Durch verschiedene Ausgrabungen in römischen Stätten, wie in Pompeji und Herculaneum, begann Mitte des 18. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Erforschung der antiken Kunst und Architektur. Die aufkommende Antikenbegeisterung und die Nachahmung antiker Bauformen erreichte im so genannten Klassizismus eine neue Blüte. Dieser Architekturstil sollte europaweit bis 1830 prägend sein. In Anlehnung an den Formenkanon des klassischen Tempelbaus wurden geradlinig, klare Formen bevorzugt und die strenge Fassadengliederung mit klassischen Säulenordnungen gestaltet.

Seine deutlichste Ausprägung fand der Klassizismus in der Architektur und Stadtplanung fürstlicher Residenzstädte. In Deutschland sind so zum Beispiel die Großstädte Berlin und München im klassizistischen Sinne umgestaltet worden.

Der bedeutendste klassizistische Architekt des Königreiches Preußen war Karl Friedrich Schinkel. Nach der klassizistischen Umgestaltung des Berliner Doms wurde er 1822 von dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. mit dem Bau des ersten öffentlichen Museums Berlins beauftragt. Das heutige „Alte Museum“ (1824-30) band Schinkel in seinen Gesamtentwurf einer klassizistischen Neugestaltung des Lustgartens mit ein. Zu den Höhepunkten seines Schaffens gehört außerdem die Neue Wache (1816-18) in der Prachtstraße Unter den Linden und das Schauspielhaus (1818-21) auf der bereits bestehenden Platzanlage des Gendarmenmarktes mit Deutschem und Französischem Dom.

Nachdem Leo von Klenze bereits die Stadt Kassel klassizistisch umgestaltet hatte, wurde er Hofarchitekt von König Ludwig I. von Bayern, in dessen Auftrag er Plätze und Straßen in München im Stil des Klassizismus einheitlich gestaltete. Neben der Ausgestaltung des Odeonsplatzes gehört vor allem die Anlage des Königsplatzes mit Glyptothek und monumental repräsentativen Torbau der Propyläen zu den Hauptwerken des Architekten. Für letztere dienten ihm die griechisch-antiken Propyläen auf der Athener Akropolis als direktes Vorbild. Wie Schinkel in Berlin entwarf Klenze in München mit der „Alten Pinakothek“ ebenfalls eines der damaligen größten deutschen Museen.

Im Zuge der Nationalbewegung endstanden in Deutschland zahlreiche Nationaldenkmäler, die größtenteils im klassizistischen Stil erbaut wurden. Nach dem Vorbild des Parthenon in Athen entstand ab 1830, ebenfalls von Leo von Klenze entworfen, in der Nähe von Regensburg eine monumentale Ruhmeshalle. Diese so genannte Walhalla und in ihr aufgestellte Marmorbüsten und Gedenktafeln dienten der Ehrung zahlreicher deutscher Persönlichkeiten. Das in der Nähe von Detmold errichtete Hermannsdenkmal hingegen unterstützt die deutsche Identitätssuche in ihrem mythologischen Ursprung und erinnert an die Schlacht im Teutoburger Wald, bei welcher der als nationale Held gefeierte Cherusker Arminius den römischen Legionen eine Niederlage bereitet hatte.

Neben der direkten Orientierung an der Antike gab es jedoch auch Architekten, die sich an die Stilformen der italienischen Renaissance anlehnten und damit den Architekturstil der Neorenaissance ins Leben riefen. Einen derartigen Einfluss zeigt zum Beispiel das Opernhaus des „Königlichen Hoftheaters“ (1838-1841) in Dresden, dem Vorgängerbau der späteren “Semperoper“, bei welchem der Architekt Gottfried Semper (1803-1879) sich zum Beispiel der Rundbögen der italienischen Frührenaissance bediente.

Unter dem Einfluss der Romantik fand auch in der Architektur zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Rückbezug zum Mittelalter, im Speziellen zur Gotik statt. Die Formensprache der Neugotik wurde auf Kirchen, Parlamentsgebäude und andere öffentliche Bauten wie Schulen und Universitäten angewendet. So baute auch Karl Friedrich Schinkel im neugotischen Stil. Neben der ausgeführten Friedrichswerderschen Kirche reichte er ebenfalls den Plan für einen gigantischen Berliner Dom ein, ausgeführt wurde daraufhin jedoch nur ein Nationaldenkmal auf dem heutigen Berliner Kreuzberg zu Ehren der Gefallenen der Freiheitskriege. Die als typisch deutscher Kunststil angesehene Gotik wurde vor allem durch die antifranzösische Stimmung zum Nationalstil erklärt. Eine Dombaubewegung entstand, welche die Fertigstellung unvollendeter gotischer Bauwerke forderte. Neben dem Ulmer Münster erhob man vor allem den Kölner Dom zum Symbol der nationalstaatlichen Einigung Deutschlands.

Das Nachahmen und Zurückgreifen auf ältere Kunststile nahm im Laufe des 19. Jahrhunderts zu und wird als die Stilepoche des Historismus bezeichnet. Bereits 1828 hatte der Baumeister Heinrich Hübsch (1795-1863) mit seinem Buch „In welchem Style sollen wir bauen?“ auf den Punkt gebracht, was zahlreiche Architekten Europas beschäftigte und worüber auf Kongressen erbittert gestritten wurde. Das aufgekommene Phänomen eines Stilpluralismus, einschließlich des gleichzeitigen Vorhandenseins verschiedener Stile an einem Bauwerk, wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend negativ gedeutet. So gab es die Vorwürfe eines willkürlichen Vermischens der Stile und eines Mangels an Originalität. Heute wird die Stilvielalt des 19. Jahrhunderts als Ausdruck des erwachten Geschichtsbewusstseins gesehen und als ein Versuch gewertet, Geschichte zu bewahren.

Olivia Fuhrich
17. März 2017

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