Zur Fortschrittlichen Volkspartei schlossen sich 1910 die Freisinnige Volkspartei, die Freisinnige Vereinigung und die Deutsche Volkspartei zusammen. Damit entstand in Deutschland erstmals eine einheitliche Partei der linksliberalen und bürgerlich-demokratischen Kräfte. Die Partei war relativ straff organisiert und hatte kurz nach ihrer Gründung rund 130.000 Mitglieder.
Zu den bekanntesten Politikern der Fortschrittlichen Volkspartei zählten Friedrich Naumann, Friedrich Payer (1847-1931) und Ludwig Quidde. Die Partei trat für Reformen zur Parlamentarisierung des Reichs, für die Beseitigung des preußischen Dreiklassenwahlrechts sowie für die Trennung von Staat und Kirche ein. Sie stand für eine wirtschaftsliberale Politik und vertrat die Interessen der Exportindustrie, des Handels, der Banken sowie des Handwerks und Gewerbes. Unter dem Einfluss Naumanns setzte sich in der Fortschrittlichen Volkspartei eine sozialreformerische Haltung durch. Mit ihrer liberal-demokratischen Ausrichtung stand die Partei in der Innen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in Opposition zur Reichsregierung.
Die linksliberale Partei bekämpfte die Konservativen und anfangs auch die religiös gebundene Zentrumspartei. Sie suchte die parlamentarische Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Nationalliberalen Partei. Bei den Reichstagswahlen 1912 erhielt die von ihr nahestehenden Wirtschaftsverbänden finanziell geförderte Partei 9,7 Prozent der Stimmen.
Im Ersten Weltkrieg stand die Fortschrittliche Volkspartei zunächst hinter der annexionistischen Politik der Reichsleitung, kritisierte aber schon bald die "uferlosen Annexionspläne". Unter dem Vorsitz von Payer bildete die Partei mit den Sozialdemokraten, den Nationalliberalen und dem Zentrum den "Interfraktionellen Ausschuß", mit dem die Reichstagsmehrheit Reformen durchsetzen und einen "Verständigungsfrieden" erreichen wollte. Die Partei lehnte den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ab und verabschiedete im Juli 1917 mit der SPD und dem Zentrum die Friedensresolution. Im November 1917 beteiligte sich die Fortschrittliche Volkspartei mit Payer als Vizekanzler an der Reichsregierung. Anschließend unterstützte sie die unter Reichskanzler Prinz Max von Baden eingeleiteten Reformen zur Parlamentarisierung des Reichs. Während der Novemberrevolution 1918 löste sich die Fortschrittliche Volkspartei auf und gründete mit dem linken Flügel der Nationalliberalen Partei die Deutsche Demokratischen Partei (DDP).