Während
die wöchentliche Arbeitszeit bei den älteren Kindern
in den westdeutschen Dienstleistungszentren deutlich sinkt, sinkt
sie trotz der besseren Betreuungsmöglichkeiten in Leipzig
kaum. Trotz der inzwischen verbesserten Versorgungslage ist ganz
offenkundig der Aufwand für Haushalt und Familie so beachtlich,
daß hier eine erhebliche Mehrbelastung der Frauen gegenüber
ihren Kolleginnen in den westdeutschen Dienstleistungszentren
festzustellen ist. Die Leipziger Frauen arbeiten aber auch durchschnittlich
sechs Stunden pro Woche länger als ihre Männer, die
ein höheres berufliches Engagement und ein erheblich geringeres
Engagement in Haushalt und Familie zeigen.
In den westdeutschen Dienstleistungszentren
scheint sich eine andere Form der Arbeitsteilung zwischen Männern
und Frauen herausgebildet zu haben, nämlich ein erhöhtes
berufliches Engagement des Mannes, ein verringertes berufliches
Engagement der Frau, ein erhöhtes Engagement der Frau für
Haushalt und Familie und ein geringeres Engagement des Mannes
für Haushalt und Familie. Gleichheit scheint in den westdeutschen
Dienstleistungszentren über Zeit und nicht über Arbeitsteilung
angestrebt zu werden. Mit einiger Zurückhaltung könnte
man aus diesen Daten die These formulieren, daß sich, zumindest
in den westdeutschen Dienstleistungszentren, bei Familien mit
Kindern, wenn die Väter und Mütter berufstätig
sind, Formen einer gleichverteilten Belastung durch Beruf und
Familie zu entwickeln scheinen, wobei der Ausgleich nicht über
innerfamiliale Arbeitsteilung gesucht wird, sondern eher über
eine gleiche zeitliche Belastung während der Woche. Dieses
Modell, das aber auch in der übrigen Bundesrepublik sonst
kaum zu finden ist, findet sich in Leipzig nicht, da hier die
Mehrbelastung der Frauen im Haushalt nicht durch ein vermindertes
Engagement im beruflichen Bereich aufgefangen werden kann.
Nun kann man sich natürlich fragen,
ob die hier skizzierten Modelle der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf auch Lebensmodelle sind, die von den Betroffenen so
gewünscht werden, oder ob es Modelle sind, die sich aufgrund
der Umstände ergeben haben. Wie unsere Untersuchung der "Vereinbarkeit
von Familie und Beruf in den westdeutschen Dienstleistungszentren
sowie Leipzig" zeigt, gibt es bei Eltern mit Kindern auch
in den Vorstellungen, wie Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren
sind, eine klare und eindeutige Beziehung zum Alter des Kindes.
Sind keine Kindervorhanden, sind die Eltern
mit Kindern zu knapp 84 Prozent der Meinung, daß beide Teile
voll berufstätig sein sollten, ein Prozentsatz, der sich
von den über 94 Prozent in Leipzig zwar unterscheidet, aber
doch deutlich macht, daß das traditionelle Modell der Hausfrauenehe
dann, wenn keine Kinder vorhanden sind, von der überwiegenden
Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Für die Hausfrauenehe
können sich in den westdeutschen Dienstleistungszentren nicht
einmal zwei Prozent erwärmen; in Leipzig sind es lediglich
0,2 Prozent.
Anders sieht es aus, wenn die Kinder unter
drei Jahre alt sind. Dann stimmt auch in den westdeutschen Dienstleistungszentren
etwas mehr als die Hälfte der Befragten dafür, daß
die Frau nicht berufstätig sein sollte, und weitere knapp
17 Prozent lassen es offen, ob der Mann oder die Frau nicht berufstätig
sind. Andere Modelle fallen demgegenüber weit ab.
Bei den Leipziger Befragten ist die Tendenz
für dieses Modell von Hausfrau und Mutter nicht ganz so eindeutig,
aber noch deutlich erkennbar: 35,2 Prozent sind bei einem Kind
unter drei Jahren der Meinung, daß die Frau nicht berufstätig
sein sollte, und weitere 6,3 Prozent sind dafür, daß
nur einer berufstätig ist. Im Gegensatz zu den Wunschvorstellungen
der sozialistischen Familienplaner entspricht bei Kindern unter
drei Jahren nicht das Modell der voll in das Erwerbsleben integrierten
Frau dem Wunsch der Befragten, sondern neben dem Hausfrauen- und
Muttermodell eindeutig die Teilzeitbeschäftigung mit 37,6
Prozent beziehungsweise weiteren 10,4 Prozent, die offenlassen,
wer Teilzeit arbeiten sollte. Anders als in den westdeutschen
Dienstleistungszentren spielt die Teilzeittätigkeit des Mannes
mit immerhin 23,5 Prozent gegenüber 0,9 Prozent in den alten
Bundesländern in den Vorstellungen der Menschen in Leipzig
eine gewichtige Rolle.
Bei den drei- bis sechsjährigen Kindern
gewinnt auch in den westdeutschen Dienstleistungszentren das Teilzeitmodell
deutlich an Gewicht, wohingegen das Modell der Hausfrau und Mutter
an Bedeutung verliert. Bei den Leipziger Befragten ist das Hausfrauen-
und Muttermodell bei den drei- bis sechsjährigen Kindern
mit etwa 7 Prozent so gut wie nicht mehr vorhanden. Die Teilzeittätigkeit
der Frau dagegen erreicht einen Anteil von knapp 57 Prozent.
Bei Schulkindern sind die Befragten sowohl in den westdeutschen
Dienstleistungszentren als auch in Leipzig mehrheitlich der Auffassung,
daß die Teilzeittätigkeit das beste Modell sei, um
Beruf und Familie miteinander zu verbinden, wobei hier die Vollerwerbstätigkeit
in den westdeutschen Dienstleistungszentren überwiegend negativ
eingeschätzt wird, während sich in den neuen Bundesländern
immerhin etwas mehr als ein Drittel der Befragten vorstellen kann,
in dieser Altersphase der Kinder voll erwerbstätig zu sein.
Auch diese Analyse macht deutlich, daß
die Vorstellungen über die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf vom Alter des Kindes abhängig sind. Dieses phasenspezifische
Konzept gilt sowohl für Leipzig als auch für die westdeutschen
Dienstleistungszentren. Dabei ist im Westen die Übereinstimmung
zwischen den Vorstellungen und den tatsächlich gelebten Formen
größer als in Leipzig.