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Während die "Jungsenioren"
seit Jahren angesichts ihrer stattlichen Zahl von zehn Millionen
jedoch nicht mehr zu übersehen sind und wir diese Tatsache
inzwischen wohl auch weitgehend zur Kenntnis genommen haben, so
scheint mir das in bezug auf die "Hochbetagten" noch
nicht der Fall zu sein. Wenn wir von "Alterslastigkeit unserer
Gesellschaft", von "Überalterung", "Rentenproblemen",
"Gefahren für den Generationen-Vertrag", "Grauen
Panthern" oder auch nur von "Senioren-Treffpunkten"
sprechen, dann denken wir meist an das "Dritte", kaum
jedoch an das "Vierte Alter". So will ich hier denn
auch nicht einmal mehr bereits offene oder zumindest aufgestoßene
Türen einrennen und nicht ein weiteres Mal für einen
"größeren Einsatz zugunsten unserer <älteren
Menschen>" plädieren oder "Universitäten
für das Dritte Alter" fordern, auch nicht vermehrtem
"Alters-Sport" das Wort reden oder dem Slogan "Wer
rastet, der rostet" huldigen. All das setze ich bei uns voraus.
Ebenso wie ich es bei uns für selbstverständlich halte,
daß ältere Menschen Anspruch auf wirtschaftliche Sicherstellung
haben, auf gesundheitliche Versorgung, auf Befriedigung ihrer
Wohnungsbedürfnisse. Wir hatten bei uns bereits Jahrzehnte
Zeit, um uns mit der ganzen Palette von Problemen dieses Dritten
Alters auseinanderzusetzen, Lösungsvorschläge auszuarbeiten,
sie in die Tat umzusetzen, die getroffenen Maßnahmen - falls
notwendig - abzuändern und zu verbessern. Und wo eine Realisierung
selbst heute noch nicht vollzogen und nicht selbstverständlich
sein sollte, wo sie nach wie vor umstritten oder angesichts "dringenderer"
Probleme bei niedriger werdendem Haushaltsplafond gar gefährdet
ist, scheint es mir nicht in erster Linie die Aufgabe des Historikers
zu sein, hier für Abhilfe zu sorgen. Für mich handelt
es sich hierbei um historische Probleme. Diejenigen, die sie wieder
zu aktuellen machen möchten - seien es nun Politiker, Sozialfürsorger,
Wirtschaftsfachleute - , sollten sich dies ebenfalls ins Stammbuch
schreiben.
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Es liegt mir fern, Bedenken von der Hand
zu weisen, wonach die erreichten Ziele auch bei uns wieder gefährdet
sein könnten, sei es wegen des zunehmenden Ungleichgewichts
zwischen immer mehr Älteren und immer weniger jüngeren,
sei es wegen des Abbaus von Fürsorgemaßnahmen als Folge
von Beschneidungen im Sozialhaushalt. Dennoch scheint mir diese
Sicht, wenn sie weitere Aspekte außer acht läßt,
zu einseitig. Werden hierbei nicht die Leistungsmöglichkeiten
von ausschließlich sozialen Diensten für die Alten
überschätzt? Schlägt hier nicht unsere anerzogene
Versorgungs- und Betreuungsmentalität durch? Selbstverständlich
ist es einfacher, die materiellen Ansprüche von Senioren
zu erkennen, abzuwägen und zu erfüllen, als ihre seelisch-geistigen
Bedürfnisse zu befriedigen. Hier wird uns nicht selten unser
sozialstaatlich ausgerichtetes Denken zum Hindernis. Es erzieht
uns zu jenem sozialen Eudämonismus, der das Glück und
die Sinnerfüllung des Einzelnen einzig in seiner Entlastung
von wirtschaftlichen Sorgen, in einer möglichst maximalen
Versorgung mit allen nur möglichen Konsumgütern, in
einer existenzsichernden Rente bis zum letzten Atemzug, in alles
und jedes einkalkulierenden Versicherungen, letztlich in einer
allumfassenden materiellen Versorgung und Absicherung sieht. Hinzu
kommt, daß er uns von sich abhängig macht. Abhängigkeit
von den Leistungen des Sozialstaats bedeutet aber nicht mehr,
sondern weniger innere Freiheit und innere Sicherheit.
Ein übers
andere Mal haben wir festgestellt, daß es gerade ein heute
dichter denn je gewobenes Sicherheitsnetz ist, das den Wandel
von den ehemaligen Gemeinschaften zu unseren Gesellschaften von
Einzelgängern erst ermöglichte. Solange wir in der Hektik
des Berufs- oder Familienlebens stehen und auch noch solange wir
uns des Konsumrausches erfreuen (können), mag das die "entsetzliche
Leere" übertünchen, von der Hochbetagte sprechen,
die jedem Aktivismus abgeschworen haben oder aus körperlichen
Gründen abschwören müssen. Es mag unsere geistig-seelischen
Bedürfnisse abtöten oder so weitgehend unterdrücken,
daß es mit einem gelegentlichen Museums-, Theater- oder
Konzertbesuch sein Bewenden haben kann.
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Ich gehe somit bewußt von der ganz
und gar erstmaligen, historisch gesehen völlig einmaligen
Situation einer rasch zunehmenden Bevölkerung von "Hochbetagten"
aus. Viele unter uns haben gute Aussichten, über kurz oder
lang zu ihnen zu gehören. Schon jetzt ist es jede dritte
Frau und jeder siebente Mann. Und die Tendenz ist steigend. Eine
Minderheit? - Doch lassen wir die Statistiken hinter uns! Sie
dienten uns auch oben nur als Kulisse. Statistiken bieten dem
Einzelnen schließlich keine Gewähr dafür, daß
gerade er oder sie zum "statistischen Durchschnitt"
gehört. Allerdings läßt sich aufgrund statistischer
Werte zuverlässiger einschätzen, inwiefern es sich lohnt,
über damit verbundene Probleme, Chancen, Perspektiven nachzudenken.
Und ob es sich lohnt! "Hochbetagte" sind keine Einzelfälle
mehr, "sehr alte alleinstehende Frauen" nicht länger
seltene Ausnahmen. Und anderswo auf der Weit folgen uns ganze
Völker in dieser Entwicklung nach. Sie erwarten von uns,
daß wir sie über bevorstehende Schwierigkeiten sowie
deren Handhabung und Lösung aufklären. Sind wir dazu
in der Lage?
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