keine einheitlich denkende und handelnde
DDR-Jugend gab. Studenten und Schüler der dem Gymnasium vergleichbaren
Erweiterten Oberschule sowie Hochschulabsolventen verhielten sich
lange Zeit (bedingt durch die politisch akzentuierten Zugangsvoraussetzungen
für höhere Schulen und Universitäten) deutlich
systemkonformer als z.B. Lehrlinge oder junge Arbeiter in der
Industrie. Auf die zunehmende gesellschaftliche Krise in der DDR
ab Mitte der achtziger Jahre reagierten diese Gruppen erneut sehr
differenziert: Während unter jungen Arbeitern und Lehrlingen
eine Art politischen "Aussteigens" zu registrieren war,
verhielt sich ein Teil der höheren Schüler, der Studenten
und der Intellektuellen weiterhin systemkonform, ein anderer Teil
übte - stark unter dem Eindruck der politischen Veränderungen
in der Sowjetunion unter Gorbatschow - zunehmend Kritik an der
gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR mit Zielrichtung eines
reformierten "besseren" Sozialismus. Diese und weitere
Differenzierungen sind zu beachten, wenn man über politische
Einstellungen und Wertorientierungen DDR-Jugendlicher spricht.
Politische Einstellungen
und Wertorientierungen im Kontext der siebziger und achtziger
Jahre
Mit dem Bau der Mauer 1961 und der physischen
Grenzziehung zwischen den Deutschen in Ost und West setzte in
der DDR unter Ulbricht eine ideologische Abgrenzungs- und Diffamierungskampagne
ohne Beispiel ein. Gleichzeitig kam es zu massiven Versuchen der
Indoktrination und der Selbstbeschönigung des sozialistischen
Systems. Ökonomisch erfolgte zunächst eine gewisse Konsolidierung.
Das zunehmend ungünstigere Verhältnis von Akkumulation
und Konsumtion und verfehlte Wirtschaftsstrategien zum Ende der
sechziger Jahre riefen jedoch merkliche Unzufriedenheit unter
der Bevölkerung und schließlich den in Moskau angeordneten
Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker hervor. Mit dem VIII. Parteitag
der SED sollte 1971 unter dem Leitbild einer "Einheit von
Wirtschafts- und Sozialpolitik" eine Wende eingeleitet werden.
Tatsächlich gelang es der DDR zum Anfang
der siebziger Jahre unter Honecker, ihre internationale Position
erheblich aufzubessern (völkerrechtliche Anerkennung, UNO-Mitgliedschaft).
Mit einer Überbetonung der Sozialpolitik und entsprechender
Gesetzgebung eroberte die SED-Führung auch innenpolitisch
verlorenes Terrain zurück. Wohnungsbauprogramm, sozialpolitische
Vergünstigungen und Regelungen zugunsten junger Familien
und Alleinerziehender schufen neue Sympathie-Potentiale insbesondere
auch unter der Jugend. Dazu trugen auch Investitionen in ein umfangreiches
Freizeitangebot für junge Menschen bei, das gleichzeitig
eine weitreichende politische Kontrolle sicherte (FDJ-Jugendklubs).
All das änderte zwar nichts an der Geschlossenheit des gesellschaftlichen
Systems, machte aber das Leben im Sozialismus erträglich
und infolge der Abstinenz eines objektiven Informationssystems
zum Teil sogar erstrebenswert.
Die sogenannte sozialistische Staatengemeinschaft
wurde in der medialen Berichterstattung der DDR hauptverantwortlich
für den Entspannungsprozeß zu Beginn der siebziger
Jahre gemacht, die "Ideen des Sozialismus" schienen
auf der ganzen Welt Boden zu fassen. Ein zunehmender, wenn auch
bescheidener Wohlstand unter der Bevölkerung, die im allgemeinen
gesicherte (wenn auch oft vorgezeichnete) Lebensperspektive erweckten
übergreifend den Eindruck, daß der realsozialistische
Staat eine echte Alternative zum postindustriellen Kapitalismus
sein könne. Kaum jemand ahnte zu Beginn der siebziger Jahre,
daß die DDR begann, über ihre ökonomischen Verhältnisse
zu leben. Angesichts dessen wurde die eingeschränkte persönliche
Freiheit von vielen hingenommen, lernte man, mit der "Mauer"
zu leben, zumal sich die politische Propaganda noch bis in die
siebziger Jahre hinein auf ein faktisches Meinungsmonopol stützen
konnte.
Die Forschungsergebnisse des ZIJ spiegeln
diese Prozesse seit Ende der sechziger Jahre sehr anschaulich
wider. Von Beginn bis etwa zur Mitte der siebziger Jahre ist eine
deutliche Konsolidierung sozialistischer Überzeugungen und
Wertorientierungen bei im Grunde allen Schichten der DDR-Jugend
nachzuvollziehen. Ziele und Werte der Gesellschaft wurden überwiegend
angenommen - man identifizierte sich mit ihnen. Die Bereitschaft,
das Erreichte auch zu verteidigen, war bei der überwiegenden
Mehrheit der Jugendlichen ausgeprägt. Für den größten
Teil der jungen Leute schien der weltweite "Vormarsch"
des Sozialismus nur eine Frage der Zeit zu sein. Diese allgemeine
Euphorie machte jedoch bereits zum Ende der siebziger Jahre wieder
realistischeren Einschätzungen Platz. Innenpolitisch konnte
das Versprechen der SED, die Lebensqualität kontinuierlich
zu steigern und an das Niveau des Westens zumindest anzupassen,
nicht eingehalten werden. Außenpolitisch drohte ein Scheitern
der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Ökonomisch
wie politisch zeigte sich Stagnation, der Rückstand gegenüber
den westlichen Industriestaaten, insbesondere auch im Vergleich
mit der damaligen Bundesrepublik, wurde um so deutlicher sichtbar.
Die beschränkte politische Steuerungsfähigkeit der