92 Prozent aller Schüler im Deutschen
Reich verließen die Schule mit dem Ende der Volksschulzeit,
also nach der achten Klasse. (Nur in Bayern endete die Schulpflicht
bereits nach der siebten Klasse). Für die evangelischen
Schüler (und die Mehrheit der Bevölkerung war evangelisch)
fielen Konfirmation, Schulentlassung und der Beginn des Arbeitslebens
zusammen. Anders als die katholische Kommunion war die Konfirmation
für die Heranwachsenden nicht nur eine kirchliche Feier,
sondern zugleich ein zentraler lebensgeschichtlicher Einschnitt.
Die Bedeutung der Konfirmation für
die nächste Lebensstation zeigte sich auch darin, daß
zur Erlangung eines Arbeitsplatzes die Vorlage des Konfirmationsscheins
oftmals wichtiger war als das Schulentlassungszeugnis. Dienstmädchen
wurden wohl mit abgebrochener Schulausbildung, aber erst nach
der Konfirmation eingestellt. Die Dienstherren wollten auf diese
Weise die Ausfallzeiten durch den Konfirmandenunterricht vermeiden.
Die Jugendweihe (die man heute zumeist
mit der DDR in Verbindung bringt) gab es bereits seit dem 19.
Jahrhundert. Allerdings nahmen um die Jahrhundertwende nur wenige
Heranwachsende, besonders in Berlin und Hamburg, daran teil.
Dieses freireligiöse Fest des Erwachsenwerdens, das eng
an die Arbeiterbewegung gebunden war, erlangte erst in der Weimarer
Zeit größere Verbreitung.
Drei Viertel aller Jugendlichen erlernten
einen Beruf (unter ihnen waren die Jungen aber sehr viel stärker
vertreten als die Mädchen). Die zumeist drei bis vier Jahre
dauernde Lehrzeit, für die ein Lehrgeld zu entrichten war,
wurde im allgemeinen im Hause des Lehrherrn absolviert. Dessen
"väterliche Zucht" bestimmte die Lehrjahre ebenso
wie lange Arbeitstage. Laut Gesetz vom 1. Juni 1891 wurde zwar
die tägliche Arbeitszeit für Jugendliche zwischen
14 und 16 Jahren auf zehn Stunden begrenzt; diese Regelung galt
aber nur für die Fabriken, nicht für die Handwerksbetriebe.
Eine Berufsschulpflicht gab es vor 1918
nicht; in den großen Städten besuchte aber ein erheblicher
Teil der arbeitenden Jugend die Berufs- und Fortbildungsschulen.
Für die Mädchen bedeutete
das Ende der Schulzeit zumeist nicht den Beginn einer Lehre,
sondern einer Anlerntätigkeit in Werkstatt oder Fabrik.
Das "in Stellung gehen", die Mithilfe bei der Heimarbeit
der Mutter oder in der elterlichen Landwirtschaft gehörten
ebenso zu den typischen Beschäftigungen der Mädchen
der unteren Schichten bis zur Heirat.