Joseph Wirth 1879-1956

Politiker

  • 1879
    6. September: Joseph Wirth wird in Freiburg/Breisgau als Sohn des Maschinenmeisters Karl Wirth und dessen Frau Agathe (geb. Zeller) geboren. Nach späteren Angaben Wirths wurde er durch das christliche und soziale Engagement seiner Eltern stark geprägt.
  • 1899-1906
    Wirth studiert Mathematik, Naturwissenschaften und Nationalökonomie in Freiburg. Sein Studium schließt er mit einer Dissertation in Mathematik ab.
  • 1906-1913
    Er arbeitet als Mathematiklehrer an einem Freiburger Realgymnasium.
  • 1909
    Wirth ist Mitbegründer und erster Präsident der Akademischen Vinzenzkonferenz. Die karitative Laienorganisation bietet Hilfe für Arme und Bedürftige an.
  • 1911
    Für die Zentrumspartei wird er in das Freiburger Stadtverordnetenkollegium gewählt.
  • 1913-1921
    Wirth ist Mitglied des Badischen Landtags.
  • 1914
    Er wird Reichstagsabgeordneter. Sein Hauptanliegen gilt der sozialen Frage, deren Lösung er von gesellschaftlichen Reformen abhängig macht.
    Mit Beginn des Ersten Weltkriegs meldet sich Wirth als Kriegsfreiwilliger. Für dienstuntauglich erklärt, tritt er dem Roten Kreuz bei.
  • 1914-1917
    Dienst als Krankenpfleger an der West- und Ostfront. Eine Lungenentzündung beendet seinen Einsatz.
  • 1917
    19. Juli: Wirth stimmt im Reichstag für die von Matthias Erzberger eingebrachte Friedensresolution.
  • 1918
    10. November: Während der Novemberrevolution wird er Finanzminister der Vorläufigen Badischen Volksregierung.
  • 1919
    Februar: Er ist Mitglied der Verfassunggebenden Nationalversammlung. Wirth bezeichnet sich selbst als "entschiedenen Republikaner".
    April: Ernennung zum Finanzminister des Freistaats Baden.
  • 1920/21
    Wirth ist Finanzminister in den Kabinetten der Reichskanzler Hermann Müller und Konstantin Fehrenbach.
  • 1921
    10. Mai: Nach dem Rücktritt Fehrenbachs bildet Wirth als neuer Reichskanzler eine Koalition aus Zentrum, Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) und Deutscher Demokratischer Partei (DDP). Er spricht sich für die Annahme des Londoner Ultimatums, mit dem das Deutsche Reich zur Anerkennung der alliierten Reparationsforderungen gezwungen werden soll, aus. Die extreme Rechte ruft aufgrund der "Erfüllungspolitik" zu Mordanschlägen gegen Wirth auf.
    22. Oktober: Aus Protest gegen die Teilung Oberschlesiens tritt Wirth mit dem Kabinett zurück.
    26. Oktober: Er wird von Reichspräsident Friedrich Ebert erneut mit der Regierungsbildung beauftragt.
  • 1922
    16. April: Wirth unterzeichnet zusammen mit Außenminister Walther Rathenau den Rapallo-Vertrag mit der Sowjetunion. Mit dem Vertrag durchbricht Deutschland seine außenpolitische Isolation.
    Juni: Nach der Ermordung Rathenaus durch Rechtsextremisten ruft Wirth zur Verteidigung der Demokratie und der Weimarer Republik auf.
    21. Juli: Wirth setzt das Gesetz zum Schutz der Republik durch.
    14. November: Er zieht die Konsequenz aus dem Scheitern der "Erfüllungspolitik" und tritt als Reichskanzler zurück.
  • 1924
    Wirth tritt dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold bei. Der parteiübergreifende Verband versammelt republiktreue Kräfte mit dem Ziel der Verteidigung der Republik. Wirth gehört dem erweiterten Vorstand an.
  • 1925
    15. Januar: Der parteilose Reichskanzler Hans Luther bildet eine Regierungskoalition, der neben dem Zentrum, der DDP, der Deutschen Volkspartei (DVP) auch die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) angehört. Als führender Vertreter des linken Parteiflügels kritisiert Wirth die Zusammenarbeit des Zentrums mit der DNVP.
