2. Eine Geschichtsquelle
entsteht: Die Besucherbücher
Die Reaktion auf das Angebot der Besucherbücher
war enorm: Während der zehnmonatigen Laufzeit der Ausstellung
wurden mehr als ein Dutzend dickleibige Folianten vollgeschrieben.
Diese Niederschriften zur deutsch-deutschen Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft haben eine ganz eigene Choreographie. Auswahl und
Zusammenschau sind ebenso zufällig wie selektiv: Nicht jeder
Besucher traute sich, zum Stift zu greifen, und nicht alle Besucher
waren motiviert, sich zu äußern. Viele Anmerkungen
wurden spontan formuliert, waren Eingebungen des Augenblicks;
doch sehr viel mehr Einträge geben eine Grundhaltung oder
eine Einstellung des Schreibenden wieder.
"Mich hat die Ausstellung sehr zum
Nachdenken angeregt. Sie war sehr gut. Kerstin S." (4: 13.11.93,
w, Ostdeutschland)
"Gegenseitiges Kennenlernen ist zum
gegenseitigen Verständnis wichtig. Dazu trägt diese
Ausstellung bei!" (7: 11.6.93, w, Berlin-Steglitz)
"Man wird sehr nachdenklich, überprüft
vieles bei sich selbst und in seinem Denken, schaut auf die Menschen,
denen man jetzt ohne Mauer und frei begegnen kann - und versteht
hoffentlich einiges mehr." (1: 4.10.93, m, Jg. 1929)
Wenn auch die Einzelstatements dominieren,
so ist es doch ebenso erstaunlich wie zentral, daß zahlreiche
Niederschriften in den Besucherbüchern nicht isoliert voneinander
zu lesen sind, sondern mit anderen in Beziehung stehen. So fand
in den Büchern auch eine Art Dialog, eine zeitversetzte Diskussion
statt. Die Besucherbücher wurden sehr schnell zum genuinen
Teil der Austellung - wie es auch ganz in der Absicht der Ausstellungsmacherinnen
gelegen hatte. Auch die Medien erkannten sehr schnell, daß
die Besucher hier einen Ort sahen, wo sich "Volkes Stimme"
äußern konnte.