Unter dem Motto "Heraus mit dem Frauenwahlrecht" gingen am ersten Internationalen Frauentag 1911 über eine Million Frauen in Deutschland und anderen Ländern für ihre politische Gleichberechtigung auf die Straße. Zum Frauentag des Jahres 1913 legte Clara Zetkin in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift "Die Gleichheit" einmal mehr die theoretische Position der Sozialdemokratie dar, der zufolge die Frauenfrage nur zusammen mit der Arbeiterfrage gelöst werden könne: "Der Kapitalismus ist der Feind! Ein Feind für das Weib und auch für den Mann!"
Zetkin stand in Deutschland der proletarischen Frauenbewegung vor. Sie verstand die Unterdrückung der Frau als Klassenproblem, das nur zusammen mit der Arbeiterfrage gelöst werden könne. Dieser Auffassung widersprach die ebenfalls der Sozialdemokratie angehörende Lily Braun. Doch ihr Eintreten für eine Kooperation mit der bürgerlichen Frauenbewegung fand kein Echo, nachdem Zetkin ihrer Gegnerin 1901 die Mitherausgeberschaft der "Gleichheit" entzogen hatte. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Sozialpolitiker Heinrich Braun, publizierte Lily Braun von 1905 bis 1907 die Kulturzeitschrift "Die neue Gesellschaft", deren Ziel die "Vertiefung des kulturellen Lebens des ganzen Volkes" war. Das Ehepaar gehörte dem revisionistischen Flügel der Sozialdemokraten an, dessen führender Kopf Eduard Bernstein war. Er forderte die Partei auf, nicht durch eine Revolution, sondern auf parlamentarischem Wege politische und soziale Teilreformen anzustreben. Gegen diese Auffassung ist die Grundsatzschrift "Sozialreform oder Revolution?" der Theoretikerin der Parteilinken Rosa Luxemburg gerichtet.
Frauen forderten im Kaiserreich vergeblich das Wahlrecht, das erst im Zuge der Revolution von 1918/19 eingeführt wurde. Für die meisten Frauen standen ohnehin drängendere wirtschaftliche und soziale Probleme im Vordergrund. Fabrikarbeiterinnen forderten die Verbesserung der harten Arbeitsbedingungen, der Entlohnung und des Mutterschutzes.