    August: Nach Differenzen um den sozialpolitischen Kurs der Partei tritt Wirth aus der Reichstagsfraktion des Zentrums aus. Sein Reichstagsmandat behält er.
  • 1929
    13. April: Er wird erster Reichsminister für die besetzten Gebiete im zweiten Kabinett von Müller.
  • 1930
    30. März: Im Präsidialkabinett unter Reichskanzler Heinrich Brüning wird Wirth Innenminister.
  • 1933
    Februar/März: Nach der Machtübernahme von Adolf Hitler ist Wirth verstärkten Hetzkampagnen der NS-Propaganda ausgesetzt.
    24. März: Er emigriert nach Wien, da er als entschiedener Gegner des tags zuvor verabschiedeten Ermächtigungsgesetzes von der Verhaftung bedroht ist.
  • ab 1933
    Seine Aufklärungsarbeit über den totalitären Charakter des NS-Regimes sowie sein Engagement gegen den im Deutschen Reich herrschenden Antisemitismus führen Wirth durch zahlreiche Staaten Europas und in die USA.
  • 1935
    Wirth lässt sich in Paris nieder. Von den deutschen Emigrantenkreisen in der Stadt distanziert er sich.
  • 1939
    September: Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verlässt Wirth Paris und begibt sich nach Luzern in die neutrale Schweiz.
  • 1939/40
    Wirth unterhält Kontakt zum Widerstand in der Wehrmacht. Auf Wunsch von Wilhelm Canaris vermittelt er zwischen dem britischen Premierminister Arthur Neville Chamberlain und der deutschen Opposition über eine Friedensregelung. Die britische Regierung, die im Fall eines Umsturzes in Deutschland der neuen Regierung politische Zusammenarbeit und wirtschaftliche Hilfe zusichert, sieht in dem ehemaligen Reichskanzler Wirth einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner.
  • 1940
    10. Mai: Der beginnende Frankreichfeldzug der deutschen Wehrmacht sowie der Rücktritt Chamberlains beenden die Vermittlungsversuche.
  • 1942-1945
    Wirth schließt sich einem Kreis deutscher Exilpolitiker an, zu dem auch Otto Braun und Wilhelm Dittmann gehören. Der Kreis entwirft Richtlinien für den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Ende des Kriegs.
  • 1945
    12. April: Aus dem Kreis der Exilpolitiker geht die Arbeitsgemeinschaft "Das Demokratische Deutschland" hervor, welche die Interessen der in der Schweiz lebenden Deutschen wahrnehmen will und Grundsätze für einen demokratischen und föderalistischen Wiederaufbau Deutschlands entwirft
    Wirth gründet nach Kriegsende die Katholische Deutsche Hilfe (KDH), die in der Schweiz Hilfslieferungen an die notleidende deutsche Bevölkerung organisiert.
  • 1948
    August: Nach einer persönlichen Bitte an den französischen Außenminister Robert Schuman erhält Wirth die Einreiseerlaubnis in die französische Besatzungszone. Er kehrt aus dem Exil zurück und lässt sich in Freiburg nieder.
    Wirth gründet die christlich-soziale Arbeiterpartei "Union der Mitte".
  • ab 1952
    Er nimmt an zahlreichen Friedenskongressen in ganz Europa teil.
  • 1953
    Wirth ist Mitbegründer und Vorsitzender des "Bundes der Deutschen für Einheit, Frieden und Freiheit" (BdD). Der BdD wendet sich gegen die von Konrad Adenauer betriebene Westintegration und strebt eine Verständigung mit der Sowjetunion an.
  • 1954
    Verleihung der deutschen Friedensmedaille.
  • 1955
    Wirth spricht sich entschieden gegen den Aufbau der Bundeswehr und gegen den NATO Beitritt der Bundesrepublik aus.
    Oktober: Er erhält die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität in Ost-Berlin.
  • 1956
    3. Januar: Joseph Wirth stirbt in Freiburg.
Arnulf Scriba
14. September 2014

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