Der Kalte Krieg
und der deutsche Film
(von Rainer Rother) |
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Stalin Allee und
Brecht |
Dagegen sind die Filme über das Thema
"Republikflucht" redselig, sie müssen argumentieren, um das Dableiben
zu propagieren, so das ihnen Actionmomente ganz fehlen. Im Redeschwall und
Begründungszwang dieser Filme zeigt sich die Defensive besonders deutlich. "Roman
einer jungen Ehe" (1951, Regie Kurt Maetzig) ist hier der erste Film, auch
er findet später eine variierte Formel. Ein junges Schauspielerehepaar macht nach dem
Krieg harte Jahre durch in Berlin. Die Teilung, die näher rückt und dann vollzogen wird,
sie trennt auch die Liebenden. Denn er will spielen, Karriere machen, wofür er seine
Ideale zu opfern bereit ist. Sie wirft ihm das vor, und so scheinen sich die Wege in
Richtung Westen und Osten zu trennen. Doch während sie, im FDJ-Hemd, bei der Einweihung
eines der Häuser in der Stalin-Allee ein Gedicht auf den Namenspatron der Straße
vorträgt, erfährt er im Westen die Schlechtigkeit dieses Systems, das doch nur auf
Militarisierung aus ist.
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So zerstieben seine
falschen Illusionen, während sich ihre Ideen bewähren.
Wichtig an diesem, ebenfalls schlechtem Film, ist
die Kopplung einer Liebesgeschichte mit
der Alternative Weggehen oder Dableiben.
Wer nämlich "rüber macht", der läßt eine
große Liebe zurück. Meist allerdings kommt es nicht
dazu, kann das Schlimmste, nämlich die Trennung,
noch einmal abgewendet werden. So geschieht es in
Heiner Carows "Das Leben beginnt" (1959),
in Maetzigs "Septemberliebe" (1962), in
Vogels "... Und deine Liebe auch", in
Thiels "Der Kinnhaken" (1962). Der Mauerbau,
auch schon die Jahre vorher, bringen eine Häufung
dieser Filme, in Ost wie West. Zwischen 1959 und
1964 entstehen mindestens acht Filme mit expliziter
Kalter-Kriegs-Thematik in der DDR, sieben in der
BRD. Offenbar wurden die Spannungen so stark, das
auch der Film sich nicht länger in dem von Friedrich
Luft beklagten Abseits halten mochte.
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Kaum war Brecht
tot, wurde er für den "Staat der Arbeiter und Bauern" vereinahmt, auch im Film.
Daß Hans einen im Grunde guten Charakter hat, trotz zweifelhafter Westkontakte und des
Abwerbungsversuchs als Spion, signalisiert in Maetzigs "Septemberliebe"
(DDR 1960) die schöne Erstausgabe eines Buches von Brecht, das er besitzt und das die
liebe Franka bestaunt. Mag Hans auch etwas dekadent solche Kostbarkeiten sammeln wie
Öllampen, daß er Brecht schätzt, erweist: Er steht auf der richtigen Seite. Deswegen
kann Franka, die keinerlei Verständnis aufbringen kann für die Ängste, die Hans nun
hat, weil er sich ertappt glaubt, ihm auch helfen, indem sie ihn an die Stasi verrät. Sie
nämlich, voller Vertrauen zu Hans wie zum Staat, wendet sich an einen Offizier, der wie
der nette Stasi-Onkel von nebenan wirkt, um den Geliebten zu retten. Eine ganz
unverhohlene Propagierung staatstreuen Verhaltens.
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Wer Brecht
nicht mag, dem dagegen ist zu mißtrauen. In Carows "Das Leben beginnt"
(1969) gilt das für den Westler, den Cousin aus reichem Haus, mit dem die nach Westberlin
geflohene Erika nun geht - er steht auf der falschen Seite. Das zeigt sich unter anderem
nach einer Aufführung des Berliner Ensembles. Es gab "Mutters Courage und ihre
Kinder", Helene Weigel spielt die Hauptrolle. Er lobt recht blasiert das Können der
Schauspieler, geht aber aufs "Inhaltliche" gar nicht ein; das diskreditiert ihn.
"Brecht" als Nagelprobe: eine rethorische Figur aus DDR-Filmen. Eine andere
aktiviert Carow auch (und mit ihm tun das fast alle Regisseure, die Teile des
"Westens" zeigen): Der Cousin nämlich ist zynisch, reich und veranwortungslos.
Immer wieder gibt es diesen Zynismus, gegen den die Moral gestellt wird, den Reichtum, der
gegen die Heimeligkeit der kargen Küchen nicht bestehen kann, die
Verantwortungslosigkeit, über die Prinzipienfestigkeit triumphiert.
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6/9
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