Seit dem ausgehenden
19. Jahrhundert definierte sich die bürgerliche Jugend
selbst als eigenständige Gruppe. In der Gemeinschaft der
Gleichaltrigen wollten die Gymnasiasten aus dem als steif, verlogen
und beschränkt empfundenen Mief der Elternhäuser ausbrechen.
Sie begehrten gegen den Paukdrill der Schule auf, suchten im
"Wandervogel" die Hinwendung zur Natur und zu einem
"natürlichen Leben" sowie die Freisetzung schöpferischer
Energien. Anti-urban und anti-industriell eingestellt, flüchteten
sich die Wandervogelgruppen jedoch oft in eine deutschtümelnde
Sozialromantik. Mädchen waren in ihren Reihen ebenso unerwünscht
wie jüdische Mitglieder.
Auch die Arbeiterjugend "entdeckte
sich". Allerdings ging es ihr weniger um die Abgrenzung
von den Erwachsenen, im Gegenteil: Die jugendlichen Arbeiter
wollten als Erwachsene anerkannt werden. Jung zu sein bedeutete
für sie, unmündig zu sein. Sie dagegen wollten ernstgenommen
werden, weil sie wie die Erwachsenen im Arbeitsleben standen.
Zur bürgerlichen Jugendkultur gab es deshalb über
etliche Jahre kaum Verbindungen.