Der konjunkturelle Aufschwung der deutschen Wirtschaft begann bereits in den 1860er Jahren und mündete nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und durch die folgenden Reparationszahlungen Frankreichs in einen regelrechten Wirtschaftsboom. Die Schaffung eines einheitlichen nationalen Wirtschaftsraumes ab 1871 und eine wirtschaftsliberale Gesetzgebung mehrten die Zuversicht in eine rasante ökonomische Entwicklung. Schwerindustrie, Kohlebergbau und Maschinenbau erfuhren einen kräftigen Wachstumsschub. Allein die Roheisenproduktion wuchs zwischen 1870 und 1873 um 61 Prozent, der Roheisenverbrauch gar um 111 Prozent, demzufolge stieg der Roheisenpreis um 90 Prozent. Eine rasch anziehende Nachfrage, steigende Verbraucherpreise, hohe Gewinne und die gesetzlichen Erleichterungen zur Errichtung einer Aktiengesellschaft regten den Ausbau der Produktionskapazitäten und die Gründung neuer Unternehmen weiter an.
Wurden vor 1870 in Deutschland nur 235 Aktiengesellschaften gegründet, so entstanden in den Jahren des "Gründerbooms" insgesamt 928 neue Aktiengesellschaften mit einem Gesamtkapital von 2,78 Milliarden Reichsmark, darunter auch die Deutsche Bank (1870), die Commerzbank (1870) und die Dresdner Bank (1872). Bis 1890 gab es im Kaiserreich etwa 3.000 Aktiengesellschaften. Zu den finanzstärksten Unternehmen seit Mitte des 19. Jahrhunderts zählten neben den Banken zahlreiche Aktiengesellschaften in den Wachstumsbereichen Bergbau, Maschinenbau und Chemie. Auch die Wohnungsbaugesellschaften prosperierten infolge von Städtewachstum und Urbanisierung, die Wohnungsbauinvestitionen stiegen ab 1871 auf das Siebenfache.
In Erwartung weiter steigender Aktiengewinne und angesichts fortwährender günstiger Kredite schoss das Spekulationsfieber der Anleger weit über das reale Ausmaß des Aufschwungs hinaus. Immer mehr privates Kapital floss in die rapide wachsende Wirtschaft. Anlagen und Aktien waren an den Börsen deutlich überbewertet, insgesamt stiegen die Aktienkurse um 50 Prozent. Doch die produktiven Überkapazitäten und die wachsende Spekulationsblase führten zu einer Börsenpanik, die im Oktober 1873 im so genannten Gründerkrach endete. Nachdem bereits Mitte des Jahres Banken in Wien und anderen europäischen Städten Konkurs gegangen waren, zogen auch deutsche Anleger das noch verbliebene Kapital vom Markt ab. Zur gleichen Zeit entrichtete Frankreich die letzte Reparationszahlung an Deutschland. Radikale Kursstürze und der Konkurs vieler neuer Unternehmen waren die Folge, begleitet von einer mehrjährigen wirtschaftlichen Depression.
Der im Bürgertum aufgekommene "Gründerzeitstil" überdauerte die Phase wirtschaftlicher Stagnation nach 1873. Das wachsende deutsche Nationalbewusstsein nach der Reichsgründung und die beträchtlichen wirtschaftlichen Gewinne der Gründerzeit hatten die bürgerliche Wohnkultur stark beeinflusst. In seinem aufwendigen, repräsentativen Lebensstil orientierte sich das industrielle Bürgertum verstärkt an der alten Elite - dem Adel. Die neuen Fabrikantenvillen wurden nicht mehr wie früher auf dem Fabrikgelände, sondern außerhalb als Landsitze errichtet. Begünstigt durch wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand sowie geprägt von einem gesteigerten Bedürfnis nach Rang und Selbstdarstellung wurde häusliche Repräsentation häufig durch Verwendung von Formen aus der Vergangenheit inszeniert. Der so genannte Gründerzeitstil war geprägt vom Historismus und machte Anleihen bei verschiedenen Stilrichtungen früherer Epochen. Er fand als Altdeutscher Stil, Neorenaissance oder Neubarock Eingang in die bürgerliche Wohnkultur und behaupteten sich neben dem um die Jahrhundertwende aufkommenden Jugendstil bis in das 20. Jahrhundert. Massige Möblierung, dunkle Vertäfelungen, schwere Samtdecken und Petroleumlampen mit aufwendigen Verzierungen waren Ausdruck neuen Selbstbewusstseins. Dieser Repräsentationsstil entsprach ganz dem Empfinden weiter Bevölkerungskreise, brachte ihm aber in späteren Jahren den Vorwurf unverhältnismäßiger Protzigkeit ein.