Ein Mensch, der
in der Bundesrepublik stirbt, wird zumeist mit kirchlichem Segen
beerdigt: Mehr als 88 Prozent der Trauerfeiern wurden 1982 mit
einem religiösen Zeremoniell begangen. Im Vergleich dazu
lag der Anteil mit kirchlichen Riten begangener Lebensstationen,
wie Taufe (80 Prozent) und Hochzeit (ca. 60 Prozent), darunter.
Bestattungsfeiern
werden noch immer traditionell und mit prachtvollem und kostspieligem
Aufwand begangen. Ein Begräbnis ist selbst in einfachster
Ausstattung mit hohen finanziellen Kosten verbunden. Demgegenüber
haben die Vorschriften für eine öffentliche Trauer an
Bedeutung verloren. Verbindliche Bekleidungsvorschriften gelten
lediglich für den Tag des Begräbnisses, und ein wochen-
oder monatelanges Tragen von schwarzer Kleidung ist allenfalls
noch in ländlichen Gegenden anzutreffen.
Neben den traditionellen
Bestattungsformen hat sich eine neue Form der Beisetzung entwickelt,
die dem Friedhof als Ort der Trauer seine Bedeutung zu nehmen
scheint. Anonyme Urnenbeisetzungen, bei denen keine Trauergäste
mehr anwesend sind, nehmen zu. In Anwesenheit des Friedhofspersonals
werden die Urnen nach der Einäscherung auf einem neutralen
Rasenstück beigesetzt, auf dem kein Grabstein oder Schild
auf den Verstorbenen hinweist. Den genauen Lageplatz der Urne
kennt nur die Friedhofsverwaltung. Diese aus Skandinavien kommende
Bestattungsform wurde zuerst in Flensburg, Hamburg und Kiel eingeführt.
Es wird geschätzt, daß 20 Prozent der Bestattungen
in Norddeutschland anonym vorgenommen werden. In Flensburg, der
Stadt mit der höchsten Rate von Alleinlebenden in Deutschland,
finden über 50 Prozent der Beisetzungen anonym statt. In
großen urbanen Zentren wie Berlin oder Hamburg läßt
sich mittlerweile jeder Vierte anonym beisetzen. Und auch in Gegenden
mit einer überwiegend katholischen Bevölkerung steigt
die Nachfrage nach anonymen Begräbnissen - zumal, wenn auch
deutlich seltener, anonyme Erdbestattungen möglich sind.
Die anonyme Bestattung
ist weitaus kostengünstiger als herkömmliche Formen.
Eine Grabpflege muß von den Hinterbliebenen nicht mehr geleistet
werden. Trotzdem, so berichten Friedhofsangestellte, werden immer
wieder Blumen und Kränze auf die Rasenfläche gelegt.
Auf manchen Friedhöfen ist die Verwaltung dazu übergegangen,
Blumenkübel aufzustellen und besondere Flächen für
die Kränze bereitzustellen.