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Der Kalte Krieg
und der deutsche Film
(von Rainer Rother)

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Berlin Tiergarten
Auf der Flucht ertappt - "Tunnel 28"                   

Ein Auto jagt die Straße entlang, in ihm ein Mörder auf der Flucht vor der Polizei. Die Straße führt durch eine Ödnis - noch heißt sie nicht "Straße des 17. Juni", nicht mehr "Siegesallee", den der Film "Die Spur führt nach Berlin" ist von 1952. Im Tiergarten spielt auch eine Szene aus "The Big Lift". Dort gehen Cornell Borchers und Montgomery Clift spazieren. Sie bemerkt traurig, das hier einmal Bäume standen und daß die Berliner an den Wochenenden gern hierher kamen. Dann wird Clift auf die Skulpturen aufmerksam, die früher die Siegesallee schmückten. Er weiß mit ihnen nichts anzufangen, fragt deshalb bei seiner Freundin nach: Die erzählt ihm, wozu sie dort einmal aufgestellt wurden - aber als Clift etwas spöttisch sagt, nach "Sieg" sehe das alles nicht mehr aus, können die Zuschauer eine zornige, allerdings sofort unterdrückte Reaktion der Frau bemerken, die sie fortan von deren guten Absichten nicht mehr ganz überzeugt sein läßt.

                              

Der Tiergarten, ja, das ganze Berlin wirken in diesem Film nicht als Kulisse, denn dieser ist bemüht, die sichtbare Zerstörung für die Glaubwürdigkeit einer Story zu mobilisieren - er behandelt sie fast dokumentarisch.

Anders in "Die Spur führt nach Berlin": hier wirkt der Tiergarten durchaus kulissenhaft, so gut paßt er als Umgebung für diese Verfolgungsjagd und von der Siegessäule aus gesehen macht sie großen Effekt. Am Ende findet der Showdown im Reichstag statt, dessen Ruine wiederum wie ein Film-Ort wirkt, mit den Graffitti an den Wänden, den Schuttbergen im Innern und den Einschußlöchern auf dem Dach.

                          

Im deutschen Film wirken die Schauplätze fast wie gefälscht, denn hier steht die Spannung der Story im Vordergrund und legt sich wie ein Schleier über die Trümmer. Wo denn könne die Geldfälscher-Bande ihr Unwesen treiben, wenn nicht in einem fast zerstörten Haus, dessen Keller zur geheimen Zentrale ausgebaut wurde? Das Genre triumphiert. Produktionen aus der Bundesrepublik zeigen oft diese Nähe zum Genre, sie versuchen, das Thema in Action aufzulösen, um der vermuteten Unverkäuflichkeit des ungeliebten Sujets zu entgehen. Sie befolgen damit eine Strategie, die auch Hollywood in seine Storys zum Kalten Krieg häufig anwandte.

       

Die Auflösung in Action ist den Filmen seinerzeit oft vorgehalten worden, da sie sich dem Ernst des Themas damit entzogen hätten. Doch sind diese Filme durch die unterschwelligen Voraussetznungen für ihre Action durchaus politisch, insbesondere die Fluchtgeschichten, die sich um Begründungen nicht scheren mußten: daß jeder aus der DDR fliehen wollte, davon gingen die Filme schlicht aus.

Wäre es nicht ohnehin in einige Dialoge eingearbeitet ("man müsse raus aus diesem Gefängnis, es sei kein Leben möglich in einem Käfig"), so gäben es allein die erzählten Storys preis: Westdeutschland produzierte Gefängnisfilme, Genrekino mit weltpolitischer Bedeutung. So wie jeder Gefangene das Verlangen hat, frei zu sein, unterstellt der Westen den DDR-Bürgern selbstverständlich Gleiches. Der Übertritt in den Westen, weil legal nicht möglich, muß so zur Flucht werden. Aus ihr, die aus Bewegung besteht, wird Kino-Aktion. (Rolf Aurich, a.a.O., S.32)

              

Schon der vielleicht erste bundesdeutsche Film mit einer Fluchtgeschichte handelt von einer Massenflucht. "Postlagernd Brieftaube", 1952 von Gerhard T. Buchholz inszeniert, läßt die Bewohner eines Mietshauses alle nach dem Westen fliehen. Sie bekommen einen Warnbrief zugeschoben, fühlen sich nun in Gefahr, überwacht; es bleibt nur eines, die Flucht. Dabei handelt es sich um eine gefälschte Warnung, der Hauswart hat sie verschickt, weil er von seiner Schwester aus dem Westen, die zu Besuch ist, zu hören bekommt, das jeder, der solch einen Brief bekommt, fliehen werde - und es nicht glauben will. Der Film ist ein Machwerk, aber Buchholz, der auch zu "Weg ohne Umkehr" (1953, Regie Victor Vicas) das Drehbuch schrieb, formuliert eine Figur, die weiterverwendet wird. Auch in den späten, nach dem Mauerbau entstandenen Filmen "Tunnel 28" (1962, Regie Frank Wisbar) genügt der Entschluß von einem, damit viele folgen - in den Westen.

                                   

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