Was
die Furcht vor dem amerikanischen Imperialismus
betrifft, so muß man wohl konzedieren, daß die USA
mit dem Zweiten Weltkrieg zur ersten und vorläufig
einzigen Weltmacht aufstiegen. Ihre Industrieproduktion
hatte sich während des Krieges mehr als verdreifacht
und bestritt nun mehr als die Hälfte des Welt-Produktionsvermögens.
Ebenso waren sie strategisch zur führenden Militärmacht
geworden: als Seemacht wie als Luftmacht dominierend
und mit der Atombombe, die im Juli 1945 erstmals
erfolgreich erprobt wurde, über ein Mittel zur Sicherung
ihrer Überlegenheit verfügend, dem andere Mächte
vorerst nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hatten.
Richtig ist zudem, daß sie ihren Einfluß auch weltweit
geltend zu machen suchten. Dabei versuchten sie,
ihre Vorstellungen von liberaler Demokratie soweit
wie möglich durchzusetzen; und sie drängten auf
eine Öffnung der Märkte, die ihnen als unterdessen
stärkste Wirtschaftsmacht der Welt auch am meisten
zugute kommen mußte.
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Imperialistischen Charakter
nahm diese Expansion jedoch nur soweit an, wie es
die Partnerländer versäumten, entsprechenden Widerstand
zu leisten und Gegenmacht zu bilden. Die politische
Absicherung der amerikanischen Expansion krankte
stets daran, daß die amerikanische Öffentlichkeit
wenig geneigt war, die Kosten für die weltweite
Präsenz zu tragen. Schon zur politischen Präsenz
im Nachkriegseuropa mußten die USA daher erst einmal
von den Europäern gedrängt werden. Erst recht war
die militärische Präsenz der USA in der integrierten
NATO-Streitmacht das Ergebnis heftigen europäischen
Drängens, dem die amerikanischen Verantwortlichen
zögernd, spät und auch dann noch halbherzig nachgaben.
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Mit Rücksicht auf die
Fesseln, die die eigene Öffentlichkeit anlegte,
blieb die amerikanische Weltmacht auf kooperationswillige
Partner angewiesen und insofern in ihrer Durchsetzungsfähigkeit
beschränkt; und aufgrund ihrer ökonomischen und
strategische Stärke konnte sie mit Kompromissen
letztlich auch gut leben. Osteuropa, das vorrangige
Interessengebiet sowjetischer Sicherheitspolitik,
war für sie weder strategisch noch wirtschaftlich
von besonderer Bedeutung. Der amerikanische Anspruch
auf eine Revision der Ordnungsverhältnisse, wie
sie die Sowjetunion nach dem Vormarsch der Roten
Armee im östlichen Europa geschaffen hatte, wurde
nie mit besonderem Nachdruck vorgetragen; die Forderung
nach einem "roll back" oder einer "Politik
der Befreiung" erwies sich, wenn es ernst wurde,
stets als Rhetorik.
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