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Stückeplakate

Szenische Elemente kombiniert Werner Klemkes Arbeit zu Lessings "Nathan der Weise" aus dem Jahr 1954. Die Hauptfigur Nathan wird dem Tempelherrn und dem Sultan gegenübergestellt. Der Redegestus deutet die kluge Argumentation und Überzeugungskraft Nathans an, durch die er beide zu vorurteilsfreiem Denken bewegen kann. Klemke stellt keinen Dialog ebenbürtiger Gesprächspartner dar, sondern in Anlehnung an die Textvorlage einen erfahrenen, durch aufklärerische Vernunft angetriebenen Lehrer und Mahner, der zu praktischer Humanität aufruft und zur Verständigung der drei Personen beiträgt, die Repräsentanten der verschiedenen Weltanschauungen und Religionen sind. Die Lessingsche Utopie einer Verständigung der Menschen unterschiedlichen Glaubens, im Stück gleichsam als Mitglieder einer Familie aufgedeckt, wird hier im wahrsten Sinne des Wortes auf einen Sockel erhoben und somit zu einem Sinnbild der kulturpolitischen Bedeutung, die jenes Stück seit Kriegsende innehatte. Viele Theater eröffneten ihre erste Spielzeit mit dem Drama "Nathan der Weise", da es als Werk des "Judenfreundes" Lessing während der Zeit des Nationalsozialismus verboten war. Auch Schillers "Kabale und Liebe" und Goethes "Iphigenie" rangierten aufgrund des Toleranzgedankens an oberster Stelle der Spielpläne zur Wiedereröffnung der Bühnen 1945.08 Bereits auf ihrem Ersten Kulturtag im Jahr 1948 verwies die SED auf das klassische Erbe als wichtigen Beitrag für die "antifaschistisch-demokratische Kulturpolitik".09 Das Klassikerverständnis wurde seitdem zunehmend ideologisch unterfüttert: "Nicht mehr die Besinnung auf die besten Traditionen zur Läuterung einer moralisch heruntergekommenen Bevölkerung war die Aufgabe. Die Berufung auf die Klassik diente nun als Knüppel, mit dem alle nach-klassischen Äußerungen, beginnend mit der Romantik, als dekadent und ›formalistisch‹ niedergehalten wurden."10
Mit der wachsenden ideologischen Divergenz zum Westen forcierte man eine Repertoirepolitik, die neben Aufführungen klassischer Werke auch solche von Stücken aus der Sowjetunion und aus den "Volksdemokratien" sowie Inszenierungen des klassischen Kanons der Weltliteratur und zeitgenössischer Stücke vorsah. Insbesondere wurden DDR-Autoren mit dem Bestreben, Zeitprobleme auf die Bühnen zu bringen, gefördert. Es gab auch Aufführungen von Stücken der "fortschrittlichen Autoren des kapitalistischen Auslands".11 Einen wichtigen Grundpfeiler des Theaterlebens stellte die Aufführung osteuropäischer Werke dar. Gerade gegen Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren war man daher bemüht, russische Dramatiker und sowjetische Zeitstücke in den Spielplan aufzunehmen. An dieser Stelle sei Wischnewskis "Optimistische Tragödie" hervorgehoben, zu der ein Plakat aus dem Jahr 1963 anläßlich einer Inszenierung des Berliner Ensembles entstand. Die deutsche Erstaufführung dieses Stückes wurde am 1. Juni 1948 im Theater im "Haus der Kultur der Sowjetunion" gegeben. Es zeichnet eine Episode aus dem russischen Bürgerkrieg nach: Die Moral einer Abteilung der Baltischen Flotte wird durch Anarchisten unterwandert, indem Befehle mißachtet und die Soldaten durch gezielte Agitation und Terrorakte eingeschüchtert werden. Mit Mut und gnadenloser Strenge erreicht die von der Kommunistischen Partei entsandte Kommissarin die Wiederherstellung der militärischen Ordnung und schafft es, unter Einsatz ihres Lebens, aus dem heruntergekommenen anarchistischen "Haufen" ein diszipliniertes Regiment der Roten Armee zu formen. Der Rückgriff des Plakatgestalters auf eine Farblithographie von Wladimir Lebedew mit dem Titel "Rote Armee und Marine verteidigt die russischen Grenzen", um 1919 entstanden, ist klug gewählt. Der Optimismus der schließlich siegreichen revolutionären Kräfte, vertreten durch die Figuren des Matrosen und des Rotgardisten, findet in dem forschen Ausschreiten und den kampfwillig emporgerichteten Gewehren seinen passenden Ausdruck. Die Figuren sind gliederpuppenhaft, in konstruktivistischer Manier gehalten. Jegliche individuelle Züge werden vermieden, selbst die Gesichtszüge und die Modulation der Finger fallen der Stilisierung zum Opfer, wodurch die Figuren zu Stellvertretern für die gesamte Marine beziehungsweise die Rote Armee werden. Wie in der Politik, besann man sich auch in der Kunst auf die Traditionen der russischen Revolution und sah in der Aufführung dieser Stücke einen vorbildlichen Beitrag für das Verständnis der Geschichte des "russischen Brudervolkes".
Ein Rückgriff auf die Kunstgeschichte ist ein gängiges Mittel der Plakatgestalter. Es handelt sich dabei häufig um Rückbezüge auf konkrete Kunstwerke, wie die oben genannte Lithographie von Lebedew, oder die für das Berliner Ensemble so charakteristische Friedenstaube von Pablo Picasso, die am Bühnenvorhang auf Initiative Brechts angebracht wurde.
Ist das Plakat zu Shakespeares "Sommernachtstraum" noch szenisch-illustrativ und das zu der "Nathan"-Inszenierung auf die typisierte Darstellung der Hauptfiguren beschränkt, wird die recht kleinteilige, an realistischen Prinzipien orientierte Gestaltungsweise in Helmut Brades Plakatentwurf für eine Inszenierung von Max Frischs "Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie" im Landestheater Halle aufgegeben. Die geometrische, signethafte Figur ist eine originelle Umsetzung des Untertitels und birgt zugleich einen Hinweis auf die Handlung des Stückes, in der, in parodistischer Umkehrung zur literarischen Vorlage, der Held nicht die Frauen liebt, sondern die "männliche Geometrie", und in Furcht vor falschen Gefühlen nach der Offenbarung des Geistes strebt.

  08 Theater in der Zeitenwende. Zur Geschichte des Dramas und des Schauspieltheaters in der Deutschen Demokratischen Republik. 1945-1968, 2 Bde., Berlin 1972, Bd. 1, S. 69.
  09 Ebd., Bd. 1, S. 76.
  10 Schütrumpf: "Die Klassik …", in: Parteiauftrag …, 1998, S. 196-203, S. 199, 201.
  11 Theater in der Zeitenwende … (vgl. Anm. 8), Bd. 1, S. 219. Zur Repertoirepolitik vgl. ausführlich dieselbe Publikation insgesamt.

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Plakat Nathan der Weise
Plakat Optimistische Tragödie
Plakat Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie