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Plakate als Spiegel des Theaterlebens

Analog zu den Spielplänen der Theater in der DDR zeigt sich die große Bandbreite des Repertoires, die sich in den Theaterplakaten manifestiert: Inszenierungen von "klassischen" Bühnenstücken reihen sich neben Aufführungen russischer und sowjetischer Realisten sowie zeitgenössischer Stücke. Ferner sind die zahlreichen Plakate zu Opern- und Ballettaufführungen zu nennen, die wiederum ergänzt werden durch Arbeiten zu modernem Tanz, Musik- und Singspielen, Komödien, Musicals, Kabarettprogrammen und Lesungen. Die thematische Variationsbreite wird maßgeblich durch die unterschiedlichen werblichen Funktionen, die das Plakat im Dienste eines Theaters zu erfüllen hat, beeinflußt. Spielpläne und Repertoireplakate stellen andere Anforderungen an die Gestaltung als das reine Stückeplakat (Ankündigung einer bestimmten Inszenierung), wobei hier die qualitativ besten Arbeiten mit den graphisch interessantesten Lösungen zu finden sind.03
Zahlreiche Entwürfe für bedeutende Bühnen der DDR wurden von bekannten Graphikern erarbeitet, so etwa von Werner Klemke, Klaus Wittkugel, Volker Pfüller, Robert Weyl, Hajo Schüler und Heinrich Kilger. Plakatgestalter konnten auch als Bühnenbildner des auftraggebenden Theaters auftreten. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Stücken stellte für viele Künstler eine Herausforderung dar.
Der Wirkungskreis eines Theaters ist meist auf einen Ort oder ein bestimmtes Gebiet beschränkt. Dementsprechend wurden Theaterplakate generell in geringeren Auflagen produziert als Warenwerbung oder Agitationsplakate. Nicht wenige der Plakate sind daher Originallithographien oder wurden in Siebdrucktechnik hergestellt. Ihre Qualität, wie auch generell die solcher Plakate aus dem Unterhaltungssektor (zum Beispiel dem Konzert-, Verlags- und Literaturwesen), wurde allgemein geschätzt. Sie erhielten häufig Auszeichnungen im Rahmen von Plakatwettbewerben, wie den seit 1966 jährlich vom Ministerium für Kultur veranstalteten Wettbewerben "100 beste Plakate". Dieser Wettbewerb, wie auch bereits die Gründung der Sektion Gebrauchsgraphik innerhalb des Verbandes Bildender Künstler04 am 14. Dezember 1953, zeigt, daß die Gebrauchsgraphik in der DDR als eigenständige Gattung geschätzt wurde.
Der Fundus der Theaterplakate erscheint hinsichtlich seiner formalen Gestaltung und visuellen Darstellungsmuster äußerst heterogen; die Palette umfaßt rein graphische oder malerische Arbeiten sowie Collagen und Montagetechniken. Zunehmend wurde auch die Photographie in Plakaten eingesetzt.
Die Unterschiedlichkeit der künstlerischen Mittel wird deutlich beim Vergleich verschiedener Plakatentwürfe zu einem Theaterstück. Hajo Schülers Arbeit zu einer Inszenierung der "Salome" von Richard Strauss ist von anderem Charakter als das entsprechende Plakat von Dietrich Kaufmann für die Komische Oper Berlin. Schülers in der Art eines Comic stilisierte Darstellung der Protagonistin - ein in grellem Pink und giftigem Grün gehaltenes und in geschwungene Formen gefaßtes maskenartiges Haupt - ist von jugendlich-punkigem, gleichzeitig anrüchigem Appeal; als Ohrschmuck trägt die Salome ein Skelett. Die künstlerischen Ausdrucksformen sind ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack der achtziger Jahre. Die Anspielung auf den "Punk", der in der DDR offiziell verpönt war, könnte hier als Entsprechung zu dem ruchlosen Wesen der Stieftochter des Herodes gemeint sein. Salome forderte um den Preis eines Tanzes vom König den Kopf des von ihr begehrten Propheten Johannes des Täufers. Ihre von Leidenschaft geprägte Wildheit ersetzt Schüler durch einen Ausdruck von Dekadenz. Dagegen scheint sich in Kaufmanns Plakat die winzige Figur der Salome im Bildraum, der auch Bühnenraum sein mag, zu verlieren. Trotzdem ist sie durch die leuchtend rote Farbe als Dreh- und Angelpunkt der Handlung zu erkennen; die Arbeit übermittelt ferner die düster-unheimliche Atmosphäre der Oper.
Die formalen Unterschiede der beiden Plakate ergeben sich aus dem Kontext ihrer Entstehung. Denn dieses Bildmedium hat stets nicht nur den unterschiedlichen Inhalten der Stücke und der interpretativen Verschiedenartigkeit der Inszenierungen Rechnung zu tragen, sondern ebenso der Programm-Politik der auftraggebenden Theater und Institutionen.05 Die Funktion der Theaterplakate wird somit noch um die folgende Dimension erweitert: Neben der Werbung für eine Veranstaltung sind sie gleichzeitig auch programmatisches Aushängeschild des jeweiligen Theaters oder Ensembles.

  03 Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 334.
  04 Ihr Erster Vorsitzender war Klaus Wittkugel. Vgl. dazu auch: Gebrauchsgrafik in der DDR …, S. 47 f.
  05 Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 202 f. Dies gilt auch für die im folgenden noch ausführlicher behandelten Plakate zu Brechts "Der gute Mensch von Sezuan". Schon Rademacher (ebd., S. 331) weist darauf hin, daß der Auftraggeber die verläßlichste der Kategorien sei, an denen die Theaterplakate gemessen werden könnten.

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Plakat Salome von Hajo Schüler
Plakat Salome von Dietrich Kaufmann