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Was war
der Kalte Krieg?

(von Wilfried Loth)

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Verpaßte Chancen

      

       

Vertan wurde zunächst die Gelegenheit, das Deutschlandproblem trotz aller Divergenzen im Viermächte-Kontrollrat doch noch gemeinsam zu regeln und das Vierzonen-Deutschland so aus der Blockkonfrontation herauszuhalten. Ob dies eine Chance war, muß dahingestellt bleiben, betrachtet man das latente Plakat der SED gegen die NATO, 1959Hegemonialpotential eines vereinten Deutschlands und die politische Unreife der Deutschen wenige Jahre nach dem Ende des Hitlerregimes. Aber daß es eine Möglichkeit war, läßt sich nicht mehr ernsthaft bestreiten. Immer mehr Indizien deuten darauf hin, daß Stalin 1952 bereit war, das Machtmonopol der SED in dem ungeliebten östlichen Teilstaat zu opfern, wenn damit die Aufrüstung der Bundesrepublik verhindert werden konnte. Die Entlassung Deutschlands in die Autonomie schwebte ihm dabei gar nicht vor, eher eine gemeinsame Kontrolle durch die vier Siegermächte nach Potsdamer Muster, die der Sowjetzone zwar die Segnungen des Sozialismus ersparte, zugleich aber die westliche Sicherheitskonstruktion in ihrem empfindlichsten Punkt traf. Neue Quellen, die nach dem Zusammenbruch der DDR zugänglich wurden, erhärten zudem die Gewißheit, daß seine Nachfolger im Frühjahr 1953 noch einmal in die gleiche Richtung gingen. Adenauer hat diese Neutralisierung nicht gewollt und darum nach Kräften hintertrieben (eine Entscheidung, für die es respektable Gründe gibt, die aber gleichwohl fundamentale Bedeutung hatte); und dann gewannen, besonders nach dem gescheiterten Aufstand vom 17. Juni 1953, auch die Anwälte einer Konsolidierung der DDR im sowjetischen Machtsystem immer mehr an Gewicht.

     

Vertan wurde sodann die Möglichkeit - und hier wird man eindeutiger auch von einer Chance sprechen können -, die militärische Konfrontation schon in den 50er Jahren zu entzerren und damit die Eskalation des atomaren Wettrüstens zu bändigen. Sie war insofern gegeben, als die Sowjetunion unter Chruschtschow – atomar immer noch hoffnungslos unterlegen und voller dunkler Vorahnungen hinsichtlich einer Ausrüstung der Bundesrepublik mit Atomwaffen - ernsthaft an solch einer Rüstungsbegrenzung interessiert war. Die Verhandlungen wurden jedoch zunächst von Adenauer torpediert, der die Sowjetunion zuerst zur Preisgabe der DDR zwingen wollte; und dann griff Chruschtschow im November 1958 selbst zu dem untauglichen Mittel der Pression auf Berlin, das die Westmächte zwar endlich an den Verhandlungstisch brachte, zugleich aber einen neuen Rüstungsschub der westlichen Seite in Gang setzte.

    

Flugblatt der Gesamtdeutschen Volkspartei, 1953Nicht nur mit den verschiedenen Berlin-Ultimaten und dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 hat die Sowjetunion die Entspannungsansätze konterkariert. Auch die wiederholten militärischen Interventionen gegen Freiheitsbewegungen im eigenen Machtbereich - 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakai - haben westlichen Entspannungsbemühungen immer wieder einen Schlag versetzt. Das sowjetische Regime war nicht souverän genug, um Entspannungsofferten lange genug durchhalten zu können; statt einen grundsätzlichen Umbau in Angriff zu nehmen, setzen seine Verantwortlichen im Zweifelsfall immer wieder Gewalt zur Konservierung der bestehenden Strukturen ein.

Die Kuba-Krise vom Oktober 1962, ausgelöst durch den sowjetischen Versuch, die strategische Überlegenheit der USA durch die Installation sowjetischer Mittelstreckenraketen auf der Karibik-Insel zu kompensieren, führte zwar allen Beteiligten die Gefährlichkeit des atomaren Wettrüstens vor Augen. Mehr als die Einrichtung des "roten Telefons" zwischen Moskau und Washington und ein erstes Atomteststopp-Abkommen folgte aus dieser Einsicht jedoch vorerst nicht. Vielmehr konzentrierte die Sowjetunion ihre Anstrengungen jetzt darauf, in der strategischen Rüstung und im Aufbau einer weltweit operierenden Seemacht mit den USA gleichzuziehen; die USA aber verstrickten sich zunehmend in den Kolonialkrieg gegen die kommunistische Nationalbewegung in Vietnam.

    

Dieser "schmutzige Krieg" war in besonderer Weise fatal: Entstanden aus einem überdimensionierten Eindämmungsdenken, das die kommunistische Welt als einheitlichen Block sah und jeden kommunistischen Erfolg als Etappensieg nach dem Dominoprinzip betrachtete, hat er aberwitzige menschliche und moralische Verluste gekostet, ehe der Schock über das Ausmaß der dadurch verursachten Katastrophe dem globalisierenden Antikommunismus einen empfindlichen Schlag versetzte. Zu den verpaßten Chancen gehört schließlich auch die mangelnde westliche Konsequenz bei der Verfolgung der Entspannungspolitik. Überzogene Erwartungen an die sowjetische Reformbereitschaft und erneute Ängste vor einer sowjetischen Überrumpelungstaktik führten schon bald nach dem Abschluß der deutschen Ostverträge und des ersten SALT-Abkommens 1972 zu einer Verzögerung der Rüstungskontrollverhandlungen und zur Zurückhaltung bei der Entwicklung des Ost-West-Handels. Als daraufhin die Sowjetführung unter Breschnew der Versuchung zur militärischen Überversicherung nachgab, löste das, beginnend mit dem "Nachrüstungs"-Beschluß von 1979, einen neuerlichen Rüstungsschub aus, der von einer Wiederbelebung der Gestik wie der Rhetorik des Kalten Krieges begleitet wurde.

     

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