierung Bürgschaften für solche Unternehmer nicht übernehmen
kann, die nicht in der Lage sind, schlüssig nachzuweisen, daß sowohl sie selbst wie auch
ihre leitenden Angestellten auf dem Boden der demokratischen Grundordnung der
Bundesrepublik stehen ... ; ein Filmprojekt der Hamburger Kamera-Gesellschaft, für dessen
Realisierung Wolfgang Staudte verpflichtet wurde, wird durch ein Telegramm des
Bundesinnenministeriums mit dem Wortlaut "Zustimmung nur, wenn Staudte unbefristet
erklärt, nicht wieder bei der DEFA zu drehen" zunichte gemacht. (ebda, S. 189f)
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Im Fall von "Herz
der Welt" scheint eine Legende vorzuliegen:
Der Film "Herz der Welt" wurde auch in
der DDR gezeigt. Er wurde dort mit einem Prolog
versehen, der von dem bedeutenden Schauspieler Eduard
von Winterstein gesprochen wurde. Darin heißt es,
daß der Bonner Regierung dieser humanistische Film
unerwünscht sei, denn sie unternehme alles, der
Öffentlichkeit diesen Film vorzuenthalten. (...)
Harald Braun teilte übrigens von Winterstein in
einem freundlichen Brief vom 1. Juli 1954 mit, daß
sein Film mit Hilfe staatlicher Bürgschaften hergestellt
worden und auf der Berlinale 1953 mit dem offiziellen
Regierungspreis für gesinnungsbildene Filme ausgezeichnet
worden sei. Winterstein möge dies bitte den betreffenden
Stellen in der DDR mitteilen. Dieser Vorgang führte
dazu, daß der Interministerielle Prüfungsausschuß
für Ost/West-Filmfragen anregte, in alle Verträge
mit der DDR solle der Passus aufgenommen werden,
"ein Film dürfe nur ohne sinnverändernde und
sinnentstellende Zusätze dort aufgeführt werden".(Walter
Euchner - Unterdrückte Vergangenheitsbewältigung:
Motive der Filmpolitik in der Ära Adenauer, in:
Gegen Barberei. Essays Robert M. W. Kempner zu Ehren.
Herausgegeben von R. Eisfeld und J. Müller, Frankfurt/Main
1989, S. 350)
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Summarisch
beurteilt Euchner die Tätigkeit des Bürgschaftsausschusses als in der Regel nicht von
politischen Gesichtspunkten motiviert - "schlugen sie aber durch, so zeigten sich
freilich die alten ideologischen Orientierungsmuster".
Anders sah die Arbeit des Interministeriellen
Prüfungsausschusses aus; seine Arbeit als westlicher Grenzposten war politisch
motiviert und kann als willkürlich bezeichnet werden. 1950 verfügte der damalige
Bundesminister Lehr, Filme der DEFA dürfen nur mit seiner Zustimmung vorgeführt werden;
an die Stelle dieses Ukas trat 1954 besagter Ausschuß, von dessen Entscheid es abhing, ob
ein Film aus der DDR oder anderen sozialistischen Ländern, den "Ländern hinter dem
eisernen Vorhang" in der Bundesrepublik zur Aufführung gelangen durfte oder nicht.
Die Tätigkeit dieses Ausschusses, und ebenso die der 1949 gegründeten "Freiwilligen
Selbstkontrolle der Filmwirtschaft" (FSK), kann aus heutiger Sicht nur überaus
skeptisch beurteilt werden. 1963 wies Reinhold E. Thiel in "Die Zeit", ein Jahr
später erneut in "Die Filmkritik", darauf hin, daß die Arbeit des Ausschusses
verfassungswidrig sei.
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Das Gesetz zur Überwachung
strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote
vom 24. Mai 1961 in Verbindung mit der Durchführungsverordnung
vom 12. Oktober 1961 schreibt vor, daß jeder aus
den sogenannten Ostblockstaaten einzuführende Film
dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft vorgelegt
wird. Dieses Amt verweigert die Einfuhrerlaubnis,
wenn der Film geeignet ist, "als Propagandamittel
gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung
oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung
zu wirken". Der Interministerielle Ausschuß
wird im Gesetz nicht erwähnt, der Wirtschaftsminister
hat vielmehr das Bundesamt angewiesen, den Ausschuß
hinzuzuziehen, wie er auf eine kleine Anfrage der
SPD erlärte. In der Praxis ist das Bundesamt nur
Vollstreckungsgehilfe, die eigentlichen Entscheidungen
trifft der Ausschuß: ein anonymes Gremium ohne Verfahrensordnung,
daß seine Entscheidungen nicht begründet und nicht
veröffentlicht. Dieses Verfahren erfüllt den Tatbestand
der Zensur, weil eine Instanz der Exekutive über
die Zulässigkeit der "Verbreitung eines Geisteswerkes"
befindet. (Reinhold E.Thiel - Obrigkeitszensur und
Gruppenzensur, in: Filmkritik Nr. 2, 1964, S. 68)
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Tatsächlich
wurde 1966 einer Klage vor dem Verfassungsgericht stattgegeben und der Interministerielle
Ausschuß stellte seine Wachpostenarbeit ein.
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