Im Mai 1831 drang die „Asiatische Cholera“ über Russland bis nach Preußen vor. Die kurze Zeitspanne von der Erkrankung bis zum Tod, die hohe Sterblichkeitsquote sowie die Ungewissheit über die Verbreitungsform machten die Cholera zu einer existenziellen Bedrohung, die die Bevölkerung der deutschen Staaten in Angst und Schrecken versetzte. Die Furcht vor Ansteckung führte vielerorts zum Zusammenbruch des gesellschaftlichen Lebens, da Bürger des höheren Standes sich zurückzogen und Kontakt zu anderen Schichten mieden. Gerüchte, durch die Ärzte als Ursprung der Seuche bezichtigt wurden und pietätloser Umgang mit „Choleraleichen“ lösten in einigen deutschen Städten Unruhen aus, die erst durch militärische Präsenz ihr Ende fanden.
Die Choleraepidemie hatte ihren Ursprung in Indien, wo sie 1829 ausgebrochen war und sich von dort über Handelswege zunächst in Richtung Russland ausbreitete. In Moskau trat sie im September 1830 erstmals in Erscheinung. Im Schlepptau der russischen Armee, die bedingt durch den polnischen Novemberaufstand 1830 in Kongresspolen intervenierte, breitete sich die „Russische Pest“ weiter über Europa aus und näherte sich den Grenzen des Deutschen Bundes.
Dessen Mitgliedsstaaten versuchten sich gegen die Einschleppung der todbringenden Krankheit zu schützen: Bereits 1830 wurde von der österreichischen Regierung ein Programm zur Seuchenabwehr publiziert, das auch für viele der deutschen Staaten Vorbildcharakter erlangte. Durch Errichtung eines militärischen Sperrgürtels an den Grenzen, eines sogenannten Gesundheits-Cordons, die Einschränkung des Schiffsverkehrs auf Binnengewässern und Flüssen sowie die Schließung der Seehäfen sollte die Cholera außerhalb der eigenen Grenzen gehalten werden. Auch die vermeintliche Desinfizierung von gehandelten Waren mit Chlorgas und strenge Quarantänevorschriften für Reisende aus betroffenen Gebieten waren gängige Methoden der Seuchenvermeidung. Inländern war das Reisen nur mit Besitz einer „Legitimations-Karte“ gestattet, die dem Reisenden die Gesundheit bestätigten.
Obwohl die Missachtung der Gesundheits-Cordons mit der Todesstrafe geahndet werden konnte, fand die Krankheit trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ihren Weg über die Grenzen. Ende Mai 1831 meldeten Danzig und Königsberg bereits die ersten Cholerafälle, von wo die Krankheit über Pommern und Posen bis nach Berlin, Magdeburg und Hamburg gelangte. Besonders schwer betroffen waren die östlichen Provinzen des preußischen Staates wie Posen, West- und Ostpreußen, wohingegen das preußische Westfalen und die süddeutschen Staaten 1831 noch von der Cholera verschont blieben.
Aus dem Zarenreich waren die Behörden über die Krankheit informiert und die Zeitungen schürten die Furcht vor der „verderblichen Seuche“. In speziellen Cholera-Zeitungen tauschten sich Ärzte aus und diskutierten mögliche Behandlungsmethoden. Die Cholera stellte die Ärzteschaft vor ein Rätsel, denn sie war nicht in der Lage, Klarheit über die Übertragungswege zu gewinnen. Wenig hilfreiche Therapiemethoden, wie das Benebeln mit Chlorgas oder das Durchführen eines Aderlasses, fügten dem Patienten eher Schaden zu, als dass sie Linderung verschafften. Weiterhin empfahlen die Mediziner sparsame Ernährung und eine sittliche Lebensweise. Da sich keine Heilungserfolge einstellten, verbreiteten sich Gerüchte, durch welche die Mediziner beschuldigten wurden, die Armen auf Geheiß der Regierung zu vergiften. Zahlreiche Ärzte wurden daraufhin Opfer von körperlichen Übergriffen.
