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Typographisch dominierte Plakate
Ehe im Schatten
Bei den folgenden beiden Plakaten spielt die Gestaltung des Titels
eine besondere Rolle. Das von Kurt Geffers 1947 für den Kurt-Maetzig-Film
"Ehe im
Schatten"15 entworfene
Plakat zeigt rechts unten am Bildrand ein Paar, über dem die räumlich und
in Untersicht gestalteten Buchstaben des Titels wie ein sie niederdrückendes
Gewicht lasten. Ein von oben links kommendes Licht scheint die oberen Bereiche
der in drei Reihen übereinander angeordneten Wörter zu beleuchten. Aber
dadurch gelangt keine Helligkeit ins Bild, sondern der Schatten, in dem
das Paar kauert, wird nur noch eindringlicher. Gestaltung und Wortsinn des
Titels korrespondieren hier miteinander. Der Mann verbirgt sein Gesicht
an der Schulter der Frau, deren Blick ernst nach oben links aus dem Bildraum
geht. Die in dieser Szene zum Ausdruck kommende Verzweiflung und Ausweglosigkeit
wird noch durch die lastende Gestaltung des Titels und die "ungesunde" grünliche
Farbgebung unterstrichen.
Die Darstellung des Paares auf dem Plakat erinnert an eine Szene
des Films, der die tragische Geschichte eines Schauspielerehepaares im "Dritten
Reich" erzählt. Als Hans Wieland vor die Wahl gestellt wird, seine jüdische
Frau Elisabeth zu verlassen oder an die Front geschickt zu werden, was in
beiden Fällen Elisabeths Verschleppung in ein Konzentrationslager zur Folge
hätte, sehen beide nur noch im gemeinsamen Freitod einen Ausweg. Die Handlung
beruhte auf einer tatsächlichen Begebenheit. In einer entscheidenden Szene
- es ist die sogenannte Reichskristallnacht - entschließt sich Elisabeth,
trotz aller Gefahren in Deutschland zu bleiben, um Hans nicht zu verlassen.
Das Drehbuch beschreibt, wie sie ihn umarmt, seinen Kopf an sich zieht und
versichert, daß sie bleiben wird.16
Diese Szene scheint für die Plakatgestaltung von großer Bedeutung gewesen
zu sein. Die Titelgestaltung mit der räumlichen Darstellung der monumentalen
Buchstaben und deren diagonaler Anordnung im Bildraum erinnert an das bereits
erwähnte Filmplakat zu "Asphalt" aus den zwanziger Jahren, wo die Lettern
allerdings in Aufsicht und leicht versetzt stehend gezeigt wurden. In beiden
Fällen dominiert die typographische Gestaltung das Plakat. Es wird eine
Beziehung zwischen Titel und Plakatmotiv hergestellt, wobei der Titel einen
eigenen ikonischen Wert erhält, "indem er sich von blosser typographischer
Funktionalität löst und fantasievoll wird".17
Rotation
Das Plakat zu dem Film "Rotation"
von 1949 - Regie führte Wolfgang Staudte - montiert mehrere Versatzstücke
der bisher vorgestellten Typologie. Unten links ist eine Szene dargestellt,
die auf den Vater-Sohn-Konflikt verweist, darüber der große, bildbeherrschende
Kopf des Hauptdarstellers, umrahmt von einer sich farblich absetzenden Titelgestaltung,
die wie beim vorhergenannten Plakat einen eigenen ikonischen Wert besitzt,
der noch zu erläutern ist. Hinzu kommt das Gitter-Motiv als Zeichen für
die Inhaftierung des Vaters.
Der Film erzählt die Geschichte des fleißigen, unpolitischen Maschinenmeisters
Hans Behnke, der in der NS-Zeit von seinem Sohn denunziert wird und ins
Zuchthaus gerät, weil er - aus Hilfsbereitschaft - eine Druckmaschine repariert
hat auf der antifaschistische Flugblätter reproduziert wurden. Nach dem
Krieg versöhnen sie sich und wollen gemeinsam ein neues Leben aufbauen.
Interessant ist besonders die Gestaltung des Titels als Halbkreisform. Sie
visualisiert den durch das Wort selbst bezeichneten Begriff des "Rotierens",
des "Sich-im-Kreis-Bewegens", steigt von der kleinen Szene unten links auf,
schneidet das Gitter und führt von dort nach rechts. Da der Kreis unvollendet
bleibt, scheint es einen Ausweg zu geben. Staudte hatte die Rotationsmaschine
im Film bewußt als Metapher für die sich stets wiederholenden Ereignisse
und die Unbelehrbarkeit der Menschen benutzt, was dem offiziell propagierten
Geschichtsbild widersprach. So kam es zum Eklat, als er die Szene ändern
sollte, in der Vater Behnke die Uniform des Sohnes mit den Worten verbrennt:
"Das war die letzte Uniform, die du je getragen hast". An dieser Haltung
konnte offiziell kein Interesse bestehen, sollte doch in der SBZ die Volkspolizei
aufgebaut werden.18
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15 |
"Ehe im Schatten" hatte
seine Uraufführung am 3.10.1947 in allen vier Sektoren von Berlin.
Das war die erste "alliierte Premiere" für ganz Berlin.
Es war neben der DEFA-Produktion "Wozzeck" (1947) der erste
Versuch, eine deutsche Großfilmproduktion von internationaler
Bedeutung zu starten. Vgl. SAPMO, DY 30/IV 2/906-202, Zur Entwicklung
der DEFA, 3. Etappe Nov. 1946-1947. |
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16 |
Drehbuch (maschinegeschriebenes Manuskript)
zu "Ehe im Schatten", Berlin (DEFA) um 1946, S. 147, Bild
84. |
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Jörg Magener: "Kino vor
dem Kino", in: Beilenhoff/Heller: Das Filmplakat …, 1995, S.
9-26, 16, zitiert nach: Elie Bajard: Images d' images. Description
de 120 affiches de film, Diss., Paris 1986, S. 247. |
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18 |
Zunächst blieb die Szene erhalten,
und nur der Text entfiel. Doch der neue DEFA-Direktor Sepp Schwab
ließ die Szene dann herausschneiden, woraufhin Staudte empört
nach Hamburg ging, aber kurz darauf wieder zurückkehrte, um "Der
Untertan" zu drehen. Vgl. Schenk: Das zweite Leben …, 1994, S.
22. |
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