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Das "Kopf"-Plakat
Während bei den bisher vorgestellten Plakaten das szenische Element
dominierte, steht bei den folgenden drei Beispielen das Porträt eines Protagonisten
im Mittelpunkt.
"Die Mörder sind unter uns"
Das vermutlich von René Ahrlé entworfene Plakat zum ersten
DEFA-Spielfilm "Die
Mörder sind unter uns" von 1946, bei dem Wolfgang Staudte Regie führte,
konfrontiert den Betrachter mit dem die Bildfläche dominierenden ernsten
Gesicht der Hauptdarstellerin Hildegard Knef. Sie spielte hier eine junge
Photographin, die 1945 aus dem Konzentrationslager zurückkehrt und auf
einen von Schuldgefühlen umgetriebenen Chirurgen und Kriegsheimkehrer
trifft. Hinter dem Dreiviertelprofil der Knef - die damals noch nicht
"die Knef" war - erkennt man ein Stück Mauer. Von dem in bläulichen Tönen
gehaltenen Porträt hebt sich der in roten Lettern gestaltete Titel ab.
Das typische Kopf-Plakat wird durch ein Element variiert. Die Bildfläche
mit dem Porträt ist an den Kanten leicht verzogen, was den Eindruck eines
Bildes im Bild beziehungsweise einer Projektion auf eine weiße Fläche,
vielleicht eine Leinwand, erweckt. Dadurch wird das Medium Film thematisiert.
Das Zentralkomitee (ZK) der SED forderte die Landes- und Provinzialleitungen
der Partei auf, für diesen Film eine "besondere Propaganda durch Aushängeplakate
in den Büros, Kulturstätten etc. …" zu entwickeln, und begründete das
damit, daß er gemessen an der bisherigen deutschen Filmproduktion eine
ausgesprochene Spitzenleistung darstelle und der erste große Film eines
neuen Deutschland sei. Probleme gab es 1946/47 wohl noch mit dem Verleih
"Sovexport", der dieser ersten DEFA-Produktion nicht das erforderliche
Interesse entgegenbrachte und der Druckerei das Papier zu spät für einen
rechtzeitigen Ausdruck zuleitete. Für den Staudte-Film wurden letztlich
aber doch 6.000 Großplakate im Format DIN A0 und 3.000 Kleinplakate in
DIN A2 gedruckt. Deren Verteilung auf die Anschlagflächen trat dennoch
weit hinter die gleichzeitige Propagierung des sowjetischen Films "Die
steinerne Blume" zurück. Offensichtlich gab es eine gewisse Konkurrenz
um die Plakatflächen zwischen DEFA und "Sovexport". Immerhin hatte erstere
die Option auf fünf U-Bahn-Großflächen in Berlin zur regelmäßigen Plakatierung.
Der Bericht des ZK der SED zählte dann noch einige weitere Werbemittel
auf, unter anderen große Verleihprospekte zum Aushang in den Kinos, Sonderhefte
des "Film-Kuriers" und Programme. Bei den Inseratszeichnungen für die
Zeitungen orientierte man sich an den Plakatentwürfen.13
"Das kalte Herz"
Klaus Wittkugel entwarf 1950 das Plakat zu dem von Paul Verhoeven
in Szene gesetzten Film "Das
kalte Herz", den ersten Farbfilm der DEFA, gedreht nach dem gleichnamigen
Märchen von Wilhelm Hauff. Die Bildfläche wird dominiert von einem auch
als "film still" bekannten Porträt des Hauptdarstellers Lutz Moik in der
Rolle des armen Köhlers Peter Munk, den der Wunsch nach Reichtum um sein
mitfühlendes Herz und die Geliebte bringt, bevor er geläutert wird.14
Wittkugel kombinierte das Porträt mit einer Titelgestaltung aus einfachen
Lettern und füllte sie mit stilisierten Tannenbäumen auf, die auf den Ort
des Geschehens, den (Schwarz)Wald, verweisen. In dieser Kombination legt
der Titel gleichsam ein Raster über das Gesicht Lutz Moiks, das ihn gefangensetzt.
Die Tannenbaumsymbole erinnern auch an Spielkartenzeichen, wie das Pik,
und könnten als Verweis auf des Köhlers gefährliches Spiel mit dem Holländermichel
verstanden werden, dem er als Gegenleistung für den versprochenen Reichtum
sein Herz überläßt. Zudem korrespondiert die schlichte Typographie mit dem
distanziert-abschätzigen Blick des Protagonisten und stellt zusammen mit
dem kühlen Blau des Hintergrundes eine Verbindung zum Wortsinn des Titels
her.
"Fleur Lafontaine"
Eine interessante Variante des Kopf- oder Porträt-Plakates zeigt
Erhard Grüttners Gestaltung für "Fleur
Lafontaine" von 1978, eine Produktion des DDR-Fernsehens. Allgemein
förderte der "Progress-Film-Verleih", für den Grüttner von 1962 bis 1969
als Graphiker gearbeitet hatte, in den achtziger Jahren wieder die Gestaltung
von Porträt-Plakaten. Der von Horst Seemann in Zusammenarbeit mit Hans-Albert
Pederzani in Szene gesetzte anspruchsvolle Film schilderte die Geschichte
einer Frau über einen Zeitraum von dreißig Jahren, zwischen 1918 und 1948.
Grüttners Gestaltung zitiert ein zerrissenes und notdürftig wieder zusammengeklebtes
Porträtphoto der Hauptdarstellerin Angelica Domröse. Auf diese Weise imaginiert
er die Brüche im Leben der "Fleur Lafontaine", die dramatischen und wechselvollen
Abläufe und Ereignisse in ihrer Biographie. Er thematisiert keine Szene,
keine Stimmung, sondern eine Aussage: Das Leben hinterläßt Spuren, in dessen
Verlauf bleibt der Mensch nicht "heil". Grüttner findet dafür ein einleuchtendes
Zeichen, eine Art doppelten "pars pro toto": Das Gesicht als Stellvertreter
für den Menschen, dem die Veränderungen widerfahren, und die Stücke des
Porträts als Hinweise auf das Lebenspuzzle. Zudem ist der untere rechte
Teil des Porträts in den Farben verändert, als wäre das Photo hier angekohlt.
Dies, ebenso wie die sichtbaren Risse und das nicht wieder ganz paßgenaue
Zusammenfügen der Einzelteile, unterstützt den Eindruck der nicht wieder
auszulöschenden Lebensspuren.
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13 |
SAPMO, DY 30/IV 2/906-202, Stellungnahme
des ZK der SED, Abt. Kultur und Erziehung, Okt. 1946. |
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14 |
Das Drehbuch für den Film "Das
kalte Herz" wurde vom Politbüro als kleinbürgerlich
kritisiert und mußte überarbeitet werden. Vor allem im
Schluß sollte die Hoffnung auf eine bessere Welt und die Solidarität
mit den Werktätigen mehr Raum erhalten. Vgl. SAPMO, DY 30/IV
2/906-208, Sitzung der DEFA-Kommission des Politbüros, 11.3.1950,
Protokoll vom 14.3.1950. |
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