In den katastrophalen hygienischen Zuständen in der Zeit des Pauperismus fand die Seuche vor allem in der Masse der Armen rasende Verbreitung. Das Cholera-Bakterium gelangte über die Ausscheidungen der Erkrankten in Sickergruben und von da auch in das Trinkwasser. Besonders in den Städten lebten sozial schwache Familien oftmals in kleinen Wohnungen dicht gedrängt auf engstem Raum zusammen. Die Nutzung von Gemeinschaftslatrinen, der Umlauf von kontaminierten Lebensmitteln und das Waschen mit verseuchtem Wasser ließen die Zahl der Infizierten schnell ansteigen. Da insbesondere die unteren Schichten den eigens eingerichteten Cholerahospitälern misstrauten, wurden die Kranken von den Verwandten oder Nachbarn gepflegt, was eine weitere Verbreitung der Krankheit forcierte.
Kam es zu einem Befall, veranlassten die von der jeweiligen Regierung eingesetzten Cholera-Kommissionen die Quarantänehaltung für ganze Häuser, Straßenzüge oder Stadtteile. Der schnelle Krankheitsverlauf der Cholera endete sehr oft tödlich. Nicht selten trat der Tod wenige Stunden nach Aufkommen der ersten Symptome ein. Durchfall und Erbrechen führten zur Dehydration.
Die Angst vor der Krankheit führte zu gesellschaftlichen Spannungen: Gutsbesitzer schotteten sich auf ihren Gütern ab, reiche Bürger flohen auf ihre Landsitze oder vermieden jeglichen Kontakt zu anderen Menschen. Insbesondere die Frage der Bestattung barg weiteren sozialen Zündstoff. Während die Choleratoten der unteren Schichten auf speziellen Cholerafriedhöfen beigesetzt wurden – oftmals in Massengräbern – waren bessergestellten Bürger nicht selten in der Lage, ihren verstorbenen Angehörigen eine Beisetzung auf einem Gemeindefriedhof zu erkaufen. Auch führte der pietätlose Umgang mit den verstorbenen Armen zu handfesten Unruhen. In Posen, Memel und Königsberg musste das Militär einschreiten, um solche Tumulte zu unterbinden.
Besonders die Besitzenden fürchteten die Krankheit, da sie durch die Tatsache, dass Arme und Reiche gleichermaßen der Krankheit anheimfallen konnten, als Vorzeichen einer bevorstehenden gesellschaftlichen Umwälzung gesehen wurde. Die sinngemäße Verflechtung der Cholera mit der französischen Julirevolution von 1830 machte sie zur „rebellisch-revolutionären“ Seuche, die viele Opfer forderte.
Bis Dezember 1831 waren allein in Berlin bei einer Einwohnerzahl von circa 240.000 insgesamt 2.249 Menschen erkrankt, von denen 1.417 den Tod fanden. In der 55.000 Einwohner umfassenden Stadt Danzig erlagen 1.076 von 1.471 Erkrankten der Seuche. Nach dem erneuten Aufkeimen der Krankheit im Jahr 1832 hatte alleine Preußen in den beiden Cholerajahren 1831 und 1832 rund 41.000 Opfer zu beklagen, darunter auch den Philosophen Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1831) und den berühmten preußischen General August Neidhardt von Gneisenau (1760-1831). Neben Preußen fielen auch in anderen Regionen zahlreiche Menschen der Seuche zum Opfer. So wurden etwa 1.650 der rund 130.000 Hamburger Einwohner durch die Seuche dahingerafft. Das österreichische Wien verzeichnete nach dem Abflauen der Cholerawelle 1832 etwa 2.200 Choleratote bei 330.000 Einwohnern.
Die erste Cholerawelle Europas rollte im Laufe des Jahres 1832 aus. Die Bedrohung durch die Cholera war aber nicht gebannt, denn die Seuche wütete im 19. Jahrhundert noch in weiteren Epidemien. Erst Robert Koch gelang 1883 den Zusammenhang zwischen Cholera und verunreinigtem Trinkwasser aufzuzeigen, wodurch es ermöglicht wurde, Ansteckungen in vielen Fällen zu vermeiden und der Krankheit Herr zu werden.