Hans Bertram
Zeughaus Berlin, 26. März - 15. Juni 1993
Die Familie in den alten und neuen Bundesländern
  Link zur Homepage des DHM  
Teil 1 Teil 2 Teil 3
Teil 4

Katalog

Vorwort
Einführung

Deutschland um 1900

DDR
BRD


Aufsätze

Hans Bertram


Ausstellungsarchitektur



Besucherreaktionen



Virtueller Spaziergang



Ausstellungsgrundriss



Weitere Informationen


 

Die Lebensformen

Vergleicht man auf der Basis des Familienstandes die Befragten aus den westdeutschen Dienstleistungszentren mit jenen in Leipzig, zeigt sich folgendes: In den westdeutschen Dienstleistungszentren sind mehr als ein Drittel der Befragten ledig, jeder zehnte ist geschieden, und circa 1,5 Prozent sind verwitwet. Werden hierzu noch die circa 3 Prozent getrennt lebenden verheirateten Paare hinzugezählt, hat man von durchschnittlich fast der Hälfte der Einwohner auszugehen, die nicht in einer Ehe lebt. In der ersten Ehe lebten von den Befragten knapp 47 Prozent und in einer weiteren Ehe knapp fünf Prozent. Wird weiter überprüft, inwieweit die Befragten mit Partnern zusammenleben, stellt sich sowohl bei Ledigen als auch bei Geschiedenen und Verwitweten heraus, daß der Anteil derjenigen, die sagen, sie würden ohne einen Partner leben, den derjenigen, der mit einem Partner lebt, weit überwiegt. Nicht, wie in den siebziger Jahren vermutet, die Wohngemeinschaft, sondern das Alleinleben, durchaus mit Partner, scheint in den großen urbanen Dienstleistungszentren das alternative Lebensmodell zu Ehe und Familie zu sein.

Die entscheidenden Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern in städtischen Regionen sind vor allem in den unterschiedlichen Ledigenquoten zu sehen. 36 Prozent Ledigen in den westdeutschen Dienstleistungszentren stehen in Leipzig nicht einmal 20 Prozent gegenüber, und demgemäß ist trotz einer höheren Scheidungsquote die Verheiratetenquote sowohl in erster als auch in weiteren Ehen in Leipzig viel höher als in den westdeutschen Dienstleistungszentren. Sie beträgt in erster Ehe immerhin knapp 65 Prozent.

Diese wenigen Zahlen erlauben den Schluß, daß sich der Individualisierungsschub in den urbanen Zentren der Bundesrepublik in den letzten zwanzig Jahren nicht in gleicher Form in Leipzig und der gesamten früheren DDR vollzogen hat. Das Verheiratetsein hat hier noch einen offensichtlich höheren Stellenwert als in den Dienstleistungszentren Westdeutschlands. In diesen Unterschieden drückt sich auch der strukturelle Konservativismus der früheren sozialistischen Gesellschaft aus.

Die Integration der Frauen in das Erwerbsleben

Obwohl die Lebensformen in Leipzig im Vergleich zu den westdeutschen Dienstleistungszentren betont konservativ sind, ist entsprechend der früheren Politik der DDR die Integration der Frauen in das Erwerbsleben weit vorangeschritten. Dabei ist allerdings hervorzuheben, daß die Zahl der Teilzeitarbeitskräfte in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist, weil die entsprechenden Arbeitsplätze abgebaut wurden. In Leipzig sind zum Zeitpunkt der Untersuchung circa 70 Prozent der Frauen erwerbstätig und circa 14 Prozent arbeitslos, wohingegen in den westdeutschen Dienstleistungszentren lediglich 54 Prozent berufstätig sind. Zwar ist die Erwerbsquote insgesamt in Leipzig höher, doch variiert das Erwerbsverhalten bei den Müttern aus den westdeutschen Dienstleistungszentren, im Gegensatz zu Leipzig, in Abhängigkeit vom Alter des Kindes. Wenn Kinder unter drei Jahren vorhanden sind, sind 62 Prozent der Mütter aus den Dienstleistungszentren nicht erwerbstätig, gegenüber knapp 30 Prozent, die erwerbstätig sind. Schon bei den drei- bis fünfjährigen Kindern nimmt die Erwerbsquote mit circa 54 Prozent zu, um bei den Schulkindern dann auf über 60 Prozent anzusteigen. Diese vom Lebensalter des Kindes abhängige Erwerbsbeteiligung gibt es in den neuen Bundesländern und damit auch in Leipzig nur im Zusammenhang des Babyjahres, das zum Zeitpunkt der Erhebung etwa jeder zehnte Befragte in Anspruch nahm.

Auch bei der Arbeitszeit zeigt sich, daß das zeitliche Engagement im Beruf in Abhängigkeit vom Lebensalter des jüngsten Kindes variiert. Bei den jüngeren Kindern, das heißt, bei den Kindern unter drei Jahren, gehen die erwerbstätigen Frauen circa 27 Stunden pro Woche arbeiten, während die Erwerbsarbeitszeit mit zunehmendem Alter der Kinder auf circa 32 Stunden ansteigt. Auch diese altersabhängige Arbeitszeit findet sich in Leipzig nicht oder doch nur in geringem Umfang. Bei den jüngeren Kindern geben die erwerbstätigen Frauen circa 37 Stunden Arbeitszeit an, während bei den älteren Kindern 39 bis 43 Stunden angegeben werden.

Diese Variation ist erheblich geringer als in den westdeutschen Dienstleistungszentren. Dennoch ist die zeitliche Belastung bei Kindern unter drei Jahren in den westdeutschen Dienstleistungszentren und in Leipzig etwa gleich hoch, weil sich der Aufwand für Hausarbeit, auch angesichts besserer Betreuungsmöglichkeiten in Leipzig, offenbar nicht spürbar reduzieren läßt. Sowohl in den westdeutschen Dienstleistungszentren als auch in Leipzig geben die jungen Frauen an, für Beruf und Familie insgesamt circa siebzig Wochenstunden aufzuwenden.

 
           
 
 
GO! Link zur Homepage des DHM Zurück Zurück zur Homepage Sitemap Gästebuch Nach Oben Zur nächsten Seite "Junge Familie" "Auf dem Campingplatz" "Mütter und Kinder auf einem Spielplatz" Vergrößern