Die Bildungsreform
der sechziger und siebziger Jahre hat zu einem starken Wandel
in der Jugendphase geführt. Immer mehr Jugendliche bleiben
länger im Schul- und Ausbildungssystem. Die Bildungsreform
sollte dazu beitragen, daß Kinder aus Schichten mit niedrigem
Einkommen und geringem Bildungsstand eine höhere Schulbildung
erhielten und ein Studium aufnehmen konnten. Und tatsächlich
hat die Expansion des Gymnasiums sozial benachteiligten Kindern
neue Chancen eröffnet: Der Anteil der Gymnasiasten, die aus
Arbeiterfamilien stammen, stieg zwischen 1965 und 1982 von weniger
als 6 Prozent auf immerhin 8,5 Prozent. Dabei muß man aber
bedenken, daß der Anteil der Gymnasiasten an den Schülern
generell expandierte und zugleich auch der Anteil der Kinder aus
den Schichten, die immer schon im Gymnasium vertreten waren, zugenommen
hat. Das bedeutet: Etwa jedes 10. Arbeiterkind besucht heute das
Gymnasium, aber jedes 2. Kind aus einer Beamtenfamilie. An der
Universität sieht es ähnlich aus; die Bildungsbenachteiligung
von Arbeiterkindern ist auch hier abgebaut worden, aber keineswegs
insgesamt beseitigt. Aufgrund der Bildungsexpansion hat sich die
Situation an den Schulen und Hochschulen grundlegend gewandelt:
1950 hatten nur 3 Prozent eines Altersjahrgangs ihre Schulbildung
mit einer Zulassung zum Besuch einer Hochschule abgeschlossen;
1980 waren es bereits 30 Prozent, und 1990 erwarben 34 Prozent
aller Schüler die Hochschulreife. Am ehesten hat der Prozeß
der Chancengleichheit für die Mädchen stattgefunden,
die man als die eigentlichen Gewinner der Reform bezeichnen kann.
1967 hatten noch 80 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren keine
Schulbildung über das 14. Lebensjahr hinaus erhalten, nicht
zuletzt aufgrund der verbreiteten Meinung, "daß sie
ja sowieso mal heiraten". Mittlerweile haben die Mädchen
die Jungen überholt: Bereits 1978 gingen 52 Prozent der Mädchen
auf eine weiterführende Schule, aber nur 45 Prozent der Jungen.
Und 1986 machte der Anteil der Studentinnen an den Studierenden
der Hochschulen schon 40 Prozent aus.
Die längeren
Ausbildungszeiten einer akademischen Laufbahn haben sich auf die
Lebensführung der jugendlichen nachhaltig ausgewirkt. Sie
beginnen meist sehr viel später als Jugendliche in anderen
Berufszweigen, eine eigene Familie zu gründen.