Drückende Lebens- und Arbeitsverhältnisse veranlassten im 19. Jahrhundert viele Menschen dazu, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Zwischen 1815 und 1848 verließen etwa 600.000 Menschen das Gebiet des späteren Deutschen Reiches. Rund 90 Prozent von ihnen versuchten in den USA ihr Glück. Daneben übten vor allem Kanada, Australien, Neuseeland und die südamerikanischen Staaten aufgrund wirtschaftlicher Möglichkeiten eine große Anziehungskraft aus. Besonders groß war die Auswanderungswelle in den späten 1840er Jahren, als sich mit Pauperismus und Ernährungsproblemen die sozialen Missstände zuspitzten. Die meisten Auswanderer waren Kleinbauern, Handwerker und Tagelöhner - viele von ihnen mit Familie. Aufgrund der Not waren Gemeinden sogar bereit, den Auswanderern Zuschüsse zu den Kosten der Überfahrt zu leisten.
Nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 sahen auch viele politisch Enttäuschte in der Auswanderung einen Ausweg aus den reaktionären Verhältnissen in Deutschland. Zwischen 1850 und 1870 verließen etwa zwei Millionen Deutsche ihre Heimat zumeist in Richtung USA. Fast die Hälfte von ihnen wanderte in den Jahren bis 1855 aus. Nachdem die Wirtschaftskrise in den USA Ende der 1850er Jahre, der Amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865) sowie der wirtschaftliche Aufschwung der Gründerzeit in Deutschland die Zahl der Auswanderer stagnieren ließen, kam es in den 1880er Jahren zu einer erneuten Auswanderwelle: Zwischen 1880 und 1893 verließen über 1,7 Millionen Menschen das Deutsche Reich. In den folgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg wanderten aufgrund der konjunkturellen Hochphase in Deutschland nur noch rund 564.000 Menschen aus. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich das hochindustrialisierte Kaiserreich mit entsprechendem Arbeitskräftebedarf von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland entwickelt.
Vorstellungen von ökonomischen Erfolgsaussichten und politischer Selbstbestimmung schürten auch im 19. Jahrhundert den Mythos von den unbegrenzten Möglichkeiten in der "Neuen Welt". Für viele Auswanderer begann die strapaziöse Reise mit einer Postkutschenfahrt oder zu Fuß von ihrem Heimatort zu den Überseehäfen Hamburg oder Bremerhaven. Der Auswanderertransport war für die Reedereien ein lukratives Geschäft, das ihre Schiffe auf den Westrouten auslastete. Der Abschied von Deutschland war meistens ein Abschied für immer. Die mit Hoffnungen und Ängsten verbundene Reise von der Heimat ins Ungewisse veranschaulichte die Malerin Antonie Volkmar (1827-1903) mit ihrem Gemälde "Abschied der Auswanderer". Selbst Schreckensnachrichten von Schiffsunglücken wie dem Untergang der "Austria" 1858 konnten die Auswanderungswilligen nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Am Ziel der Reise angekommen, stellten Briefe die einzige Verbindung in die "Alte Welt" dar. In ihnen berichteten die Auswanderer über ihre Erfahrungen, den Alltag und die Lebensgewohnheiten in der Fremde. Oft beinhalteten die Briefe auch Erfolgsgeschichten, die in den Heimatorten Verwandte und Bekannte zur Auswanderung motivierten.