In den 1880er Jahren bildete sich in Deutschland - wie in allen industrialisierten Staaten Europas - eine proletarische Frauenbewegung heraus. Hervorgegangen aus der Arbeiterinnenbewegung, organisierte sie sich in Vereinen und in enger Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften.
Im Kaiserreich wuchs die Zahl von Fabrikarbeiterinnen beständig. Bereits 1875 arbeiteten rund eine Million Frauen in der Industrie, dies entsprach etwa 20 Prozent aller dort Beschäftigten. Weitere 1,4 Millionen Frauen waren als Dienstmädchen beschäftigt, mindestens eine halbe Million Frauen verdienten Geld durch Heimarbeit. Frauen in der Industrie und Heimarbeit sowie im Dienstleistungssektor waren meist nur niedrig qualifiziert. Eine allgemeine Lohnungleichheit führte dazu, dass Frauen im Schnitt nur 35 bis 50 Prozent des Lohnes von männlichen Arbeitern erhielten.
Für die proletarische Frauenbewegung stand neben Mutter- und Arbeitsschutz sowie Arbeitszeitverkürzung die Verbesserung der Lohnsituation im Mittelpunkt ihrer Anliegen. Aber auch die rechtliche Gleichstellung sowie das im Kaiserreich nicht vorhandene Frauenwahlrecht waren Hauptforderungen der proletarischen Frauenbewegung. Ihre Organisation wurde durch die im Kaiserreich geltenden Vereinsgesetze stark behindert: Frauen war die Betätigung in politischen Vereinen untersagt. Zudem trieb das von 1879 bis 1890 geltende Sozialistengesetz alle sozialdemokratischen Organisationen in die Illegalität. Auch die proletarischen Frauenvereine standen unter der ständigen Gefahr, verboten und aufgelöst zu werden.
Gegenüber der bürgerlichen Frauenbewegung grenzte sich die proletarische Frauenbewegung in ihrer Thematik und in ihren Organisationsformen ab. Die Abgrenzung beruhte auf Gegenseitigkeit: Sozialdemokratischen Frauenvereinen war die Aufnahme in den Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) untersagt. Während die liberale Frauenbewegung vor allem die Partizipation von Frauen aus dem Bürgertum am öffentlichen Leben und in der Berufswelt forderte, konzentrierte sich die proletarische Bewegung auf die soziale Frage mit einer verbesserten Arbeits- und Lebenssituation der Arbeiterinnen. Ihren führenden Vertreterinnen wie Clara Zetkin sahen die Emanzipation der Frauen in Zusammenhang mit einer Umwälzung der gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse: Nur in einer sozialistischen Gesellschaft könne die Gleichberechtigung beider Geschlechter verwirklicht werden. Eine wichtige theoretische Grundlage für die proletarische Frauenbewegung stellte das 1878 erschienene Buch von August Bebel "Die Frau und der Sozialismus" dar. Bebel thematisierte darin die Situation von proletarischen Frauen in einem Staat mit kapitalistischem Wirtschaftssystem: Arbeiterinnen würden aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer Klassenzugehörigkeit zweifach unterdrückt.
Die praktische Umsetzung des theoretischen Gleichheitsideals stieß aber auch innerhalb der sozialdemokratischen Bewegung auf Widerstand. Frauen hatten es schwer, ihre Positionen zu vertreten und an der Besetzung von Posten teilzuhaben. Viele frauenemanzipatorische Ansätze gingen in der allgemeinen sozialistischen Zielsetzung unter und wurden in der Sozialdemokratie nicht als Problem wahrgenommen. Auch im familiären Alltag stießen Forderungen nach Emanzipation und Gleichberechtigung zumeist auf Unverständnis und Ablehnung.