Hatte ein Mann
um 1900/10 das 40. Lebensjahr erreicht, so konnte er noch mit
einer Lebensdauer von etwa 26 Jahren rechnen. Für Frauen
lag sie bei 29 Jahren. Nur wenige Menschen aber, nämlich
rund fünf Prozent der deutschen Bevölkerung, erlebten
das Rentenalter, das die 1889 in Kraft getretene Invaliditäts-
und Altersversicherung auf 70 Jahre festlegte. Dennoch bildete
dieses Gesetz den Grundstein für eine bis dahin unbekannte
arbeitsfreie Altersphase im Lebenslauf jedes Menschen.
Die Kürze der Lebensdauer hatte weitreichende
Konsequenzen für die Lebensstationen des Einzelnen. Da
das Heiratsalter bei fast 30 Jahren lag, verbrachten Ehepaare
weniger Jahre miteinander, als dann im Laufe des 20. Jahrhunderts
üblich wurde. Die Spanne zwischen dem Zeitpunkt, an dem
die Kinder das Haus verlassen hatten und die Eltern allein blieben,
und dem Tod war relativ kurz. Eine Lebensphase als Rentner,
als Pensionär, die uns heute selbstverständlich ist
und die in unserer Gesellschaft im allgemeinen viele Jahre umfaßt,
war damals unbekannt.
Wenngleich es traditionell Siechenhäuser,
Spitäler etc. zur Aufnahme alter Menschen gab, verbrachten
um die Jahrhundertwende sehr viel mehr Menschen als heute den
Lebensabend in einer mehrere Generationen umfassenden Familie.