Nachdem die Bemühungen
um eine kooperative Nachkriegsordnung aber erst
einmal gescheitert waren, war die Schaffung zweier
Blocksysteme mit je eigener Militärstruktur ziemlich
unvermeidlich. Das ergab sich aus der Logik des
Sicherheitsdilemmas: Wenn sich Ost und West gegenüberstanden,
ohne durch eine gemeinsame Sicherheitsstruktur miteinander
verbunden zu sein, dann konnte weder die eine noch
die andere Seite je ganz sicher sein, ob die Gegenseite
nicht doch aggressive Absichten hegte. Folglich
trafen beide Seiten Vorkehrungen, um in der befürchteten
Konfrontation bestehen zu können - und bestärkten
sich damit wechselseitig in dem Verdacht, mit aggressiven
Akten der Gegenseite rechnen zu müssen.
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Als die Westmächte
im Zuge ihres Eindämmungsprogramms im Juni 1948
das Startsignal für die Bildung eines westdeutschen
Staates gaben, antwortete Stalin mit der Sperrung
der Zufahrtswege nach Berlin - und bewirkte damit,
daß die Westmächte noch enger zusammenrückten und
verbliebene Widerstände gegen die Weststaatsgründung
überwunden wurden. Die Zündung einer ersten sowjetischen
Atombombe im August 1949 trieb die amerikanischen
Militärs dazu, nun eine konventionelle Präsenz in
Europa für notwendig zu halten. Und der Überfall
des kommunistischen Nordkoreas auf Südkorea im Juni
1950 - von Stalin zugelassen, weil er auf leichte
Beute hoffte und Südkorea nicht zum Westen rechnete
- löste in der westlichen Öffentlichkeit soviel
Furcht vor einem parallelen Vorgehen in Europa aus,
daß die dauerhafte Einbindung amerikanischer Truppen
in eine westeuropäische Verteidigungsstruktur tatsächlich
möglich wurde, ebenso die Einbeziehung der Bundesrepublik
in dieses Verteidigungssystem.
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Das Sicherheitsdilemma
war auch der Hauptgrund dafür, daß der Ost-West-Konflikt
über lange Zeit hinweg virulent blieb, obwohl weder
die eine noch die andere Seite akut aggressive Absichten
verfolgte und der sowjetische Revolutionsanspruch
im mühevollen Kampf ums Überleben immer mehr an
Bedeutung verlor. Daneben arbeitete eine breite
Koaliton "sekundärer Verursacher", die
aus der Konfrontation Nutzen zogen - von einzelnen
Politikern in beiden Lagern bis zu den militärisch-industriellen
Komplexen -, aus Gründen des Machterhalts und der
Legitimation auf einen Fortbestand der Konfliktsituation
hin. Feindbilder, die in der Konfrontation entstanden
waren, wurden zu Selbstläufern, die den Handlungsspielraum
der Verantwortlichen einengten, wenn sie sich um
eine Überwindung der Konfrontation bemühten.
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Zusätzlich erschwert
wurde eine Verständigung durch das Fortwirken traumatischer
Erfahrungen und ideologischer Fixierungen. In den
Augen der kommunistischen Führer war die kapitalistische
Umwelt grundsätzlich feindselig und gleichzeitig
langfristig zum Untergang verurteilt, Bemühungen
um Sicherheitpartnerschaft erschienen ihnen daher
weder aussichtsreich noch letztlich notwendig; es
genügte, die eigenen Bastionen zu behaupten, und
im übrigen auf bessere Zeiten zu hoffen. Die westlichen
Gesellschaften erholten sich nie ganz von dem Schock,
den die Umsturzversuche im Anschluß an die Oktoberrevolution
1917 ausgelöst hatten; und sie blieben auch immer
von dem Trauma geprägt, das die Erfahrung mit der
Appeasement-Politik gegenüber dem nationalsozialistischen
Deutschland für sie bedeutete. Beides gab ihnen
Anlaß, sowjetische Angebote grundsätzlich für suspekt
zu halten.
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Infolge der Unsicherheiten, die sich
aus dem Scheitern der Kooperation ergaben, darf
die NATO durchaus für sich in Anspruch nehmen, zur
Sicherung des Friedens beigetragen zu haben. Das
gleiche gilt allerdings auch für den Warschauer
Pakt. Und beide Paktsysteme müssen sich sagen lassen,
daß die Sicherheit auch zu wesentlich geringeren
Kosten zu haben gewesen wäre und daß das permanente
Streben nach einem nie objektivierbaren "Gleichgewicht"
den Frieden keineswegs sicherer gemacht hat. Nicht
das militärische Gleichgewicht, das genau besehen
nie existierte, und auch nicht die wechselseitige
atomare Abschreckung, die nach der ersten Phase
erdrückender Überlegenheit der USA erst Ende der
60er Jahre zu greifen begann, haben den Übergang
vom Kalten zum Heißen Krieg verhindert, sondern
der Umstand, daß beide Seiten von Anfang an, noch
vor irgendwelchen gezielten Aufrüstungsmaßnahmen,
das Risiko eines bewaffneten Konflikts scheuten.
Die diversen Rüstungsanstrengungen hatten nur den
Zweck, sich der Fortdauer dieses Risikobewußtseins
zu versichern.
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Das Sicherheitsdilemma
war nicht leicht zu überwinden. Um dahin zu gelangen,
war die Fähigkeit vonnöten, sich von den ideologischen
Fixierungen zu lösen und den Realitäten ins Auge
zu sehen, dazu der entschiedene Wille, die Ressourcenvergeudung
des Wettrüstens zu stoppen und der wachsenden Gefahr
der atomaren Vernichtung "aus Versehen"
zu begegnen, die Befreiung von innenpolitischen
Zwängen, die die Verantwortlichen in Ost und West
immer wieder an das Kalte-Kriegs-Schema zurückbanden,
und eine gewisse Risikobereitschaft beim Zugehen
auf den vermeintlichen Todfeind. Weil diese Bedingungen
nicht so schnell zusammenkamen, blieb die Geschichte
des Ost-West-Konflikts auch nach der Blockbildung
vorwiegend eine Geschichte der verpaßten Chancen.
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