So unterschiedlich
die bürgerliche und die Arbeiter-Jugendbewegung waren,
so unterschiedlich war auch die Situation der jungen Männer
dieser Schichten, wenn sie ihren Militärdienst ableisteten.
Der Gymnasiast konnte "Einjährig-Freiwilliger"
werden mit der Aussicht, zum Reserveoffizier aufzusteigen, und
wohnte (von den ersten Wochen der Dienstzeit abgesehen) in einem
eigenen Zimmer. Der Arbeiter lebte zwei oder drei Jahre lang
zusammen mit anderen auf der Stube und blieb stets Untergebener.
Auch in diesem Sinne war das Militär der von Standesdünkel
geprägten Kaiserzeit die "Schule der Nation".
Für alle Männer bestand Wehrpflicht;
ein Recht auf Wehrdienstverweigerung existierte nicht. Das wehrpflichtige
Alter begann mit Vollendung des 17. Lebensjahres.
Die allgemeine aktive Dienstpflicht dauerte
bei der Kavallerie und der reitenden Feldartillerie drei Jahre,
bei den übrigen Truppen zwei Jahre. Darauf folgte die Reservepflicht,
die mit der aktiven Dienstpflicht zusammen sieben Jahre betrug.
Für manchen Arbeiter mag die Dienstzeit
beim Militär ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit
bedeutet haben. Diesen Eindruck vermittelt zumindest der "Leitfaden
zum Dienstunterricht für die Mannschaften", wenn er
"Ein Wort an den Reservisten" richtet: "Die zwei
Jahre deiner Dienstzeit sind nun um, und niemand wird dir verdenken,
daß du dich freust, in die Heimat, zu den Deinen und in
deinen bürgerlichen Beruf zurückzukehren. Bei vielen
Reservisten aber verblaßt bald die Freude, wenn der Ernst
des Lebens und die Sorge um das tägliche Brot an ihn herantritt,
und mancher denkt dann doch mit heimlicher Sehnsucht zurück
an die schöne sorglose Soldatenzeit; denn darüber
darf man sich keiner Täuschung hingeben, so sorglos wie
als ein Soldat, der seine Pflicht tut, lebt man wohl kaum wieder."
Der materiellen Absicherung standen aber auf der Negativseite
unbedingter Gehorsam, Strammstehen, Unterordnung, bisweilen
Schikane gegenüber. Daß der Militärdienst gleichwohl
eine große Rolle im Lebenslauf spielte, darauf deuten
die vielen Erinnerungsstücke hin, die auch von einfachen
Soldaten überliefert sind.